Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

3^m .Ä0 Das Problem der Reklame in Landschaft und Ortsbild Foto: Dr. Conrad behaupten, daß sie sich vor dem Fernsehschirm, hinter dem Lenkrad des Kraftwagens, an der Musikbox, in der rauch geschwängerten Luft eines Nachtlokales, am Fußballplatz (als Zuschauer versteht sich) oder in der Boxsporthalle am besten erholen. Es fragt sich nur, ob diese Art Erholung — wenn sie nicht überhaupt eine Selbsttäuschung darstellt — biologisch sinnvoll ist? Im Sinne einer echten Lebensvorsorge, eines echten Lebensschutzes gewiß nicht. Das, was der Mensch zur Erholung braucht, sind reine Luft, klares Wasser, viel Wald, Stille und damit die Möglichkeit zu innerer Einkehr, die Möglichkeit eines ungestörten Naturgenusses. Jede Land schaft, die diese Möglichkeiten bietet, ist als Erholungsland schaft geeignet. Gewiß hat es in der Einstellung zur Land schaft einen kulturgeschichtlich ebenfalls sehr bedeutsamen Wandel gegeben. Es sei nur an Rousseau erinnert, der nach dem Besuch der englischen Gartenanlagen dem in der Schäfer poesie des ausgehenden Barocks sich spiegelnden, das Liebliche und Idyllische bevorzugenden Naturgefühl sein heroisches Naturbekenntnis entgegenstellte: „Niemals ist eine Land schaft der Ebene meinen Augen schön erschienen. Ich verlange Sturzbäche, hohe Felsen, dunkle Wälder, Berge, rauhe aufund absteigende Pfade, fürchterliche Abgründe um mich." Damals begann der Gedanke des Landschaftsgartens, von England ausgehend, das Festland zu erobern, und Goethe schrieb beim Besuch des Parkes des Herzogs von AnhaltDessau in Wörlitz von den elysischen Feldern, die in der sachtesten Mannigfaltigkeit eins ins andere fließen, „...keine Höhe zieht das Verlangen an einen einzigen Punkt, man streicht herum, ohne zu fragen, wo man ausgegangen ist." Damit ist aber auch schon eine Ursache dieses heute so vehement einsetzenden Strebens nach einer neuen Nutzung der Landschaft angedeutet: Es ist die unbewußte Sehnsucht einer in eine lebensfremde, ja lebensfeindliche Umwelt hinein gepreßten Bevölkerung nach Rückkehr zu den Quellen des Lebens, zur unberührten Natur, zum Rauschen des Waldes, zum Rieseln des Wassers, zum Gesang eines Vogels, zum Brausen des kühlen Bergwindes. Die riesige Bevölkerungs vermehrung hat eine über die ganze Welt hingehende Revo lution des Siedlungswesen ausgelöst und zu einem alarmie renden Verbrauch an ehemals gesunder Landschaft geführt. Jeder Blick in die Bevölkerungsstatistik lehrt, daß die Ver städterung mit ihrer physischen und psychischen Reizüber flutung laufend zunimmt. Für das Jahr 2000 wird von den Statistikern eine Weltbevölkerung von über sieben Milliar den Menschen errechnet. Diese Menschen wollen alle ernährt, bekleidet und „erholt" werden, sie wollen, wenn sie schon in der ungesunden Umwelt der Massensiedlungen leben müssen, wenigstens im Urlaub die im Berufsleben verbrauchten Kräfte erneuern. Soweit sie naturfremd tätig sind — und dies ist die große Mehrheit —,bedürfen sie dazu der Erholung in weitgehend naturbelassenen Landschaftsräumen, um dort im Umgang mit einer heilen Welt, mit der ursprünglichen Schöp fung,sich gleichsam selbst neu zu erschaffen. Es lohnt sich, die Frage nach dem Wesen der Erholung und damit auch nach den Eigenschaften einer Erholungslandschaft noch eingehender zu stellen. Was ist Erholung? Doch wohl Erneuerung, Wiederherstellung des durch Arbeit, Beruf oder Krankheit gestörten seelisch-körperlichen Gleichgewichtes des Menschen. Es gibt nun freilich Menschen, die allen Ernstes EM Alpenländische Streusiedlungslandschaft als Erholungsraum Foto: Dr. Conrad

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