Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

& Emilie von Rinzer: Porträtfoto. Aus einer Fülle von Beispielen weisen wir noch auf den heftigen Aktenkrieg hin, den Gilm mit Bischof Rudigier zu führen hatte, der es unter Berufung auf eine zuständige Wiener Verordnung aus dem Jahre 1824 verhindern wollte, daß Kinder in Hauptrollen auf dem Theater Verwendung finden. Es mußte sich sogar der Statthalter Freiherr von Bach einsetzen, um die Sache im Sinne Gilms zu einem guten Ende zu führen. Die für das Theaterleben von Linz so fruchtbringende Tätigkeit Gilms erfuhr ein jähes Ende, als Eduard Freiherr von Bach seinen Posten als Statthalter von Oberösterreich zur Verfügung stellte. Bachs Nachfolger versetzte Gilm 1863 in eine andere Abteilung, wo er mit dem Theater amtlich nicht mehr in Berührung kam. So sank der bereits vom Tode gezeichnete Beamte der Statthalterei als Zensor und Protektor des Linzer Theaters wieder in die Bedeutnislosigkeit zurück, während die schönsten seiner Lieder noch lange nach seinem Tode nachhallten und einige davon sogar die Zeiten überdauern. Emilie und August Daniel von Binzer Eine Gedenktafel an dem Hause Ecke KlammstraßePromenade in Linz ist - wie die Inschrift selbst - ein verblassender Hinweis auf den Autor der Lieder „Frei ist der Bursch" und „Wir hatten gebauet ein stattliches Haus". Es handelt sich um August Daniel von Binzer, der erst nach langen Wanderjahren in Linz und Bad Aussee eine Bleibe fand. Binzer wurde als Sohn eines deutschen Ofhziers in dänischen Diensten 1793 in Kiel geboren. Nach dem frühen Tode seines Vaters wurde Daniel von Binzer in der Familie des Philosophen K. L. Reinhold, eines Schwie gersohnes Christoph Martin Wielands, erzogen. Er widmete sich zunächst dem Kaufmannsberufe, der ihn"nach Skan dinavien und England brachte, und begann, schließlich doch seiner Neigung folgend, in Kiel das Universitäts studium, das er in Jena fortsetzte und mit dem Doktorgrad der Rechte abschloß. Binzer gehörte zu jenen Führern der deutschen Burschenschaft, die nur aus edelsten Motiven heraus handelten. Wegen seiner Studentenlieder nach dem Verbot der deutschen Burschenschaft verfolgt, mußte Daniel von Binzer ein unstetes Wanderleben führen. Im thüringischen Löbichau kam er in die Gesellschaft der Herzogin Wilhelmine Katharina Eriederike von Sagan, der ältesten Tochter Peters von Kurland. Sie war die „First Lady" des Wiener Kongresses, Geliebte des Kanzlers Metternich und eine nicht zu unterschätzende Gegnerin Napoleons. Im Gefolge der Herzogin befand sich, unter drei anderen,eine Ziehtochter namens Emilie von Gerschau. Diese interessante und geistig überaus regsame Komtesse fand Gefallen an dem stattlichen und sangeskundigen Gesellschafter Daniel von Binzer. Im Jahre 1822 wurde Hochzeit gemacht. Emilie war ihrem Gatten eine treue Begleiterin auf seiner langen Flucht vor der Verfolgung. Glüeksburg, Flensburg, Neumühlen bei Altona, Köln und Augsburg waren Stationen ihres unsteten Lebens. Dabei war die reizvolle Emilie im Gefolge der Herzogin von Sagan anderen „Partien" zugedacht gewesen, so dem „letzten Landsknecht", dem Fürsten Friedrich von Schwar zenberg. In Augsburg wirkte Binzer als Redakteur der berühmten „Allgemeinen Zeitung", die im Schaffen Stifters ebenfalls eine bedeutende Rolle spielte. Ende 1844 finden wir das Ehepaar in Venedig, und 1845 wurde in Wien eine Bleibe gefunden, wo auch die alternde Herzogin von Sagan bei ihrer Lieblingsziehtochter Emilie Einkehr hielt - und Ruhe fand. Emilie von Binzer war, im Umgang mit den be deutendsten Geistern ihrer Zeit geschult, in Wien bald ein gern gesehener Gast in den literarischen Salons und Gesellschaften. Hier fand im Salon des Joseph Christian Freiherrn von Zedlitz (recte Zedlitz-Nimmersatt), des Dichters der „Totenkränze" und des „Soldatenbüchleins", die erste Begegnung mit Adalbert Stifter statt. Es war ein bedeutsamer Tag,dieser 16. November 1846,denn es fanden sich auch Grillparzer und Eichendorff ein. Stifter schreibt darüber in begeisterten Worten an seinen Verleger Hecken ast. Wehmütig klingt, 26 Jahre später, der Bericht über dieses wohl einzigartige Dichtertreffen aus der Feder Emilie von Binzers in ihren „Erinnerungen an Grillparzer" (1872): „Das Mittagmahl mit den vier Dichtern - auch Joseph Freiherr von Eichendorff nahm daran teil - war reizend ... Eichendorff habe ich seitdem nicht wieder gesehen, mit Grillparzer bin ich in freundschaftlichem Verkehr geblieben, Stifter habe ich langsam und qualvoll 31

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