Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 1, 1974

Die Reichersberger Augustinerchorherren in der Waidmark Franz Engl Die fast 900jährige Geschichte des Augu stinerchorherrenstiftes Reichersberg am Inn ist wohl eine der bewegtesten inner halb der oberösterreichischen Klöster. Dies ist nicht zuletzt darin begründet, daß die wichtigsten Besitzungen und der Hauptwirkungsbereich des Stiftes fern ab seines Innviertier Standortes im süd östlichen Niederösterreich lagen und lie gen. Da Wernhers von Reichersberg einziger Sohn jung starb, und die Verwandten schon frühzeitig um das Erbe zu strei ten begannen, wandelten Wernher und seine Gattin Dietburga auf Rat des Salz burger Erzbischofs Gebhard i., des Bru ders DIetburgas, 1084 Burg und Besitzun gen In ein Augustinerchorherrenstift um und unterstellten es der Schirmvogtei des Erzstiftes Salzburg. Daraus wird auch die weitere Unterstüt zung Reichersbergs durch die Erzbischöfe begreiflich. So war es Erzbischof Konrad i. (1106—1147), der den durch die Wirren des Investiturstreites (1077—1122) zerrütteten jungen Konvent neu festigte, indem er ihm 1132 mit dem energischen Gottesstreiter Magister Gerhoch (1132— 1169) einen überragenden Propst gab und darüber hinaus das Stift auch wirtschaft lich lebensfähig machte, als er ihm am 23. Oktober 1144 allen Zehent der Pfarre Pitten und den Feld-, Wein- und Blutzehent in der Pfarre Bromberg verlieh. In der hierfür ausgestellten Urkunde wird weiters betont, daß die Pfarre Bromberg von Pittenau bis zur Ungarngrenze und bis zum Hartberg, soweit das ,,Eigen des Grafen Eckbert" reicht, ausgedehnt wer den könne. Wenn neue Pfarren davon abgeteilt werden, solle aller Feld-, Weinund Blutzehent auch von den Neubrü chen (Neurodungen) dieses Gebietes dem Stifte Reichersberg entrichtet wer den. Zum ,,Eigen des Grafen Eckbert" (predium EkkebertI) darf folgendes er gänzt werden: Der Markgraf der karantanischen Mark, Gottfried (aus dem Ge schlecht der Grafen von Wels-Lambach), besiegte 1042 die Ungarn bei Pitten, so daß diese das Gebiet westlich der Leitha an Kaiser Heinrich MI. abtreten mußten. Gottfried erhielt darin reichen Eigenbe sitz, aus dem er die Mark Pitten grün dete, deren Hauptort Pitten mit einer Burg wurde. Die Grafschaft reichte von der Schwarza im Westen bis an die alte ungarische Grenze im Osten, vom Gebiet südlich des Wienerwaldes im Norden bis weit über das Wechseigebirge tief in die heutige Steiermark hinein, zu der das ganze Gebiet auch bis Anfang des 16. Jhdts. gehörte. Nach dem Aussterben der Wels-Lambacher (um 1050) kam die Grafschaft Pitten an die bayerischen Gra fen von Formbach (heute Vornbach am Inn, etwa 3 km innabwärts von Schärding auf dem bayerischen Ufer), nachdem Graf Eckbert von Formbach die Erbtochter Gottfrleds geheiratet hatte. Der Bischof von Würzburg, Adalbero, der Stifter des Klosters Lambach, war Sohn des Markgrafen Gottfried, in der „Vita Adalberonis", die aus dem Anfang des 13. Jhdts. stammt, lesen wir vom Herr schaftsbereich Gottfrieds und von Pitten als ,,urbs inclyta et famosa quae quasi metropolis et mater civitatum versus Pannoniam ad austraiem plagam" (be kannte und berühmte Stadt, gleichsam Hauptort und Mutter der Gemeinden ge gen Pannonien [Ungarn] und das süd liche Gebiet), errichtet gegen die feind lichen Einfälle und Verwüstungen aus Pannonien. Die Grafen von Formbach nannten sich nach ihrer neuen Burg, knapp oberhalb von Vornbach hoch über dem Inn, und dem Hauptort Schärding, auch Grafen von Formbach-Neuburg-Schärding und seit 1108 Grafen de Putine (Putinu ► Putine—► Pütten—►Pitten). Sie star ben 1158 mit Eckbert Mi. aus. ihr Besitz und ihre Hoheitsrechte in der Pittner Mark gingen auf die steirischen Ottokare über, 1192 an die Babenberger und 1282 an die Habsburger. Das stark hügelige und im Hochwechsei bis auf 1743 Meter ansteigende Gelände war Im Hoch- und auch im Spätmittel alter dicht bewaldet, woraus die Bezeich nung ,,Waldmark" verständlich wird, die in den landesfürstiichen Schirmbriefen für die Pfarren und den Zehent des Stiftes Reichersberg seit 1459 in den Ur kunden aufscheint. Der heutige Name ,,Bucklige Weit" ist erst eine Prägung des 19. Jhdts. und wenig bezeichnend. Der Waldcharakter ist auch jetzt noch be deutend. Das Erzbistum Salzburg, das bereits nach dem Sieg Karls des Großen über die Awaren in der Waldmark christianisiert hatte, machte nach der Niederwerfung der Ungarn auf dem Lechfeide 955 durch Otto i. 977 seine Besitzrechte im Grenz raum zu Ungarn deutlich geltend und nahm die Missionierung erneut auf, wo für es Im 11. Jhdt. die Pfarrorganisation einsetzte. So scheint 1094 Pitten als Pfarre auf, aus der sich bald Bromberg (Pramberg) im Schiattentale löste und selbst zu einer großen Mutterpfarre wurde, deren Sprengel bis über den Wechsel reichte. Da in den Pfarren von Bromberg und Pit ten bei der Zehentverleihung an das Stift Reichersberg 1144 noch Weltgelstilche angestellt waren, gründete Propst Gerhoch in Pitten zur Verwaltung und Einhebung des Zehents am Fuße des Pittner Berges eine Niederlassung für Chorherren und weihte darinnen 1149 eine Kapelle. 1160 erhielt dann das Stift von Salzburg das Recht, die Pfarre Brom berg mit Chorherren zu betreuen. Wie die Formbacher Grafen hatte auch Otto kar iV. von Steyr seine Ministerialen und andere Geschlechter mit noch ungerodetem Boden begabt, so daß immer mehr Wald urbar gemacht wurde und die Bevölkerung In der Waldmark rasch zu nahm, wodurch die Seelsorgeaufgaben Brombergs stark wuchsen. Um diese zu erleichtern, wurde Ediitz an der Pitten selbständige Pfarre und ebenfalls Rei chersberg untersteilt. Auch die Herrschaf ten und landesfürstiichen Ministerialen trugen dazu bei, Grundlagen für die Bil dung neuer Pfarren zu schaffen, indem sie Kapellen erbauten, um sich selbst, ihren Dienstmannen und dem Hausge sinde auf den Meierhöfen die Möglichkeit zu geben, die hi. Messe zu hören, ohne den manchmal sehr weiten Weg zur Pfarrkirche gehen zu müssen. Sicher stand dahinter oft auch die Absicht, die grundherriiche Selbständigkeit zu doku mentieren. Die Adeligen stellten an ihren Kapellen eigene Kapläne an, die auch Taufen, Osterbeichte, Leicheneinsegnun gen und andere Handlungen vornahmen, die eigentlich nur dem Pfarrer zustan den. Daraus erwuchs viel Streit zwischen Herrschaft und Pfarrer, dessen Beile gung entweder zur Gründung einer neuen Pfarre führte, oder die Kapelle erlangte als Teillösung eine gewisse Selbständig keit zugunsten der Herrschaft. So waren im Ablauf nur eines guten Jahrhunderts aus der weit ausgedehnten Mutterpfarre Bromberg sechs neue Pfarren entstan den: 1192 Ediitz, vor 1220 Aspang am Fuße des Wechseis und Mönichkirchen auf dem Wechselpaß, 1254 Krumbach, 1282 Lichtenegg und Kirchschlag i. d. Buck ligen Welt. Dazu noch Kapellen mit großen Privilegien zu Hochwolkersdorf (1203), Thernberg (1227) und Zöbern (1255). Mit Chorherren waren nur die Pfarren Bromberg und Ediitz besetzt, über die anderen hatte das Stift das Patronat.

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