Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Gemeinde Linz Wels Traun Leonding Ansfelden Marchtrenk Fasching Hörsching Asten Wohnbev. 1939 128.195 29.533 5.985 5.753 3.646 3.207 1.372 2.637 611 Wohnbev. Zimahme Abnahme des Anteils der 1961 zw. 1939 Idw. Bev. zw.1939 und 1961 u.1961 Vo von ."/o auf .'/o der Wohnbev. 195.978 52 2 0,8 41.060 39 4 2,4 16.026 174 8 1,3 11.211 96 20 5,1 7.941 118 26 7,8 6.869 112 27 7,0 4.748 280 33 5,9 3.975 51 28 9,8 1.910 214 39 9,0 rungen in den Umlandgemeinden von Linz. 1939 zeigten nur Traun und Leon ding gewisse Merkmale der Verstädte rung (der Anteil der landwirtschaftli chen Bevölkerung betrug in Leonding damals 20 Prozent, in Traun acht Pro zent), inzwischen hat sich diese Ent wicklung auf viele andere Gemeinden ausgedehnt; in Marchtrenk ist z. B. der Anteil der landwirtschaftlichen Bevöl kerung von 27 Prozent auf sieben Pro zent gefallen, und in Pasching sogar von 33 Prozent auf weniger als sechs Prozent. Die Zunahme an Wohnbevöl kerung war also überall begleitet von einem rapiden Absinken des Anteils der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Mehr noch als beim Vergleich der Wohnbevölkerung fallen die sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen beim Vergleich der Beschäftigten ins Auge; die Zahl der Beschäftigten be trug in Linz im Jahre 1939 etwa 67.000, 1961 arbeiteten fast 133.000 Menschen in Linz; die Zahl der Wohn bevölkerung ist also um 52 Prozent, die Zahl der Beschäftigten jedoch um fast 100 Prozent gestiegen! Welche Kräfte sind es nun, die diese Entwicklung verursacht haben? Die Gründung der Großindustrien im Linzer Raum war der erste und wichtigste Entwicklungsimpuls. Kaum weniger bedeutungsvoll als die Tatsache der Gründung dieser Großbetriebe war ihr erfolgreicher Wiederaufbau nach 1945. Die VÖEST konnte z. B. weitgehend die nach 1945 sehr ungünstigen großräumigen Lagebedingungen ausgleichen und sich den neuen weltwirtschaftlichen Möglichkeiten anpassen. Während des zweiten Weltkrieges entstanden große Barackenlager in Linz. Am Ende des Krieges, als die Enns zur Demarkationslinie zwi schen den beiden Weltblöcken wurde, sammelten sich tausende Flüchtlinge im Linzer Raum und nahmen Quar tier in den nun leerstehenden Ba rackenlagern. Über Nacht standen wertvolle neue Arbeitskräfte für den Wiederaufbau zur Verfügung. Günstige natürliche Bedingungen ermöglichten die dauernde Bindung dieser Menschen an den Raum: Bau gründe, vorerst auf landwirtschaft lich wenig wertvollen Böden, wurden billig angeboten, mit Selbsthilfe wurde gebaut, vorzügliche Grund wasserverhältnisse ermöglichten überall eine Wasserversorgung durch Hausbrunnen; Senkgruben lösten vorläufig das Problem der Abwasser beseitigung. Das Zusammenwirken der oben skiz zierten, nach 1945 wirksamen Antriebs kräfte brachte in der ersten Nach kriegszeit und in den folgenden Jahren des österreichischen Wirtschaftswun ders dem Linzer Raum eine unerhörte wirtschaftliche und räumliche Expan sion; daß sich diese nach der Assimila tion der Flüchtlinge und nach Verfesti gung der neuen Wirtschafts- und So zialstruktur nicht verlangsamte, ist neuen Antriebskräften zuzuschreiben, die ganz allgemeiner Natur sind und deren Wirksamkeit nicht allein auf Oberösterreich beschränkt bleiben. Es sind dies: die Abwanderung aus der Landwirtschaft, das Ansteigen des all gemeinen Wohlstandes und die stän dige Ausweitung des tertiären Wirt schaftssektors (der Dienste, wie Handel, Geldwesen, öffentliche Verwaltung u. a. m.). Diese Erscheinungen haben zwar komplexe Ursachen, aber sehr konkrete Folgen: Die wichtigste unmittelbare Folge der Abwanderung aus der Landwirt schaft ist das Freiwerden von Ar beitskräften für die gewerbliche Wirtschaft; die mittelbaren Folgen dieser Abwanderung sind für den Linzer Raum fast noch schwerwie gender: der akute Arbeitskräfteman gel zwingt die landwirtschaftlichen Betriebe zu einer sehr starken Me chanisierung, die oft in diesem Aus maß betriebswirtschaftlich nicht ge rechtfertigt ist. Der Kapitalbedarf wird meist durch den Verkauf einzel ner Bauparzellen gedeckt. Diese Methode führt aber zu einer Sied lungsstruktur, die das Bild unserer Landschaft verunstaltet, aber auch andere negative Folgen hat. Das Ansteigen des allgemeinen Wohlstandes zeigt seine Raumwirk samkeit vorerst vor allem in der all gemeinen Motorisierung und den ihr entspringenden Verkehrsproblemen; aber schon rücken die Träume vom „eigenen Haus am Waldrand, fernab vom Lärm und Dunst der Städte" für immer breitere Schichten der Be völkerung in den Bereich des Er reichbaren; die schon oben erwähnte Bereitschaft der Bauern, landwirt schaftlich weniger wertvolle Flächen als Bauparzellen zu verkaufen, sowie die allgemeine Motorisierung begün stigen diesen Trend. Die ständige Ausweitung des tertiä ren Wirtschaftssektors — eine welt weite Erscheinung unserer Zeit — führt überall zu einer Ballung der Arbeitsstätten in den Städten, da die meisten Einrichtungen des tertiären Sektors, nämlich die zentralen Dienste,in den Zentren, also in den größeren Städten,liegen müssen. Neben diesen Kräften, die aus allgemei nen wirtschaftlichen und sozialen Ver änderungen entspringen,sind es in über raschend hohem Maß politische und rechtliche Gegebenheiten, die mehr noch als die Maßnahmen der Planung das Bild des Raumes formen, indem sie die wirkenden Kräfte in ganz bestimmte Bahnen lenken. Die rechtlichen Mittel, die der totale Staat 1938 bis 1945 für die Verwirk lichung seiner Pläne geschaffen hatte, waren umfassend und nicht wählerisch; in allen Fragen entschied das öffent liche Interesse, der Einzelne hatte zu rückzustehen, seine Rechte wurden ein geschränkt oder annulliert. Verständ lich, daß nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches Gesetzgebung und Verwaltung sich scheuten, öffentliche Interessen energisch zu vertreten. Die Bauentwicklung in Österreich, beson ders aber die des Linzer Raumes, blieb daher weitgehend dem „freien Spiel der Kräfte" überlassen; Ortsplanungen sind daher nicht selten „Kataloge pri vater Interessen" und nicht die Fixie rung eines durchdachten und alle räumlichen Beziehungen erfassenden Konzepts; öffentliche Förderungsmaß nahmen schließlich entspringen sehr oft auch einem „freien" Spiel, hier der politischen Kräfte. Wir haben uns bisher mit den Kräften beschäftigt, welche die jüngste Ent wicklung verursacht haben; wir haben die politischen und rechtlichen Gege benheiten erwähnt, durch die sie wirk sam werden; nunmehr ist es an der Zeit, auch Folgen und Probleme zu nennen, die daraus resultieren. Dabei dürfen wir niemals vergessen, daß sich diese Entwicklung vielfach in einem Raum vollzieht, der landwirtschaftlich außerordentlich wertvoll ist imd in weiten Teilen eine beispielhafte Agrarstruktur besitzt. Eines der Hauptprobleme des Raumes sind die großen, locker bebauten, vor wiegend aus Einfamilienhäusern be stehenden Flächensiedlungen vor al lem im Gebiet der Welser Heide, be-

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