Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Bruno Weinmeister Naturschutz als kulturelle Verpflichtung des Landes Die große Ausstellung des heurigen Jahres in St. Florian und Linz, „Die Kunst der Donauschule", ließ wohl in manchem ihrer 190.000 Besucher die Frage aufblitzen: Ist nicht die Landschaft als Gegenstand der Kunst vorzüglich in jenem Herz-Raum Europas entdeckt worden, der unsere weitere Heimat ist? Dies kann doch nicht zufällig so sein? In der un geheuren geistigen Bewegung am Beginne der „Neuzeit" wurden die Maler erstmals ergriffen von der vielfältigen Fülle dieser Landschaften. Ebenso beeindruckt erweisen sich die Künstler der nächsten „romantischen Phase" der Kultur entwicklung im Anfang des 19. Jahrhunderts. Um Salzburg, im Salzkammergut entstanden damals besonders eindrucks volle Landschaftsbilder. Wie der Genius unserer Landschaften auch große Dichter und Musiker „begeisterte", wird jedem offenbar, der sich ein gehender mit Adalbert Stifter beschäftigt und das landschaft liche Element aus manchen Werken Schuberts und Bruckners herauszuhören vermag. Wer könnte nach Stifter den Reichtum unseres Landes an den verschiedenartigsten Landschaftsbildern besser beschreiben? Einem Diadem aus Edelsteinen in erlesener Fassung gleicht dieses gesegnete „Land ob der Enns", und das Stodertal ist wohl einer der strahlendsten unter ihnen — oder ist es ein stiller Teil des sternennahen Grenzwaldes im Norden; ist es der unvergleichliche Traunsee, das Gosautal mit dem Dach stein? Daß das harmonische, parkartig gegliederte Bauernland unse rer engeren Heimat A. Seifert das treffende Wort vom „bäuer lichen Gottesgarten" finden ließ, ist wohlbegründet. — Ein junger Physiker aus Deutschland, der entscheidende Jahre seiner Entwicklung in Österreich verlebt hatte, kam auf seiner Hochzeitsreise durch Niederbayern und das Innviertel nach Linz. Seine ersten Begrüßungsworte waren: „Mein Lieber, jetzt erst weiß ich, warum es in Oberösterreich so schön ist: Überall wächst noch reichlich Baum und Buschwerk an Bach und Feldrain; das Land ist so herrlich menschlich gegliedert, so heimelig." In Niederbayern dagegen haben inzwischen längst als unheil voll erkannte, ehemalige Lehren der Agrarwissenschaft eine gründliche Ausräumung und Verödung bewirkt; deshalb das innerliche Aufatmen bald nach Überschreiten der Grenze! An diesem Gegensatz wird der „menschliche Defekt" sichtbar, den der „technische Effekt" — die ausgeräumte Landschaft — zur Voraussetzung hatte, wenn es erlaubt ist, J. Bodamer „Der Mann von heute" sinngemäß abzuwandeln. Wir wissen nun, daß die „humane Landschaft", die eine be stimmte Bevölkerung aus den natürlichen Gegebenheiten formt, ein Seelenbild, ein Kulturdokument ist; gewissermaßen ein Kunstwerk, an dem viele Generationen mitgewirkt haben. In der Ehrfurcht begründete gute Sitte, mit Bescheidenheit und Pietät verbundene verständige Tatkraft, Lust am Leben in der schönen Heimat haben die Kulturlandschaft hervorgebracht, die schon seit alter Zeit so viele Bewunderer gefunden hat. Die exakten Ergebnisse der Landschaftsökologie zeigen uns aber auch, daß hier der Mensch in harmonischem Zusammen wirken mit der Natur ein „stabiles", d. h. wenig krisen anfälliges „Ökosystem" geschaffen hat (Franz). In diesem liegt dauernde Fruchtbarkeit und gesundes Bauerntum begrün det. „Die Schönheit" ist ein augenfälliger Ausdruck dieser Gesundheit. Wie in jedem Kulturstaat, ist es heute in Österreich eine Selbstverständlichkeit, aus Steuergeldern bedeutende Summen für die Erhaltung der Denkmale großer Kunst, für die leben dige Pflege der Musik und Dichtkunst und die hiezu not wendige Bildung auszugeben. Viele Menschen sind damit be schäftigt, und jedermann wird sich hüten, solche Ausgaben für überflüssig zu erklären, weil sie nicht einer unmittelbaren Not durft dienen; er müßte fürchten, für ungebildet gehalten zu werden. Stehen dazu nicht diejenigen Anstrengungen in einem merk würdigen Gegensatz, die in Österreich von Staats wegen zur Erhaltung geradezu einmaliger Naturgebiete sowie zur Hütung der oben angedeuteten Bezirke gesunden Bauernlandes und anderer berühmter, besiedelter Landschaften gemacht werden? Der Vergleich mit den diesbezüglichen Anstalten anderer Länder, z. B. Hollands, Englands, Polens, Japans, muß uns tief beschämen. Diese Tatsache ist deshalb schwer verständlich, weil die Schönheit unserer Landschaft auch zu einem der wichtigsten Bodenschätze geworden ist, wie der Vater der österreichischen Landesplanung, der leider vor kurzem ver storbene Hofrat Dipl.-Ing. A. Sighartner, in seinem Aufsatz: Rohstoff „Schönheit der Landschaft" schon 1954 eindringlich und. richtungweisend dargetan hat. Die unvergleichlich geringe Dotierung des Budgets für Natur schutz und der mit ihm im Zusammenhang stehenden For schung ist auch schwer vereinbar damit, daß Österreich zu denjenigen Ländern gehört, in denen die Forderung nach dem „Schutz der Natur" als dringendes Kulturanliegen der Mensch heit sehr frühzeitig ausgesprochen wurde, wie Dr. Conrad in einem Vortrag in Salzburg zeigen konnte. In „alten Zeiten" war eine staatliche Vorsorge zum Schütze der Natur nur in wenigen Bereichen nötig, z. B. der Wald schutz durch Forstgesetze. Im allgemeinen war derselbe durch die Ehrfurcht vor der Gottheit gesichert, auf der die „gute Sitte" und die Zurückhaltung — auch der Natur gegenüber — ruhte. Wo zum Beispiel die alten Griechen größere Verände rungen vornahmen, etwa die Erde aufgruben, brachten sie Sühneopfer dar. Das heute immer dringender werdende Bedürfnis nach Natur schutz, das weite Kreise der Bevölkerung aller Kulturstaaten stark ergriffen hat, ist ein notwendiges Korrelat gegenüber der oft verantwortungslosen Machtentfaltung des Menschen mit Hilfe der Technik. Nicht die Ingenieurkunst selbst, son dern ihre Anwendung im Dienste des unbeschränkten Haben wollens, des Macht- und Geldgewinnes schafft das Unheil. Das sich gewissermaßen von selbst vervollkommnende tech nische Denken wird nur zu einer großen Verführung, die um so gefährlicher wird, je mehr es wahre Bildung des Mensch lichen verdrängt. Diese zielt auf das Sein und nicht auf das Haben! Das sogenannte „technische Bewußtsein" besteht weit hin hauptsächlich in der ausschließlichen Hinwendung auf das „Nützliche", wobei vergessen wird, wozu das „Nützliche" nützt; man sagt, der Bedürfnisbefriedigung, erzeugt oder stei gert aber diese Bedürfnisse künstlich, nur um mit Hilfe der Technik — die in diesem Prozeß dienendes Glied ist, aber da durch auch selbst erhalten wird — Geld zu verdienen und die ses wiederum in nichts anderem als im Nützlichkeitszirkel zu investieren. Und dafür wird die Natur, die Grundlage unseres physischen und geistigen Lebens, in einem rasch fortschreiten den Prozeß verbraucht, ja „vertan" und schließlich gar ver nichtet. Wintertag in den Donau-Auen Foto: Meiichar

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2