Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

Exporte. Die Deckung des Inlandsbedarfs, z. B. an Stahlblechen, ist kaum mehr mög lich. Die Exportaufträge sind ständig im Zunehmen. Einige Werksabteilungen sind an der ober sten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit an gelangt, der Auftragsstand ist langfristig bereits höher als die technisch gegebenen Ausstoßmöglichkeiten. — Im Hinblick auf den raschen Fortschritt der Technik müssen einige Anlagen mit Baujahren, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, dringend durch neue,zum Teil größere und vor allem durch noch rationeller arbeitende Anlagen ersetzt werden. Um am Weltmarkt wettbewerbsfähig blei ben zu können, werden die VÖEST daher in den nächsten fünf bis sechs Jahren zirka sechs Milliarden Schilling in neue Werks anlagen investieren. — Der Großteil dieses Aufwandes, zirka 4,2 Milliarden Schilling, wird auf Erweiterungen und Erneuerungen schwerindustrieller Werksabteilungen ent fallen. — Die Rohstahlkapazität soll um etwa die Hälfte, d. h. auf drei Millionen Jahrestonnen,erhöht werden. Es ist vorgesehen, einige der werkseigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf neue Zielsetzungen auszurichten und in nächster Zeit neue lohnintensive Produkte zu entwickeln. — Auch die Kapazität des Großmaschinenbaues, des Apparate- und Behälterbaues wird erweitert. Das gleiche gilt für den Industrieanlagenbau u. a. Werksbereiche. — Von besonderem Inter esse sind die in die Zukunft weisenden Be teiligungen der VÖEST an der Errichtung großer Atomkernenergie-Kraftwerke in einigen europäischen Industriezentren. — Das bisherige Verhältnis „Hütte zu Final industrie 2 :1" wird sich aber voraussicht lich, auch wenn der Gesamtumsatz um drei Milliarden Schilling auf zirka 12,5 Milliar den Schilling ansteigt, nicht wesentlich än dern. Auf dem Donauwege wurden große Men gen Kokskohle, Erze, Rohöl u. a. Güter zugeführt sowie Halbfabrikate und Fertig waren abgeführt. Am Donauverkehr haben auch die der Schwerindustrie benachbarten Stickstoffwerke in beachtlichem Umfang teilgenommen. Etwa zur gleichen Zeit als in der Einzer Schwerindustrie nach ersten Versuchsreihen die mit dem Aufblasen von Sauerstoff auf Roheisenbäder beschäftigten Experten auf großtechnische Dimensionen überzugehen begannen, entwickelte sich in den Linzer Stickstoffwerken z. B. unter anderem eine neue, aussichtsreiche Gruppe von Erzeu gungen, die, wie in vielen Werken dieser Art, als Ergänzung der für die Landwirt schaft entscheidend wichtigen Massen produktion von Düngemitteln gedacht wa ren; — Im Jahre 1950 wurde die Produktion von Phtalsäureanhydrid und drei Jahre später von Weichmachern für die Kunst stoffindustrie aufgenommen. In der Folge ist 1956 auf Initiative der Stickstoffwerke die Petrochemie Schwechat am Standort der Raffinerie der ÖMV (österreichische Mineralölverwaltung) ge gründet worden, um zunächst den Kunst stoff Polypropylen zu erzeugen. Aber schon damals war auch die Produktion von Hoch druckpolyäthylen und von Äthylenoxyd in die Planung aufgenommen worden. — 1960 ist in Linz die Erzeugung von Malein säureanhydrid und Fumarsäureanhydrid angelaufen, welche ebenfalls Grundstoffe für die Kunststoffverarbeitende Industrie darstellen. Schließlich wurden 1967 in Schwechat die Danubia-Ölefinwerke gegründet, an denen die Stickstoffwerke und die BASF (Badische Anilin und Sodafabrik AG) je zur Hälfte beteiligt sind. Die erste Großanlage dieses Werkes ist nun eine Hochdruck-Poly äthylenanlage mit einer Kapazität von 70.000 Jahrestonnen in erster Ausbaustufe, die 1969 in Betrieb genommen werden konnte. Gleichzeitig entstand in Schwechat eine An lage zur Erzeugung von 50.000 Jahreston nen Oxo-Alkoholen, die ebenfalls bereits angelaufen ist und eine neue Phtalsäureanhydrid-Großanlage, mit deren Anlauf 1970 zu rechnen ist. Es wird angenommen, daß auch die beiden letztgenannten An lagen in Zukunft erweitert werden müssen. Dies gilt auch für die Schwechater Poly propylenkapazität, die außerdem noch durch eine neue Anlage zur Produktion von Polypropylen im Wege der Gasphasenpolymeration ergänzt werden soll. Dazu kommt eine Anlage für GP-Niederdruck-Polyäthylen, womit hier bis auf wei teres eine kurze Aufzählung der wichtig sten Anlagen und Projekte der Entwick lungsreihe „Kunststoffe" im Arbeitsbereich der Stickstoffwerke abgeschlossen werden könnte. Die Optimisten unter den Erzeugern und Verarbeitern von Kunststoffen rechnen da mit, daß die Weltproduktion von Kunst stoffen, die für 1968 mit 19,9 Millionen Tonnen ermittelt wurde, bis 1975 zirka 50 Millionen Tonnen erreicht und im Jahre 2000 bereits höher ist als die ebenfalls weiter, aber voraussichtlich nicht so stark zunehmende Weltstahlproduktion. Der Verkaufsumsatz sämtlicher Produkte der Linzer Stickstoffwerke(ohne Schwechat) stieg von 1968 bis 1969 von 2,86 auf 3,18 Milliarden Schilling, nachdem schon in den Vorjahren 1964 bis 1968 eine Um satzerhöhung um 69,2 Prozent verzeichnet wurde und der Beschäftigtenstand um 18 Prozent auf zirka 6600 angestiegen war. — Der Exportanteil der von Linz aus ver sendeten Produkte stieg von 1964 bis 1968 von 674 Millionen Schilling auf 1,42 Mil liarden Schilling und kam 1969 auf 1,48 Milliarden Schilling. Investiert wur den z. B. 1968 zirka 370 Millionen Schil ling im Stammwerk und 42 Millionen Schilling in Schwechat. Für Forschungs und Entwicklungsarbeiten wurden 1968 zirka 86 Millionen Schilling aufgewendet (berechnet nach der Frascati-Definition) und im gleichen Jahr sind schon mehr als 50 Prozent des Primärstickstoffes aus petrochemischen Rohstoffen, d. h. auf Erd öl-Erdgas-Basis, erzeugt worden. Auf die Produktionsmengen bezogen, liegt in den Stickstoffwerken das Schwergewicht des gesamten Linzer Ausstoßes nach wie vor auf synthetischen Düngemitteln wie Nitramoncal (Kalkammonsalpeter) und Ammonsulfat, Superphosphat, Volldünger, Vollhumon, ergänzt durch wichtige Pro dukte wie synthetischen Harnstoff, Schwe felsäure und Zement. Dazu kommen Pflan zenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmit tel sowie zahlreiche pharmazeutische Spit zenprodukte, wobei die Forschungsarbeiten in allen diesen reich aufgegliederten Chemie-Sparten in den zuständigen Labors, Versuchsbetrieben etc. eine entscheidende Rolle spielen. Die Chemische Forschung der ÖSW be arbeitet in mehreren Abteilungen, — wie Anorganische und Organische Forschung, Anwendungstechnik, Analyt-Labor sowie im Organisch-pharmazeutischen Unter suchungslabor u. a. m. einschlägige For schungsgebiete. — Weithin bekannt sind auch die Erfolge der Biologischen For schungsabteilung. Die Pharmazeutische Forschung umfaßt die Sektoren Pharmazeutisch-Chemische und Pharmakologische Forschung, die Galenik, die Klinische Forschung und Prüfung sowie das Pharma-Technicum. Unter den zahlreichen hochspezialisierten, im Werk selbst entwickelten Produkten von weltweiter Bedeutung wären z. B. CCC (Chlorcholinchlorid) als Zusatz zu Stick stoffdüngemitteln zur Erhöhung der Stand festigkeit von Getreide, ein Antiglaukommittel sowie Röntgenkontrastmittel aus dem überreichen Spezialitätensortiment die ser Werke anzuführen, — die Liste der Produktbezeichnungen würde allein viele Seiten beanspruchen. — Der Anteil der höherwertigen und daher mit höheren Preisen notierenden Produkte am gesamten Ausstoß ist von Jahr zu Jahr angestiegen. Die Einzer Stickstoffwerke sind heute weit aus mehr als eine große, sehr leistungs fähige Kunststoffdüngerfabrik, sondern ein „Chemiekonzern im Kleinformat", wenn man die Vielfalt ihrer Produktion in Be tracht zieht. Über die viel diskutierte Zu sammenlegung der Stickstoffwerke mit der ÖMV (österreichische Mineralölverwal tung), die durch die „Fusion mit Erdöl und Erdgas" verbesserte Zukunftsaussichten er öffnen sollte, heute schon näheres aussagen zu wollen, wäre verfrüht. — Jedenfalls sind nach der in eineinhalb bis zwei Jahrzehnten zu erwartenden Fertigstellung der RheinMain-Donau-Binnenschiffahrtsverbindung für alle oberösterreichischen Betriebe we sentliche verkehrsmäßige Erleichterungen zu erwarten. Es steht alles in allem für die VÖEST

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