Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 1, 1975

Alter Kasten — Neues Ennsmuseum Ein Beitrag zum Kapitel Denkmaisctiutz — Museumspflege Franz Lipp Es gibt kein anderes Gebäude im ganzen Dreiländereck der österreichischen Eisenwurzen, in dem Lage, Geschichte, Architektur und Zweckbestimmung im Ablauf einer nachweisbaren Geschichte von sechshundert Jahren eine so unlös bare Einheit geworden sind, wie es beim ,,Kasten an der Enns" der Fall ist. Bedeutsam ist seine Lage am Ende einer Wildstrecke der alten Enns und kurz vor dem Beginn einer neuen. Eine natür liche Rast. Ein paar Ruderschläge fluß abwärts öffnet sich, dem Ortsunkundigen nicht auffällig bemerkbar, das einzige Tal und damit die einzige weiterführende Straße nach Osten, d. h. nach Nieder österreich, auf der siebenstündigen Floß fahrt von Altenmarkt bis Steyr. Auf dieser Strecke ist das Ennstal eingeengt vom 1325 m hohen Ennsberg und vom Dürr eck (1052 m). Die ehemals so benannte Kronprinz-Rudolf-Bahn muß zwischen Kastenreith und Weißenbach siebenmal ,,in den Berg", d. h. durch Tunnels, ver schwinden, um ihre romantische Fahrt fortsetzen zu können. Diese Einzwän gung der Enns in ein schmales Flußbett mit starkem Gefälle — 200 m Höhen unterschied zwischen Hieflau und Steyr — führte zu zahlreichen Schiffahrtshinder nissen und Gefahrenstellen, von denen in der alten Flößersprache 22 mit Namen benannt wurden. Am längsten erhalten hat sich die Bezeichnung ,,Flößerfreit hof" für das Hindernis knapp unterhalb der Einmündung des Gaflenzbaches. Die Lage also war es, die in Kastenreith, in der kleinen Rodung des Ennswaldes, eine Raststätte und einen Umschlagplatz, einen Umladepliatz erforderte, denn hier an der Gaflenzmündung begann ja jene schon erwähnte Fernstraße von der Enns über Waidhofen und weiter über die ,,Dreimärktestraße", die Gresten, Scheibbs und Purgstall verband und von da entweder direkt an die Donau bei Pöchlarn oder über St. Pölten nach Wien führte. Es ist nicht genau bekannt, ob diese Situation schon in prähistorischer Zeit genützt wurde, worauf die relativ dichte Besiedlung des oberösterreichischen Ennstales bereits ab dem Neolithikum schließen ließe. Anhaltspunkte für einen Aufenthalt der Römer hart an der Enns (z. B. in Ternberg) gibt es einige. So wurde 1936 eine römische Münze mit dem Bild von Marcus Antonius im Flößer freithof gefunden. Stichzahl für die be kannte Geschichte ist 1373, in welchem Jahr Herzog Albrecht zwischen den Stif ten Admont und Garsten in dem Streit über die Eisenverfrachtung auf der Enns vermittelte, wobei ,,Richter, Rat und Ge meinde der Bürger zu Weyer, Waidhofen und Enns" Briefe vorwiesen „zum Zeug nis, wie es von altersher gehalten wor den; daz eysen aus dem perg (Erzberg) gefurt sey gegen Reyfinkh (Großreifling) und daselbst habe man es gelegt auf die Enns und sey darauf geführt an den GRASTEN und anderswo in unser lannf'L Das von drei Eisenstätten beur kundete ,,von altersher" gibt der Ge schichtsmeinung noch weiten Spielraum. Den geopolitischen Standort des Kastens an der Tangente der Eisenstraße mit dem Endpunkt einer relativ harmlosen und in den Zwischenetappen sicheren Oststraße erkannten bald jene, die ein Interesse an der Förderung oder Unterbindung des habsburgisch-österreichischen Montan wesens und Eisenhandels und damit an der österreichischen Wirtschaft überhaupt hatten. Dies waren immer wieder auch die Ungarn, die schon in den Wirren, die zum Vertrag von Budapest führten (1254), bis an die Enns vorstießen. 1488 ver suchten sie — unter Mathias Corvinus — zum letztenmal sich des Ausfallstores nach dem Westen zu bemächtigen und besetzten den ,,Kasten". Wie Preuenhuber in den Annales Styrenses^ berichtet, versuchten sie dort sogar eine Sperr maut zu errichten. 1532 erreichten die Türken auf ihrem Siegeszug durch die habsburgischen Lande Weyer, brannten es völlig nieder und gelangten auch an den Kasten an der Enns. Und wenn in dieser nur in den gröbsten Umrissen nachgezeichneten Geschichte gleich im Anschluß daran das Jahr 1945 erwähnt wird, in dem vom 12. Mai bis 27. Juli im Markt Weyer 3000 Russen mit 2500 Pferden einquartiert waren^ und am Ka sten sowjetische Posten den Amerika nern am anderen Ennsufer gegenüber standen, so ist damit, historisch gesehen, nur die europäische Bedeutung der Ennslinie und ihres empfindlichen Punktes „am Kasten" unterstrichen. Häufiger noch — besonders in den frühen Jahrhunderten - waren die binnenländi schen Kämpfe um die Herrschaft am Kasten oder um Rechte, die mit dem Umschlagpiatz in Kastenreith in Zusam menhang standen. Da stritten sich die Städte und Märkte, wie Steyr, Weyer und Waidhofen, an der Enns und an den Ei senstraßen, da kämpften die Grundherr schaften, wie Garsten und Admont, um Abgaben und Einnahmen, da wurde der Kasten zum Schauplatz von Einquar tierungen Pappenheimischer Soldaten

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