Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

Kefermarkt, Pfarrkirche, gotischer Flügelaltar (1490-1497), Köpfe der drei Schreintiguren (von links nach rechts) hl. Petrus, hl. Woltgang, hl. Christopherus * *'■ Ä m '■ j' 1 gebautes Retabel (siehe oben Retabel in der Kathedrale von Tortosa), sondern na mentlich bei der deutsch-österreichisch niederländischen Gruppe als Tafelretabel oder als Schrein ausgebildet. Dieser Mit telteil ist nicht selten überhöht, dabei ab getreppt (Hochaltäre, Jakobskirche zu Rothenburg und Bönnigheim/Württemberg), oder kleeblattartig (Hochaltar im Breisacher Münster, Nebenaltar in der Hohenfurther Klosterkirche in Böhmen, oder, um ein österreichisches Beispiel zu nennen, das Retabel in der Doppel kapelle in Schwaz). Stichbogig ge schwungen ist der Mittelteil der Altäre in St. Johann in Bozen, in SchwäbischHall, aber auch in St. Michael In Rauhenödt und im Waldburger Seitenaltar. In einem Kielbogen schließt der Altar von St. Martha in der Steiermark, in einem seltenen Sternbogen der Altar von Gröbming. Besonders mannigfaltig sind die oberen Abschlüsse der niederländischen Flügelretabel. Der Rahmen ist schmal und einfach profiliert, bei den üppig aus gestatteten Altären mit gemalten, gepreß ten oder geschnitzten Friesen, die mit Ranken oder Figuren besetzt sind, be sonders reich etwa beim Rächer Altar zu St. Wolfgang. Eine Besonderheit der süddeutschen und österreichischen Flügelaltäre ist das Flankieren des Mittelteils durch Statuen, wegen ihrer Position „Schreinwächter" genannt. Dadurch erhält der Altar auch im geschlossenen Zustand eine gewisse Breite. Die Flügel sind in der Regel zu beiden Selten des Mittelstückes angebracht, Beispiele, wo ein einziger Flügel den Schrein schließt, sind sehr selten (Lübeck, Marienkirche). Das Flügelpaar wird bei den größeren Altären verdop pelt, ja verdreifacht. Je nach der Anzahl der Flügelpaare ist ein zwei- bis vier facher Wechsel der Ansicht möglich. Der obere Abschluß der Flügel richtet sich nach dem Abschluß des Mittelteils, wo durch bei geöffneten Flügeln oft bizarre, achsensymmetrische Umrisse entstehen. Die Darstellungen auf den Flügeln sind meist gemalt, geschnitzte Reliefs kom men nur bei Retabeln mit plastischen Bildwerken im Mittelstück vor. Die Bedeutung der Flügel entspricht den Re geln der Liturgie; Durch Öffnen und Schließen wird dem Altar ein einfacher oder festlicher Charakter gegeben, ge mäß den Anforderungen des Kirchenjah res. Die Szenen der verschiedenen Pha sen stehen dabei in einem narrativen Sinnzusammenhang. Neben den liturgi schen Erfordernissen erfüllen die Flügel aber auch eine praktische Schutzfunk tion, da die meist reich vergoldeten Schreindarstellungen so nicht ständig widrigen Einflüssen ausgesetzt sind. Die hochaufragenden Bekrönungen sind besonders im mittel- und süddeutschen sowie im alpenländischen Bereich üblich, während in Norddeutschland und Eng land lediglich Kamm- oder Zackenfriese den Abschluß bilden. Das gerade in unserem Bereich vollendet ausgebildete Gesprenge ist meist mit Statuen be setzt, ein phantastisches Gebilde aus Ranken und Schlingen, Fialen, Lauben und Baldachinen. Die Höhe des Gespren ges übertrifft nicht selten das Ausmaß des Schreins und gibt dem Flügelaltar das Aussehen einer überdimensionierten Monstranz. Die bedeutenden oberöster reichischen Altäre besitzen sowohl Kamm wie Gesprenge, in erster Linie wohl deshalb, um den sonst harten Über gang vom Gehäuse zum Gesprenge for mal zu mildern. Eine weitere Art des oberen Abschlusses ist das Anbringen von bekrönenden Statuetten allein, eine Form, die vor allem in den Niederlan den bevorzugt war. Hinsichtlich der Ent stehung, des zeitlichen und räumlichen Ursprungs, kann gesagt werden, daß die Herrschaft des Flügelaltares vom aus gehenden 13. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts langsam zunimmt, um dann in der 2. Hälfte des 15. und im 1. Drittel des 16. Jahrhunderts den Höhe punkt zu erreichen. Vereinzelt hält sich der Typus bis ins 17. Jahrhundert. Das früheste Beispiel eines Flügel retabels in Österreich ist der von 1181 stammende Verduner Altar in Kloster neuburg. Dieses Emailwerk war ur sprünglich Amboverkleidung und wurde 1331 zu einem Flügelaltärchen® zusam mengestellt. Inwiefern ein Einfluß auf die Entwicklung des heimischen Flügel altares abzuleiten ist, muß eher zurück haltend beurteilt werden. Immerhin doku mentiert das Altärchen jenen frühen Typus eines Flügelaltares, dessen Ge brauch auch literarisch durch ein von Dekan Liciardus abgefaßtes ördinarium der Kathedrale zu Laon belegt Ist'. Frag mente eines großen Flügelaltares der Hochgotik sind zwei Flügel im Museum von Worms aus der Zeit um 1250. Die Frage nach der Herkunft ist ebenso wie die der frühesten Entstehung noch un entschieden, doch berechtigt der erhal tene Bestand an derartigen Denkmälern zur Annahme, daß der Typus In seiner

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