Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 1, 1975

(1627) in den Wirren der Bauernaufstände, und sie erfolgten trotz ,,salva Guardia", trotz kaiserlicfien Sctiutzbriefes aucfi im bayrisch-österreichischen Erbfolgekrieg (1741/42). Der Kasten - heute so stiii und abseits gelegen - stand immer im Brennpunkt des Geschehens, wann ir gendwo im Raum der Enns die Wogen hochgingen, nicht nur wörtlich, wie es die Hochwassermarken bis unter die Dach traufe zeigen und wie deren ständige Wiederkehr als eine Art Schwert des Damokles über dem verwinkelten Gebäude hingen. Der Kasten — was war das eigentlich? Die Bezeichnung ,,Kasten" wird heute noch im bairisch-österreichischen Mundartraum für Getreidespeicher oder für Speicher überhaupt verwendet. Es handelt sich bei den spezieil als ,,Kasten" bezeichneten Großgebäuden an Flüssen und Straßen um öffentliche Versorgungsdepots. Sie waren oft verbunden mit entsprechen den Kellerräumen und Tavernen, manch mal auch mit Mühlen, in denen das ge lagerte Getreide gleich gemahlen wer den konnte. Solch große ,,Kästen" im Sinne von Proviantspeichern gab es nicht nur in der Eisenwurzen — mit dem bekannten ,,lnnerberger Stadel" (nicht selten wird Stadel und Kasten synonym gebraucht) in Steyr, den Kästen in Weyer (seit 1889 Schönthaiersche Möbelfabrik), Weißenbach, Großreifling und Eisenerz -, sondern auch im Salzkammergut. Ein ehemaliger Proviantkasten ist z. B. die heutige Evangelische Kirche von Bad Ischl. Auch in Hailstatt und Gmunden waren diese Kästen wichtige Faktoren des obrigkeitlichen Versorgungssystems. Es wurde darauf hingewiesen, daß der „Kasten an der Enns" durch Lage und Geschichte ausgezeichnet ist. Doch auch von seiner Architektur her hat er immer die Aufmerksamkeit der Betrachter her vorgerufen. Da das Gebäude für viele Zwecke bestimmt war, war es entspre chend groß und gegliedert, mußte es ja nicht nur als Speicher für Getreide und Eisen, d. h. als Lagerhaus dienen (die Bezeichnungen Magazin oder Depot mei nen zwar etwas ähnliches, mit ihnen ver bindet sich aber bereits die Vorstellung von Anti-Architektur), sondern auch als Taverne (Gasthaus) und Herberge (,,Ho tel") für Schiffer, Flößer und bisweilen auch für Fahrgäste und Händler (Ju den z. B. brauchten nach der Mautord nung von 1605 nur die Hälfte der Ge bühren für Waren, das sind 3 Pfennige je Person, zahlen). Der Kasten enthielt ebenso die notwendigen Pferdeställe und Kanzleien (später auch die ,,PostmeisterStube") zur Abwicklung der einlaufenden und abgehenden Schiffsladungen und Flöße. Zum Kasten gehörte noch eine Mühle, die unweit entfernt gelegen war. Wichtigste Funktion des Kastens war die einer ,,Ladstätte", d. h. einer UmschiagLände für Schiffe und Flöße. Sie hatte, wieder mit modernen Bezeichnungen ausgedrückt, die Bedeutung eines ,,Ha fens" bzw. ,,Hafenamtes". Entsprechend der Vielzahl der Funktionen war das ■ '«üu Unten:,,Die Freudhoffbrück ueber die Enns in Weyer", nach einer Lithographie von J. G. Frey iWMir Gebäude sehr vielgl'iedrig. Allen Sek toren dieses gleichsam ineinanderge schachtelten Hauses aber ist - erfreuli cherweise bis zum heutigen Tag - jene gleich steile Dachneigung gemeinsam (48°), die nach dem Befund der Haus forschung prototypisch für die ,,norische Ecke" des oberösterreichischen Süd ostens wie natürlich für die Eisenwurzen überhaupt ist. Auf dem ältesten Bild, dem Fresko, das der Tavernen-Wirt 1699 an der Ennsfront anbringen ließ, steht die Lände mit nau- und gegenwärts ziehen den Schiffen im Vordergrund. Es sind zwei Übers Eck verbundene Gebäude ersichtlich, die inzwischen noch stärker verbunden worden sind. Doch an der Grundstruktur des Gesamteindrucks hat sich bis heute nicht viel geändert. Dr. Heinrich Seidel, verdienter Natur schutzbeauftragter während der Kriegs und Nachkriegsjahre, hat 1950, zu einem Rechts: Außenansicht der Taverne in Kastenreith am rechten Ennsufer in seiner malerischen Gliederung. Bauform aus dem 16. Jahrhundert mit Umbau nach 1629. In Schrägansicht das restaurierte Wand gemälde „Hl. Nikolaus mit Schiffszug" erkennbar. Aufnahme: A. C. Kranzmayr

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