Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

Oberösterreichs Avantgarde Malerei, Graphik, Plastik, Objektkunst und Aktionen der Generation bis vierzig. Peter Baum Vom 24. April bis 7. Juni 1975 zeigte die Neue Galerie der Stadt Linz WolfgangGurlitt-Museum die Ausstellung ,,Ober österreichs Avantgarde". Ihre primäre Absicht bestand In der zusammenfassen den Darstellung jener künstlerischen Lei stungen und Bestrebungen, die für die junge zeitgenössische Kunst des Bundes landes In vorderster Front maßgebend sind. Die aktuell sondierende Schau ver einte 125 Beispiele der Malerei, Graphik, Plastik, Objektkunst und Aktionismus.Sie stammten von 25 Künstlern, deren jüng ster knapp über zwanzig und deren ältester gerade vierzig ist. Nicht weniger als 13 dieser Künstler leben freilich schon seit Jahren in Wien, wo sie nach Be endigung ihrer Studien an den dortigen Akademien ein entsprechendes Auffang becken fanden. Einige — so die Gruppe Haus-Rucker-Co — riskierten sogar eine Existenzgründung im Ausland, die anderen arbeiten freischaffend und im Lehrberuf in Linz, Schärding, Ried, Braunau und Gmunden. Das weitläufige und kontrastbetonte Bild der von einem ausführlichen Katalog be gleiteten Ausstellung dokumentierte gerade in seinen stärker experimentellen Phasen den Versuch einer neuen Standortflndung. Kunst wird von vielen nicht als handwerklich ausgerichteter Bravour akt, sondern als bildnerischer Anstoß und Neubeginn verstanden. Die Kriterien, nach denen dieser zu orten und zu wer ten ist, unterliegen nicht selten der ebenso notwendigen Neu- und Erst formulierung. Sie tun dies - für ein mitgehbereites Publikum und eine be mühte Kritik — auch dann, wenn eine gewisse stilistische Vergleichbarkeit Im Hinblick auf die internationale Szene ge geben Ist und sich zumindest der Einge weihte im ,,Vokabular" auskennt. Die Ausstellung ,,Oberösterreichs Avant garde" stellte auch den Anspruch einer das Regionale sprengenden Verglelchbarkelt. Sie hielt diesem Vergleich auch durchaus stand, weil viele der an Ihr Beteiligten schon seit längerem innerhalb der österreichischen Kunstszene und ver schiedentlich auch auf internationaler Ebene ihren Stellenwert zu behaupten wissen. Neben der Dokumentation von Arbeiten Bekannter setzte sie sich auch das Ziel, Unbekanntes und Neues auf zuspüren und in vergleichende Bezie hung zu bringen. Kunst, die heute ge macht wird, hat das Recht und den An spruch gesehen und dem gesellschaft lichen Prozeß von Willens- und Mei nungsbildung Integriert zu werden: nicht zensuriert oder sonstwie bevormundet, sondern in völliger, selbst zu bestimmen der, aber auch selbst zu verteidigender Freiheit. So wie das für die Ausstellung gesichtete Material zu konkreter und vorurteilsfreier Argumentation führen sollte, will auch der in Anlehnung an das Ausstellungs vorhaben geschriebene Beitrag im fol genden eine informative Hilfestellung für die eigene Urteilsbildung abgeben. Kunst im internationalen Konnex Jeder Versuch einer zielführenden ana lysierenden Zusammenfassung künstleri scher Bestrebungen bedingt ein Beachten jener Grundlagen und Zusammenhänge, die — über die Gegebenheiten und Er fahrungen des lokalen Bereiches hinaus - für die internationale Situation kenn zeichnend sind. Zu diesen Grundlagen im permanent gegebenen Spannungs feld von Tradition und Moderne zählen einerseits entwicklungstheoretische, stilblldnerlsche und technische Erkenntnisse, zum anderen aber auch der große Be reich ständig wechselnden Experimen tierens. Das zuletzt genannte unsichere und risikobetonte Terrain birgt natur gemäß auch die meisten Verunsicherun gen für ein Im allgemeinen durchaus mitgehbereites Publikum in sich. Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum, sie fungiert aber auch nicht - entgegen der beim Laien weitverbreiteten Meinung — als reines Dekorationsobjekt, das — wenn überhaupt - so nur ästhetisch reflektiert wird. Kunst hat sich nicht nur in der maßgebenden Theorie, sondern auch in der Praxis des öffentlichen und privaten Sammeins weltestgehend den Einflüssen unreflektierter Gewöhnung, bloßer Behübschung und falschverstan dener politischer bzw. gesellschaftlicher Opportunitäten entzogen. Das sachliche Interesse hat zweifellos zugenommen, die Information ist besser und rascher geworden. Trotz der Kompliziertheit einer ständig auswachsenden Materie beschäftigen sich heute unter kluger Nutzung der Möglichkeiten der demo kratischen Bildungsgesellschaft vermut lich mehr Menschen als jemals zuvor mit bildender Kunst. Kunst gibt in Ihrer Summe das Bild und die Bedingungen der Zeit, in der sie entsteht, wieder. Sie ist In gewisser Weise ein unbestechlicher Spiegel, der über die nüchterne Tatbestandsaufnahme hinaus geistige Strömungen In symptomatischer Weise festhält und erkennen läßt. Die Kraft und Ausschließllchkelt des Indl-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2