Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

maß noch nicht bekannten Konzentrationsprozeß kleinsten Maßstabes offenkundig werden zu lassen. Die bisher übliche Analyse der Bevölkerungsentwicklung mittels der Einwoh nerzahlen ganzer Gemeinden täuscht hier eine falsche Ent wicklung vor. So ist die Einwohnerzahl zahlreicher ober österreichischer Gemeinden zwischen den beiden Volkszäh lungen nahezu unverändert geblieben. In Wirklichkeit hat sich jedoch eine loeitflächige Bevölkerungsabnahme voll zogen, der lediglich eine annähernd gleichgroße Bevölke rungszunahme des Gemeindehauptortes gegenüberstand. Die beiden entgegengesetzten Vorgänge können sich rein zahlen mäßig zufällig annähernd ausgleichen und treten dann in der üblichen statistischen Betrachtung nicht in Erscheinung. Dieser Konzentrations- und Entsiedlungsprozeß im klein sten Raum ist für die weitere Entwicklung besonders ge fährlich. Durch die Abwanderung aus den kleinen Ort schaften und Siedlungen wird das Siedlungsgefüge gelockert. Wenn von zehn Häusern fünf oder sechs entsiedelt werden, erhöht sich bei der verbleibenden Bevölkerung infolge immer geringerer Kontaktmöglichkeiten verschiedener Art die Be reitschaft zur Abwanderung. Dagegen ist die Abwanderung von 50 Menschen aus einer 1000 Einwohner zählenden Ort schaft nicht annähernd so folgenschwer. Mit dieser besonderen Betonung der letzten, feinsten Aus wirkungen der allgemeinen Konzentrationstendenz soll nun keineswegs der Kampfruf nach Verteidigung jeder baufälli gen, strohgedeckten, nicht lebensfähigen Siedlungsstelle er hoben werden. Romantik fällt nicht in den Aufgabenbereich der Statistik und Raumforschung. Dennoch muß dieser Pro zeß mit aller Deutlichkeit aufgezeigt werden, da ohne seine Kenntnis und seine Berücksichtigung erhebliche Fehlinvesti tionen auf dem kommunalen Sektor, dem Dienstleistungs sektor, aber auch auf dem Gebiet der Wirtschaft erfolgen können. Diese dominierende, doppelte Entwicklungstendenz — Kon zentration und Verdünnung — läßt sich nun ebenso auf dem Gebiet der Siedlungsentwicklung feststellen. Zwar werden heute im Zuge der Haushaltsverkleinerungen und des damit erheblich gesteigerten Wohnungsbedarfes überall Häuser und Wohnungen gebaut, aber es zeichnet sich auch hierbei klar eine Anpassung an die veränderte Bevölkerungsvertei lung ab. Von den rund 114.000 seit Kriegsende in Ober österreich errichteten Wohnungen wurden allein mehr als die Hälfte (über 58.000 = 51 Prozent) im Zentralraum ge baut. Zwei Drittel aller neuerrichteten Wohnungen konzen trieren sich auf weniger als zehn Prozent aller Gemeinden. Ob die Bevölkerungskonzentration zu einer zwangsläufigen Siedlungskonzentration führt oder ob die Siedlungskonzen tration nicht auch die hier geschilderte Bevölkerungsent wicklung mitbedingte, ist eine Streitfrage. Sicherlich wan dern Menschen auch dann aus ihren bisherigen Wohnsitzen ab, wenn sie an ihrem Wanderungsziel noch keine fixe Wohnung haben. Aber eine stärkere Wohnbautätigkeit und das daraus zum Teil fälschlicherweise abgeleitete, vermeint lich höhere Wohnungsangebot verstärkten die Abwanderung entscheidend. Während die Siedlungstätigkeit genau nach der Zahl der Häuser und Wohnungen registriert wird, der Konzentra tionsprozeß also klar nachweisbar ist, existieren über die Entsiedlung nur Teiluntersuchungen einzelner Zonen und Regionen. Dadurch ist das Gesamtausmaß dieses Prozesses nicht eindeutig nachweisbar und allgemein erkennbar. Bei spiele müssen daher an die Stelle genereller Übersichten treten. Eine Untersuchung der Mühlviertler Grenzzone von Dr. Inge Binder erbrachte für den Zeitraum zwischen 1951 und 1961 eine Zahl von 300 entsiedelten Häusern bei einer gleichzeitigen Errichtung von 543 neuen Wohnhäusern. Die Neubauten wurden dabei zum weitaus größten Teil in den Gemeindehauptorten und entlang bestimmter Verkehrslinien errichtet, die entsiedelten Gebäude gehören nahezu aus nahmslos zu den kleineren Ortschaften in Streusiedlungen oder mit ungünstiger Verkehrslage. In der Optik, etwa bei einem Ausflug, tritt natürlich die Siedlungstätigkeit wesent lich stärker hervor als der Siedlungsverfall. Deshalb ist auch nur die eine Seite der Entwicklung gut bekannt, die andere wesentlich weniger. Die Konzentrationstendenz findet aber auch — und dies ist besonders schwerwiegend — ihren deutlichen Niederschlag in der wirtschaftlichen Entwicklung. Immer mehr Produk tionsstätten und Arbeitsplätze entfallen auf immer weniger Gemeinden. Durch die Verringerung der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze hat die früher naturbedingte stärkere Streuung der Arbeitsmöglichkeiten eine starke Kontraktion erfahren. Das rasche Wachstum der vorwiegend in zentralen Orten bestehenden Industrie-, Gewerbe- und Handels betriebe verstärkte den geschilderten Prozeß. Die Entste hung neuer Betriebe, die sich trotz allen Bemühungen um Dezentralisierung in erster Linie wiederum in den bereits bestehenden Industrie- und Gewerbezentren vollzieht, — man denke nur an die große neue Industriezone von Linz mit Dutzenden neuer Betriebe — verstärkt die betriebliche Konzentration sowie die Massierung nichtlandwirtschaft licher Arbeitsplätze. In der Landeshauptstadt allein sind 35 Prozent aller nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsplätze Oberösterreichs vereinigt, in den drei Statutarstädten Linz, Wels und Steyr zusammen fast 50 Prozent. In 90 Gemeinden Oberösterreichs sind 85 Prozent aller nichtlandwirtschaftlich Erwerbstätigen beruflich tätig, wenngleich sie dort nicht auch wohnhaft sind, sondern zu Zehntausenden als Pendler in die Arbeitsplatz-Konzentrationen strömen. Das Absterben zahlreicher alter ländlicher Gewerbezweige, die Existenzgefährdung anderer durch die Konkurrenz der Massengüterproduktion ist die Kehrseite des wirtschaft lichen Konzentrationsprozesses ähnlich wie die Entsiedlung die Kehrseite der Bevölkerungskonzentration ist. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Konzentration kommt übrigens durch die Zahl der Betriebe imd der Beschäf tigten nicht voll zum Ausdruck. Nimmt man als Grad messer die Produktion bzw. den Produktionswert, so ent fallen z. B. auf den oberösterreichischen Zentralraum fast 70 Prozent der gesamten industriell-gewerblichen Produk tion unseres Bundeslandes. Ähnlich verhält es sich mit dem Umsatz des Handels. Und auch dieses Konzentrationsaus maß wächst im Zuge der Automatisierung und Rationali sierung der Betriebe unaufhaltsam. Vereinzelte Betriebs gründungen in entwicklungsbedürftigen Gebieten ändern daran überhaupt nichts, weil z. B. von der Produktion her gesehen die Aufstellung nur einer einzigen modernen Ma schine etwa in der VÖEST oder einem anderen Großbetrieb dazu im Verhältnis 1 :100 stehen karm. REISEANDENKEN SCHACHSPIELE -ffaufaffotafi:22 Betrieb; Mellchargasse 4 a Glas- und Porzellanmalerei Glas- und Porzellanfotografle Goldrömer, geschliffen, mit Musik

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