Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 3/4, 1967

auf, um dann in den französischen Mysterien des Spätinittelalters weiter entwickelt zu werden®". Hinter all dem stand aber Josephus Flavius als eine die evangelischen und apokryphen Berichte sowie die Bibelexegese erweiternde Quelle der kirchlich-volkstümlichen Überlieferung vom Leben des Merodes. Zumindest für den byzantinischen Osten kann das Vorhandensein von reichen Zyklen der Buchmalerei zu den Texten seines Bellum Judaicum und der Antiquitates ludaicae mit Sicherheit erschlossen werden"",für das lateinische Abendland dürfen wir Ähnliches annehmen. Josephus- bzw. Hegesippus-Illustrationen dürften die Vorlagen für 8 und 9 geliefert haben. Szene 7, wenn auch in ihrem Grundinhalt auf Matthäus zurückführbar, zweifellos die merkwürdigste von allen, wird ihre Entstehung möglicherweise der Verschmelzung heterogener Vorlagen verdanken. So ist z. B. der Thronende (Umschlag: Detail) als Majestätsformel auf karolingischen, Ottonischen und zeitgenössischen Miniaturen und Siegeln mit Herrscherdarstellungen vorgebildet. Überhaupt ist wohl Gleichzeitigkeit der Entstehung, jedoch Werkstättenbetrieb und das Arbeiten nach verschiedenen Vor lagen, ferner das Adaptieren und Kontaminieren von Bild typen und Kompositionsteilen anzunehmen. Stil und Datierung Für die stilgeschichtliche Einordung der Lambacher Malereien sind im wesentlichen drei Einflußsphären bedeutsam. Sie wer den hier ohne wertende Reihenfolge und ohne abschließende Formulierung der üntersuchungsergebnisse angeführt: Byzanz, der sogenannte Italo-Byzantinismus, vor allem der Ober italiens und der angrenzenden Alpengebiete, und schließlich die Lambach regional am nächsten stehende Produktion des 11. Jahrhunderts in Regensburg und Salzburg. Die intensive Verschmelzung des spätottonischen Zeitstils der Lambacher Malereien mit byzantinischen Stilelementen ist unverkennbar. Vorbildfunktion hat hier weniger die make donische Renaissance mit ihrem antikischen Figurenrepertoire sowie den vorwiegend malerischen und koloristischen Quali täten, als vielmehr der im 10. Jahrhundert einsetzende neue lineare Stil in seinen hauptstädtischen und provinziellen Va rianten. Mittelbyzantinischer Einfluß ist wirksam in ver schiedenen Figuren- und Bildtypen'^, in der besonderen Inkarnatbehandlung und in einem unruhigen Luminarismus. Diese ältere Phase unterscheidet sich deutlich von der in einer „zweiten Welle" byzantinisch beeinflußten Salzburger Produktion des 12. Jahrhunderts, da ihr die von einem stär keren Gefühl für Körperhaftigkeit bestimmte Verarbeitung des Formen- und Bewegungsreichtums der komnenischen Pe riode noch fehlt. Weiters gibt es hier auch nicht die geo metrische Tektonik der z. B. durch die Fresken in der Stiftskirche am Nonnberg in Salzburg vertretenen hoch romanischen Stilstufe. Die Lambacher Figuren wirken auch bei teilweise gedrungenen Proportionen durch ihre Körper parzellierung Silhouettenhaft und flächig, in der Ponderation labil und schwebend, also mehr der ottonischen Tradition des 11. Jahrhunderts verpflichtet. Ein Zentrum der abendländischen Verarbeitung östlicher Ein flüsse war Italien, für den Alpenraum bedeutsam vor allem Venetien und die Lombardei'-. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Auftraggeber des Lambacher Zyklus, Bischof Adalbero, zumindest zweimal in Italien war und päpstlich orientiert gewesen ist. Es lassen sich u. a. einige Werke der Monumentalkunst zum Stilvergleich heranziehen: die Mosaiken des inneren Hauptportals von S. Marco in Venedig (Ende 11. Jhdt.), die Fresken im Baptisterium von Concordia (Ende 11. bis Anfang 12. Jhdt.) in Venetien, in S. Pietro sopra Civate (3. Viertel 11. Jhdt.) in der Lombardei und schließlich die in Bant' Ambrogio in Negrentino (um 1100) im Tessin. Vorher liegen das als Angelpunkt der Datie rungen im oberitalienischen Raum um 1007 fixierte S. Vincenzo in Galliano bei Cantü in der Lombardei und die Apsismalerei im Dom von Aquileja (2. Viertel 11. Jhdt.); sie weisen noch mehr Analogien mit der hochottonischen Stil stufe der Reichenau auf als mit Lambach. Da aber diese Werke selbst keine homogene Stilgruppe bil den und der überlieferte Bestand an Monumentalmalerei zu schütter ist, können keine entwicklungsgeschichtlich präzisen Verbindungslinien gezogen werden. Jedenfalls läßt sich Lam bach trotz mancher stilistischen Affinitäten dem Italobyzantinismus nicht nahtlos und exklusive einfügen. Dies gilt auch hinsichtlich einer Gruppe oberitalienischer Riesenbibeln der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, welche als Exportgut der Reformkreise schon knapp vor Beginn des Investitur streites in das Gebiet nördlich der Alpen gekommen sind und sich gerade in Oberösterreich im Cod. XI, 1 der Stifts bibliothek von St. Florian und in den Eferdinger Fragmen ten''" als eindrucksvolle Exemplare erhalten haben. Es ist vor allem zu berücksichtigen, daß der süddeutsche Kunstraum selbst in der Miniaturenmalerei von Regensburg und Salzburg durch das ganze 11. Jahrhundert eine starke byzantinische Komponente aufzuweisen hat. Hervorzuheben ist die Filiation vom Hauptmeister des Sakramentars Hein richs 11. (München, Staatsbibl. Clm. 4456), für den Kaiser zwischen 1002 und 1014 in Regensburg hergestellt'''', über den Miniator 1 des Salzburger Perikopenbuches (München, Staatsbibl. Clm. 15713), Mitte 11. Jahrhundert'", zur so genannten Custos-Perhtolt-Gruppe: Perikopenbuch in New York, Pierp. Morgan-Libr. 780 (früher Salzburg, Stifts bibliothek V. S. Peter, Cod. VI, 55)'" und die Evangeliare in Admont, Stiftsbibl., Cod. 511 sowie in Graz, Universitäts bibliothek M. 805", schließlich das derzeit verschollene Perikopenbuch des Prager Piaristenkollegiums'®, alle vier wohl Werke des Salzburger Skriptoriums und in das letzte Drittel des 11. Jahrhunderts datierbar. Besonders die Salz burger Handschriften weisen im Figurenstil, in der Neigung zur architektonischen Symmetrie und zum Hieratischen Ver wandtschaft mit Lambach auf. Der weitaus größere Reichtum in der Szenerie und über haupt in der Erfindung sowie die hohe Qualität der Fresken gestatten es jedoch nicht, Lambach aus dieser Handschriften gruppe einfach abzuleiten. Vielmehr ist umgekehrt die Frage angebracht, ob nicht Monumentalmalereien dieses Ranges auf die Miniaturenkunst der Zeit eingewirkt haben und schul bildend gewesen sind'". Weiters ist zu bedenken, daß das 10. und 11. Jahrhundert die großen Saecula der Reichsherr schaft und der ottonischen Stilperiode®" waren und daß Lam bach als Werk der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts noch überwiegend in der Formentradition der Spätphase dieses sich mit der Chronologie des Herrscherhauses nicht deckenden Stils steht. Die so intensive Verschmelzung mit byzantinischen Qualitäten ist sicherlich durch die direkten Kontakte, welche Kirchen fürsten des Alpenlandes nicht nur zu Italien, sondern auch zur Metropole am Bosporus hatten, gefördert worden. Eine auch künstlerische Produktion betreffende Verbindung mit Byzanz ist gerade bei Gebhard von Salzburg®', unter dessen Episkopat die Custos-Perhtolt-Gruppe noch entstanden sein könnte, überliefert. Anmerkungen Vorbemerkung: Quellen- und Literaturhinweise müssen im Rah men dieser Übersicht beschränkt werden. Eine Gesamtpublikation wird durch den Verfasser vorbereitet. 'MON. GERM. HIST., Diplom. Heim. IV., Nr. 70: verunechtetes (?) königl. Bestätigungsdiplom vom 18. Februar 1061. MON.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2