Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

Wirtschaft Die Kunst im Dienste der Werbung Erich Buchegger Die vorliegende Themenstellung fordert zunächst zu der grundlegenden Frage heraus, ob sich denn Kunst überhaupt in Dienst nehmen lassen darf. Gibt die Kunst sich selbst preis, wenn sie sich an die pragmatischen Ziele anpaßt, wie die Werbung sie verfolgt? Tatsächlich dokumentiert die Unzahl minderwertiger gebrauchsgraphischer Erzeugnisse, die uns ständig begegnen, wie verhängnisvoli die Anpassung des Künstlers an opportunistische Gegebenheiten und der Verzicht auf die gesellschaftskritische und bewußtseinsverändernde Funktion des künstlerischen Schaffens sein kann. Man solite jedoch in diesem Zusammen hang daran erinnern, daß die Kunst zu allen Zeiten im Dienst von Auftraggebern stand, daß sie immer abhängig und nie gänzlich autonom war. So war die mittel alterliche Kunst der Verherriichung der Kirche und der Fiepräsentation des Adels verpflichtet. Der heutige Großindustrielle, der den Künstler als Gestalter in seine Produktion miteinbezieht, tut dies viel leicht aus einem ähnlichen Prestigeden ken heraus wie der Renaissancefürst, der Schlösser und Kirchen bauen ließ, um sein eigenes Ansehen zu erhöhen. Man kann einem Kunstwerk die künst lerische Qualität nicht allein deshalb ab sprechen, weil es im Auftrag eines an deren entstand. Künstlerische Qualitäten unterliegen wesentlich komplexeren Be wertungskriterien, auf die im Rahmen dieses Artikels nicht näher eingegangen werden kann. Die Kunst ist innerhalb der industriellen Entwicklung in eine neue, mit keiner frü heren Epoche vergleichbaren Situation geraten. Herbert Marcuse vertritt die An sicht, die industrielle Entwicklung „höhle die künstlerische Dimension aus". Die industrielle Produktion, die technisierte Gesellschaft überhaupt, werden vorwie gend und zum Teil ausschließlich von Motiven der Zweckmäßigkeit und der Rentabilität geleitet, was eine verhäng nisvolle Verkürzung und Denaturierung des Humanbereiches zur Folge hat. Ist also kein legitimer Platz für den Künst ler in dieser Übermächtigkeit von Verzweckung und Rationalität? Heute wie zu allen Zeiten wird das künstlerische Schaffen durch Themen und Probleme herausgefordert, die im Bewußtsein der betreffenden Epoche dominant sind. Der Künstler unserer Zeit, der seine Funktionen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten neu definieren muß, wird geradezu darauf hingestoßen, sich auf der Suche nach seinem künst lerischen Standort auch mit der tech nischen Wirklichkeit auseinanderzu setzen. Während eine Reihe von Künstlern es unter ihrer Würde findet, sich mit der Welt der Technik und der Industrie über haupt einzulassen, sehen andere gerade darin eine Aufgabe, die Transformation technischer Rationalität und Funktionali tät in ästhetische und humanitäre Rela tionen zu versuchen. Diese Bemühungen dienen einem wichtigen Sozio-kulturellen Anliegen, denn zur technischen muß sich die künstlerische Gestaltung gesellen, wenn die Entfremdung zwischen Technik und Humanbereich überwunden werden soll. Die Mittlerfunktion der Gebrauchsgraphik Gerade der Gebrauchsgraphik kommt eine Mittlerfunktion zwischen Technik und Humanbereich zu. Jemand hat ein mal treffend formuliert, dem heutigen Künstler biete sich die „Galerie der Straße" als Ausstellungsort für seine Werke an. Plakate, Prospekte, Packungen u. ä. wirken ständig auf Menschen ein. Der Werbegraphik bietet sich eine geradezu optimale Möglichkeit, künst lerische Leistung und hohes Formniveau sozusagen ,,unters Volk" zu bringen. Erfreulicherweise haben anerkannte Künstler immer wieder ihr Können in den Dienst der Werbung gestellt. Sie konnten überzeugend beweisen, daß die Kluft zwischen angewandter und bildender Kunst überwindbar ist. Ein permanentes Spannungsfeld Zwischen Auftraggeber und Gebrauchs graphiker entsteht auf Grund der ver schiedenartigen Lagerung ihrer Inten tionen naturgemäß ein Spannungsfeid. Einerseits muß der Gebrauchsgraphiker den werbe- und drucktechnischen An forderungen gerecht werden, er muß ein Werk schaffen, das für ein breites Publi kum zugänglich ist, andererseits muß er ein künstlerisches Form- und Aussage niveau anstreben. Neben der Darstellung des vordergründig Sichtbaren muß der Künstler auch Hintergrunderhellung be treiben. ,,Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar", sagte Paul Klee. Dieses Sichtbarmachen des sen, was hinter einem Werbeobjekt oder einem Slogan steht, das Schaffen einer Transparenz der Aussage auf nicht un mittelbar einsichtige Hintergründe hin, also das Darstellen geistiger Zusammen hänge, das alles sind Aufgaben, die der künstlerisch ambitionierte Gebrauchs-

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