Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 3/4, 1960

oberösterreich • landschaft kulfur Wirtschaft fremdenverkehr 10.jähr hell 3/4 winter 1960/61 INHALT Dr. Gilbert Trathnigg Herbert Erich Baumert Elfriede Prillinger Dr.Hanns Cottschalk * * * Sepp Wallner Dr.Hans Siegl Georg Lahner Dr.Ernst Baumgartner * * * Dr.Horst Hellauer Erich Maria Meixner E. M. Hermann Mathie Das Welser Landwirtschaftsmuseum Oberösterreichische Bildmotive auf Briefmarken (I) Gedichte Der Heimgang (Erzählung) Ski=Eldorado Krippenstein = Dachsteinplateau Oberösterreichs Bergbahnen Höhlenkunde in Oberösterreich Die Dachsteinhöhlen und ihre Erforschung vor 50 Jahren Rohstoffe aus Oberösterreich Elektrischer Strom für Oberösterreich Zehn Jahre Paracelsus=Institut Bad Hall Kette und Schuß Strahlenschutz als Lebensaufgabe Die Wallfahrtskirche Maria=Trost in Berg bei Rohrbach Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel • Typographische Gestaltung; Herbert Erich Baumert Photographische Mitarbeiter: Max Eiersebner, Wilhelm Fettinger, Siegfried Kainberger, Hannes Loderbauer, Dr. Erich Widder Umschlagbild: Motiv von einer bemalten Truhe im Welser Landwirtschaftsmuseum; Farbphoto: Max Eiersebner, Schrift: Hedi Plaimauer Einzelvcrkaufspreis; S 20.-. Im Abonnement: S 12.- exld. Porto. - Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Otto Wutzel. — Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, sämtliche in Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21.

£ A I ♦ m Weihnachtliche Botschaft der Vergangenheit — Initiale aus der Mondseer Bibel im Oö.Landesmuseum. Photo Widder Umseitig: Weihnachtlicher Gruß der Volkskunst — Hinterglasbild im Heimathaus Freistadt. Photo Eiersebner

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Das Welser Landwirtschaftsmuseum TEXT: DR. GILBERT TRATHNIGG BILDER: MAX EIERSEBNER An Versuchen, die Erträgnisse der Land- und Forstwirt schaft durch aufklärende Erlässe und Verordnungen zu heben, hat es auch in früheren Jahrhunderten nicht gefehlt. Eine besondere Wirkung muß der Tätigkeit der Land wirtschaftlichen Gesellschaften zugeschrieben werden, die Vorgänger im 18.Jahrhundert hatten, aber erst nach Neugründung im Jahre 1819 in Graz unter tätiger Anteil nahme von Erzherzog Johann richtig zum Zuge kamen. Da ihr Bestreben von Verbesserungen im Saatgut bis zur Förderung bestimmter Tierrassen auch zur Einfuhr neuer, in Österreich bis dahin nicht gebräuchlicher Arten reichte, ist ihr Einwirken auf die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebsform erheblich, zumal sie auch Verbesserungen im Arbeitsgerät und späterhin die Einführung von Maschinen anstrebten. Ihre Propagandatätigkeit wurde auf verschie denste Art betrieben. Hier mag nur erwähnt werden, daß sie auch landwirtschaftliche Ausstellungen anregte und zum Teil selbst durchführte. Das Linzer Volksfest früherer Jahre hängt eng mit der Tätigkeit dieses Vereines zusammen, das Rieder Volksfest war bis 1884 überhaupt eine Sache des landwirtschaftlichen Vereines, war von ihm begründet worden. Das Welser Volksfest ist zwar eine Gründung, die mit dem landwirtschaftlichen Verein nicht zusammen hängt, auf gute Zusammenarbeit wurde aber stets Wert gelegt. Freilich darf nicht verschwiegen werden, daß, wie bei allen zentral gelenkten Bestrebungen, Ergebnisse, die wir heute als Fehlentwicklungen bezeichnen müssen, nicht vermieden werden konnten. So hat man, um ein Beispiel anzuführen, es sich angelegen sein lassen, das einheimische fettarme Schwein durch ein fettreiches zu ersetzen. Die Einfuhr von englischen Zuchtebern und die Errichtung von Zuchtstationen hat hier ganze Arbeit geleistet. Trotz dieser intensiven fachlichen Aufklärung und För derung ging die Wandlung im landwirtschaftlichen Betrieb bis zum ersten, in gewissem Sinn sogar bis zum zweiten Weltkrieg langsam und stetig vor sich. Da die maschinellen Geräte meist durch tierische oder menschliche Kraft ange trieben werden mußten, fügten sich die Neuerungen in die alte Betriebsform ein, besserten sie wohl, veränderten sie aber nicht von Grund auf. Erst der Einbruch der Ma schinen, die nunmehr mit Diesel, Benzin oder mit Elek trizität angetrieben werden, leitete Umwälzungen ein, in denen wir noch mitten drinnen stehen. Sicher ist bereits heute, daß zahlreiche alte Arbeitsmethoden, ebenso viele alte Arbeitsgeräte aus dem Betrieb verschwinden. Das gleiche giltfür Anbaugut,zum Teil auch für Haustierrassen. Aus dieser Lage heraus sind die Anregungen, die bereits nach dem ersten Weltkrieg vorgebracht wurden und die Errichtung landwirtschaftlicher Museen forderten, zu ver stehen. Ein zentrales Landwirtschaftmuseum, das sich nur oder vorwiegend auf Arbeitsgeräte und auf sonstige Zeug nisse und Objekte zur landwirtschaftlichen Betriebsform spezialisiert hätte, entstand allerdings nicht. Wohl aber haben zahlreiche Museen im Rahmen ihrer volkskundlichen Abteilungen bäuerliches Arbeitsgerät zu sammeln begonnen. Zum Teil sind in diesen Jahren überaus wesentliche und wertvolle Sammlungen entstanden. Auch in Wels sind die ersten Anregungen schon vor dem zweiten Weltkrieg aufgegriffen worden, konnten aber aus verschiedenen Gründen nicht weiter verfolgt werden. Der verstorbene Landesarchivdirektor Hofrat Dr. Erich Trinks, der seit den zwanziger Jahren immer wieder ein landwirt schaftliches Museum propagierte, hat nun bald nach der Gründung des Musealvereines Wels in einer Ausschuß sitzung seine Wünsche und Pläne bezüglich einer solchen Einrichtung vorgebracht. Der damalige Kulturreferent Vizebürgermeister Direktor E.H.Josseck griff diese An regungen auf, brachte sie in einer Stadtratssitzung vor. Tatsächlich beschloß diese dann, unter dem Vorsitz von Bürgermeister Dr. O.Koss, die Gründung eines solchen Museums in Wels. Nach drei Jahren Vorarbeit, die von Kulturreferent und Vizebürgermeister Dr. Aubert Salz mann außerordentlich gefördert wurde, kam es 1957 zur Bildung eines Kuratoriums unter dem Vorsitz von Landes hauptmannstellvertreter Ökonomierat Johann Blöchl. Ab 30. August 1958, dem Eröffnungstag des Welser Volksfestes 1958, konnte die erste Sonderausstellung des Landwirt schaftsmuseums gezeigt werden. Zum gleichen Termin wurde 1960 die zweite Sonderausstellung, die sieben Räume, darunter vier Säle umfaßt, fertiggestellt. Hand in Hand mit der Sammeltätigkeit und den verschiedenen Neuauf stellungen wurden Arbeitsberichte und Überblicke über den Bestand der Sammlung in den Jahrbüchern des Museal vereines Wels ab Jalu-gang 1957 veröffentlicht. Wir bezeichnen die jetzige Aufstellung wieder als Sonder ausstellung, weil sie nach der Zielsetzung nur ein Teilgebiet zeigt. Danach soll nicht nur altes Bauerngerät gesammelt, sondern die gesamte Geschichte und die Wandlungen der ländlichen Betriebsform dargestellt werden. Der Wandel der Betriebsform verändert ja nicht nur die Geräte und maschinellen Behelfe, sondern auch die Haus und Hofformen, die Arbeitsmethoden und das Arbeits brauchtum. Die Verteilung der Arbeit, die Schwerpunkt verlagerungen auf Ackerbau, Viehzucht, Wald und bäuer liche Nebenbetriebe änderten sich ebenso wie die Ver wendung von bestimmten Samen- oder Setzlingsarten und die Pflege dieser oder jener Rasse bei den Haustieren. Alle diese Momente sollen berücksichtigt werden, und eine betriebswirtschaftliche Sammlung soll auf diesem breiten Gebiet die älteren Zustände bis zum Einbruch der Maschine durch Erwerbung geeigneter Objekte, durch bildliche Darstellungen, durch Verbreitungskarten und Modelle festhalten. Es wird notwendig sein, mit Hilfe archivalischer Studien herauszuarbeiten, welchen Anteil die verschie denen Kulturgattungen, die einzelnen Tierarten früher hatten, welcher Anteil den verschiedenen bäuerlichen Nebenerwerben zukam und welche Geräte zum bäuer lichen Inventar gehörten. Ebenso wird das Wechselspiel zwischen Bodenreform und Bodenbeschaffenheit und der Betriebsart herauszuarbeiten sein. Aber auch die Erin nerung an Fruchtfolgen und Fruchtarten, die heute nicht oder nur mehr wenig bekannt sind, wird in den Arbeits bereich einzubeziehen sein, genauso wie das Aufkommen neuer Arten festgehalten werden muß. Die Lösung dieser umfassenden Zielsetzung, die ihrerseits nur einen Ausschnitt aus der Kultur- und Wirtschafts geschichte des Bauerntums darstellt, kann naturgemäß nur schrittweise erfolgen. Trotz der oft erheblichen Mittel, die von der oö. Landesregierung, der oö. Landwirtschaftskammer und zahlreichen Spendern und Förderern außer

rHJtodem grundlegenden Finanzanteil der Stadtgemeinde Wels gegeben werden, reichen die vorhandenen Geldbeträge nicht für einen schnellen Aufbau. Auch der Zeitaufwand, der für das Sammeln,das Betreuen der erworbenen Objekte und für die notwendigen Grundlagenforschungen erfor derlich ist, fällt hemmend ins Gewicht. Wenn unsere Sonderausstellung sich im wesentlichen auf das bäuerliche Gerät beschränkt und das Sammeln dieser Objekte bisher im Vordergrund der Arbeit stand, ist dies damit zu erklären, daß es heute noch möglich ist, altes Gerät, das nicht mehr gebraucht wird, zu finden, während in wenigen Jahren vieles nicht mehr oder nur mehr sehr schwer zu bekommen sein wird. Auch die räumliche Erstreckung unseres Sammelbereiches ist vorläufig eingeschränkt. Die Arbeit wurde in einem Gebiet, das vom Verkehr wenig erschlossen ist und doch in der Umgebung von Wels liegt, begonnen und erfaßt nunmehr bereits den ganzen Bezirk. Dadurch konnten die vorhandenen Mittel und die für diese Arbeiten zur Ver fügung stehende Zeit besser ausgenützt werden und es konnte verhältnismäßig schnell eine abgerundete Sammlung zusammengetragen werden. In einzelnen Sachgebieten wurde jedoch über diesen engeren Sammlungsbereich bereits hinausgegriffen, der Zielsetzung nach soll später einmal planmäßig ganz Oberösterreich erfaßt werden. Mit Hilfe der Grundsammlung wird es dann nur mehr erforderlich sein, die abweichenden Formen der anderen Landschaften zu sammeln und nicht alle Geräte in Wieder holung zu erwerben. Ein Bericht über die Zielsetzung unseres Landwirtschafts museums wäre nicht vollständig, würde nicht auch davon gesprochen, welche Wirkung wir von unserer Schausamm lung, die ja nur Teile der für die wissenschaftliche Bear beitung bestimmten Objekte enthält, erwarten. Hier ist zunächst die Volksbildung zu nennen, in deren Dienst ja jede Ausstellung eines Museums steht. Es geht also zunächst um das Vermitteln des Wissens von alten Geräteformen und Arbeitsmethoden, um das Aufzeigen an besonders schön gearbeitetem Gerät, wie der Benützer innerlich mit seinem Werkzeug und mit seiner Arbeit verbunden war. Wenn wir auch das Gerät der bäuerlichen Nebenerwerbe zeigen, dann soll deutlich werden, wie der Bauer einst nicht nur für den eigenen Bedarf erzeugte, Schäden besserte und sich mit eigener Kraft behalf, sondern wie früher Land wirtschaftsbetriebe, die zu wenig Ertrag abwarfen, durch das Ausüben von verschiedenen Handwerken, durch Fuhrdienst oder Waldarbeit lebensfähig gemacht wurden. Darüber hinaus ist auch zu bedenken, daß durch die gegenwärtige Entwicklung der Städter dem Land und vor allem der Landarbeitfremd wird, daß die heranwachsenden Bauerngenerationen in Entwicklungen geraten, welche die althergebrachten Lebensordnungen, die Arbeitsformen, das Verhältnis zur Arbeit und zu Grund und Boden geändert haben oder noch ändern werden. Dem Städter ins Ge dächtnis zu rufen, wie vielfältig und schwer die landwirt schaftliche Arbeit zu allen Zeiten war, ist ebenso notwendig wie den heranwachsenden bäuerlichen Generationen die Achtung und Liebe zum Alten einzuprägen; welche Leistungen ihre Vorfahren vollbrachten, soll ihnen der Besuch des Museums lebendig werden lassen. Und sie sollen erkennen, daß diese nur möglich waren, weil ihnen ihre Arbeit nicht allein Broterwerb, sondern Verpflichtung war, weil sie sich mit ihrem Land und Stand seelisch verbunden fühlten. Alle wissenschaftlichen Ziele hängen, ebenso wie die volksbildnerischen und kulturpflegerischen, von Größe und Umfang einer Sammlung ab. Solange diese beschränkt

'■ v r'. vf^'-'tetUl ■7-i-^ ;'>Ls» '<^ Oben: Blick in den Raum mit Jagd und Fischerei. Linke Seite oben: Brett mit Türklopfern; unten: Gruppe mit Ackergeräten Unten: Raum der Mostpressen m i

bleibt, sei es nur räumlich oder abgestellt auf Teilgebiete, ist naturgemäß auch bei den geschilderten Zielsetzungen nur mit Teilerfolgen zu rechnen. Um den Beschauer der Sammlungen für manche Lücken zu entschädigen, wurden der Sonderausstellung des Landwirtschaftsmuseums Be stände der volkskundlichen Abteilung des Stadtmuseums beigegeben. Diese Gegenstände, die nur im Bezirk Wels gesammelt wurden,zeigen das bäuerliche Wohnen. Truhen, Schränke, Betten und Balkendecken wollen Zeugnis für bäuerliche Wohnkultur, für das Schaffen ländlicher Hand werker und für den Schönheitssinn derer sein, die diese Stücke einst erwarben. Die Räume des Landwirtschaftsmuseums befinden sich in der alten Burg Wels. Es sind erdgeschossige Gewölbe, die durch Jahrhunderte dazu genutzt wurden, Erträgnisse des Bodens am Sitz der Grundherrschaft zu sammeln. In siebzig heutigen Pfarreien befanden sich die Untertanen und die zu Naturalabgaben verpflichteten Bauern der Grafschaft Wels, deren Mittelpunkt die alte landesfürstliche Burg war, die später in den Besitz der Fürsten Auersperg überging. Nach den Reformen des Jahres 1848 kam die Burg in bürgerlichen Besitz. Die alten Hallen wurden nun durch Jahi'zehnte für eine Butterschmalz- und später für eine Margarineerzeugung genützt. Aus diesem Grund wurden auch einer der großen Kessel und die einstmals moderne, heute ungefüg erscheinende Kühlanlage erhalten und in das Museum einbezogen. Auch auf Umbauten und Einbauten wurde, um den alten Charakter zu erhalten, verzichtet. Die Gegenstände werden auf angeschotterten Flächen, die mit Ziegeln eingefaßt sind, aufgestellt. Bewußt wird aufden Charakter eines Stadels abgezielt,ohne störende museale Einbauten und doch mit der notwendigen Si cherung der Objekte. Zur Zeit umfaßt die Ausstellung die Sachgruppen Boden bestellung, Obstbaum- und Heckenpflege, Erntegerät und die Gruppe von Geräten, die zur Weiterverarbeitung des Erntegutes dienen. Hierher gehört alles, was zum Dreschen, zum Reinigen der Körner und zum Vermählen zählt. Den Abschluß dieser Reihe bilden die Gruppen über Backen und Brotaufbewahrung. Für den Flachs- und Hanfanbau sind die Gruppen über Bearbeitung des Ernte gutes bis zum Haarstrang, Spinnen und Weben aufgestellt. Beim Obst wird das Gerät zum Pressen und Brennen in einem eigenen Raum ausgestellt, ebenso aber auch eine Auswahl von irdenen und hölzernen Trinkgefäßen. Kraut stöcke, Rüben- und Krauthobel sind in gleicher Weise vertreten wie Futterstöcke, Brechmühle und Burgunder mühle. Eine andere Gruppe bildet wieder das Thema Milch und Milchverwertung, eine weitere das Haus schlachten. Tierpflege, Geschirr, Kummet und Joche sind ebenso zusammengestellt wie eine Auswahl von bäuerlichen Wagen und Schlitten für die Arbeit — ergänzt durch bäuerliches Traggerät — und für das Fahren zur Kirche oder in die Umgebung bei verschiedenen Anlässen. Geräte für die Waldai'beit und Holzbearbeitung, Werkzeuge zum Strohdachdecken, Brunnengraben und zur Herstellung von Seilen und Ziegeln ergänzen den Bestand. Schmiedewerk zeug und Schmiedeerzeugnisse bilden einen Abschnitt für sich. Auch aufdie Frau im Haushalt wurde nicht vergessen. Als erste Auswahl aus dem reichen hauswirtschaftlichen Sammlungsbestand wurde die Einrichtung einer schwarzen Küche in einem Modell in natürlicher Größe aufgestellt mit der Gruppe über Waschen, Mangeln und Bügeln. Modelle, Verbreitungskarten und Bilder zum bäuerlichen Bauen illustrieren das Gezeigte, zu dem auch die Gruppen

über Fischen, Flößen und Jagen sowie die Sammlung von Fallen im Haus und am Feld gehören. Aus den Beständen der volkskundlichen Abteilung des Stadtmuseums werden einerseits Ergänzungen gezeigt wie beim Raum, der dem Spinnen und Weben gewidmet ist. Da diese Tätigkeiten im Wohnraum ausgeübt wurden, stattete man den musealen Raum dazu mit Einrichtungs gegenständen aus, darunter einem alten Kastenbett, das außen die Monogramme von Jesus und Maria, innen, mit Rötel gezeichnet, Drudenfuß und Malkreuze zeigt. An dererseits wurden hier wesentliche Gruppen zusammen gefaßt, wie gemalte Möbel der Gunskirchner Art oder eine kleine Entwicklungsreihe von Truhen aus dem Bezirk Wels von 1648 bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts. Wir wollen hier nicht die Fülle der Fragen, die beim Beti-achten der Gegenstände aufsteigen, behandeln oder gar die einzelnen Geräte und ihre Verwendung beschreiben, die festzustellen oft schon große Schwierigkeiten bereitet. Nur einiges darf vielleicht noch besonders herausgegriffen werden. Um gleich beim Größten zu beginnen, sei auf die Schönheit der alten Rüstbäume und Decken,die meist auch reiches sinnbildliches Gut enthalten, hingewiesen wie auch auf das reichbemalte, alte Scheunentor, das heute schon so selten zu sehen ist. Von einem anderen Scheunentor stammt eine große Sonne, die aufgenagelt war. Auch der Rinderschädel mit vertrockneter Haut, der über den Kummeten aufgehängt ist, wird dem Beschauer auffallen. Er ist nur mehr sehr selten in unseren Bauernhöfen im Dachgebälk der Ställe zu finden. Nur vereinzelt sind bisher Nachrichten über diesen Bi-auch aufgetaucht, obwohl er früher weit verbreitet war. In Ställen Mecklenburgs und Lauenburgs kann man ihn ebenso finden wie in der Um gebung von Wels, von Eferding und bis in das Kremstal. Bei weiterer Suche wird sich die Zahl der bisher gesammel ten Belegorte sicher noch vergrößern lassen. Es handelt sich wie bei den Sinnbildern aufRüstbäumen und Scheunen toren um eine Beschwörung, die das Unheil fernhalten sollte. Oft auch war es ein Abwehrbrauch gegen Seuchen. Bei den Schlittenköpfen darf wieder auf die Ähnlichkeit, die zwischen einzelnen Stücken zu geschnitzten Tierköpfen der Wikinger oder zu römischen Fundstücken besteht, hingewiesen werden. Die Fragen, die dadurch aufgerollt Linke Seite: Details von bemalten Truhen, Kästen und Betten im bäuerlichen Haus Unten: Blick in den Raum mit bäuerlichen INagen, Schlitten und ländlichem Geschirr

werden, sind keineswegs kurz zu beantworten und werden erst zu verfolgen sein, wobei die Fragestellung weitere Komplexe miterfassen muß. Als Futterkiste zum Beispiel hat zuletzt eine Dachtruhe gedient, die nicht nur wegen ihres Alters ausgewählt wurde, sondern auch weil die Bretter und Pfosten noch mit der Axt herausgearbeitet sind. Säge und Hobel wurden bei ihr nicht verwendet. Kaum mehr bekannt sind Leuchtspan hobel und die etwas ungefüge Brettersäge, mit der Bretter und Pfosten aus dem Stamm herausgeschnitten wurden. Diese Geräte seien als Beispiele für eine größere Anzahl von Werkzeug genannt, das heute nicht mehr gebraucht wird, wie wir auch darauf verzichten wollen, auf die Ent wicklungsreihen bei den Holz- und Eisenpflügen, bei den Eggen oder auf das Gerät zur Schliergewinnung einzu gehen. Nur auf die hölzernen,randbeschlagenen Spaten sei noch verwiesen, die früher zur Gartenarbeit verwendet wurden und auf denen wir bei schmückender Auszier Darstellungen von Christus als Gärtner finden. Der Ge brauch solcher Spaten, die zuletzt hauptsächlich bei ärmeren Leuten in Verwendung waren,läßt sich in unserem Raum im 16.Jahrhundert durch Welser Lichtamtsrech nungen ebenso nachweisen wie für das ausgehende 18.Jahr hundert durch eine Truhe aus Pennewang, die durch besonders schöne Bemalung auffällt und in zwei Feldern Gruppen von bäuerlichen Geräten, unter denen sich ein solcher Spaten befindet, zeigt. Die Bemalung von Truhen, Kästen und Betten zeigt über haupt eine reiche Entwicklung, die vielfach staunenswert ist. Abgesehen von den Gunskirchner Möbeln, die durch ihre typische Eigenart und reiche Schönheit auffallen, wurde weniger Wert auf besonders schöne Stücke, als mehr auf möglichste Auswahl von Typen gelegt, die den orna mentalen oder figuralen Stil ihrer Zeit zeigen. Bei den figuralen Darstellungen überwiegen die Heiligenbilder, aber auch weltliche Themen fehlen nicht. Gelegentlich ist nicht nur Jahreszahl und Name zu finden, ab und zu auch ein kurzer Spruch. Ähnliche Beobachtungen in bezug auf Formschönheit und geschmackliche Verzierung kann man bei den Zinnpietschen, den Mangelbrettern und natürlich an der Keramik machen. Die Ausführung gelang nicht immer gut, manches in der Verzierung geriet unbeholfen und primitiv. Das kann man übrigens auch bei Horn- und Holzlöffeln und bei der Verzierung von Kumpfen für den Wetzstein beobachten. Dann aber finden sich wieder in großer Zahl Stücke, die zumindest als kunstgewerbliche Arbeiten anzu sprechen sind und sich bis zu künstlerischen Leistungen steigern. Reizvoll ist es, das Wechselspiel Stadt und Land bei der Ausführung solcher Arbeiten zu beobachten. Angefangen von der Nachahmung städtischer Intarsienarbeiten durch Malerei bis zum Verwenden von Vorlagen, die im Bereich städtischer Kultur entstanden sind, finden sich alle Stufen, genauso wie sich die Bilder beliebter Kultstätten unmittelbar oder im Wege über das kleine Andachtsbild auswirken. Die Fülle von Anregungen und Eindrücken, die der Be sucher des Landwirtschaftsmuseums in Wels gewinnt, konnte nur an Beispielen aufgezeigt werden. Dieser Bericht ist auch nicht dazu bestimmt, eine umfassende wissenschaft liche Darstellung zu geben; seine Aufgabe ist es vielmehr, auf die landwirtschaftliche Sonderausstellung in der Welser Burg aufmerksam zu machen,ihre Zielsetzung wie in einem Blitzlicht herauszustellen und auf Wege hinzuweisen, die zum weiteren Ausbau führen sollten. Vor allem möge der Besucher und Leser erkennen, daß es sich bei dieser muse alen Sammlung nicht um das Spielzeug einiger Phantasten handelt, sondern um eine sehr konkrete realpolitische Angelegenheit. Das Bauerntum befindet sich heute in einem wirtschaftlichen und technischen Lfmbruch, der jetzt erst förmlich das Mittelalter beendet und die Neuzeit beginnen läßt. In solchen Perioden verlieren die Menschen leicht das Maß,verfallen in eine Uberbewertung des Neuen und in eine Zurücksetzung des Alten. Es entstehen dann Fehler, die später meist nicht mehr gutgemacht werden können. Mahnende Stimmen sind notwendig; das Land wirtschaftsmuseum in Wels gehört in diese Reihe, die dem Alten auch in der Welt des Neuen den notwendigen Platz sichern will. OÖ.HEIMATWERK LINZ - HANDELSKAMMER Das Haus der schönen Geschenke und der stilechten Trachten! EINE GASTLICHE STADT LADET ZUM BESUCHE EIN VÖCKLABRUCK DAS TOR ZUM SALZKAMMERGUT AN DER BUNDESSTRASSE SALZBURG-LINZ Mittelalterlicher Stadtkern mit großem Stodtpiotz / Torturm mit interessantem Wappenfries aus der Zeit Kaiser Maximiiians I. / Barocke Ägidius-Kirche und Pfarrhof von C. A. Carlone / Im alten Benefiziantenhaus das sehenswerte Heimatmuseum mit Dokumenten zur Stadtgeschichte und einer reichen Sammlung aus der Pfahlbaukultur am nahen Attersee / Die weithin sichtbare Filialkirche Maria-Schön dorf beherbergt als Kostbarkeit eine liebliche gotische Madonna aus etwa 1440 A U S K Ü N FTE ERTE ILT DAS STADTGEMEINDEAMT, STADTPLATZ 24, TELEFON 411

HERBERT ERICH BAUMERT Oberösterreichische Bildmotive auf Briefmarken I. TEIL Die Briefmarke ist längst über ihre zweckbedingte Funktion, als urkunden= mäßige Quittung der Post für eine ent= richtete Geldleistung zur Beförderung von Postsachen zu dienen, hinausge= wachsen: Sie gilt heute schlechthin als Repräsentant der Kultur des sie aus= gebenden Staates, sie wirbt als exzellen= tes Kleinkunstwerk im In= und Aus= land für die Heimat, kündet von den Schönheiten der Natur, den Großen des Landes, geschichtlichen Ereignissen und technischen Leistungen der Menschen; sie erfüllt nicht zuletzt durch ihr im wahrsten Sinne des Wortes internationa= les Wesen eine völkerverbindende Mis= sion über Politik und Grenzen hinweg. Die Bedeutung der Briefmarke als Sam= melobjekt im wirtschaftlichen wie päd= agogischen Sinne ist unbestreitbar; die Philatelie ist aber neben einer reinen Liebhaberbeschäftigung in Mußestunden auch zum Gegenstand ernster wissen= schaftlicher Forschung geworden'. Bald nach dem Aufkommen der Brief= marken- traten schon die Sammler auf den Plan. Man begnügte sich damals noch mit „allem", was von Onkel und Tante zu bekommen war, und klebte die gebrauchten Postwertzeichen mehr oder weniger sachgemäß und dauerhaft mit Mehlkleister und Dextrin wahllos in Hefte und Bücher. Erst die Briefmarken= kataloge und =alben brachten Ordnung und System in das Sammeln, der kom= merzielle Briefmarkenhandel kam in Schwung, Tauschvereine wurden ge= gründet, Fachzeitschriften herausgege= ben, internationale Philatelistentagungen organisiert und Ausstellungen veranstah tet. Der kleine Quittungszettel war schließlich zu einem Wertobjekt höch= sten Ranges aufgestiegen. Das stete Anwachsen der Emissionen zur heute fast unübersehbaren Fülle von Marken zwang die Sammler, sich auf 'Hundert Jahre österreichische Briefmarke, hrsg. vom Bundesministerium für Ver= kehr und verstaatlichte Betriebe,Generah direktion für die Post= und Telegraphen» Verwaltung (Wien 1950), S.13ff. - 1840 England, 1843 Zürich und Genf so wie Brasilien, 1845 Basel, 1849 Frank» reich, Belgien und Bayern, 1850 Spanien, am 1. Juni österreich=Ungarn, dem im gleichen Jahre noch Sachsen, Preußen, Schleswig=Holstein und Hannover folg» ten. Als letztes der klassischen europäi» sehen Briefmarkenländer entschloß sich 1877 San Marino zur Einführung eigener Postwertzeichen. bestimmte Länder oder die Pflege von Spezial» und Forschungssammlungen zu beschränken; nach dem zweiten Welt» krieg nahm das sogenannte konstruk» tive Briefmarkensammeln von Bildmoti» ven und Themen einen ungeahnten Auf» Schwung. Motive gibt es ja sonder Zahl: angefangen vom Gestirn und Gestein, der Pflanzen» und Tierwelt über alle Ge» biete des menschlichen Lebens bis zu den religiösen Darstellungen. In diesem ersten und einem später fol» genden zweiten Teil soll von jenen Briefmarken die Rede sein, die ein Oberösterreich betreffendes Bildmotiv zeigen. Die in Fettdruck gesetzten Zif» fern weisen auf die entsprechenden Ab» bildungen. 1.Landschaftsdarstellungen, Städtebilder Während für die österreichisch=ungari= sehe Militärpost in Bosnien=Herzegowina bereits 1906 eine in der damaligen Zeit der Monarchen», Wappen» oder einfachen Ziffernmarken vielbeachtete Briefmar» kenserie mit 15 Landschaftsbildern er» schien, kam Österreich selbst — abge» sehen von zwei Werten der Jubiläums» ausgäbe 1908 (Schönbrunn und Hof» bürg) und den Parlamentsmarken von 1921 — erst im Jahre 1923 zu einem ge» schlossenen, neun Werte zählenden Satz mit Ansichten aus den Landeshauptstäd» ten, wobei sonderbarerweise für Nieder» Österreich Melk figurierte. Linz ist mit der in dezentem Rotbraun gehaltenen 240»Kronen=Marke (1) vertreten: In ornamentaler Umrahmung zeigt sich das Kernstück der Stadt im damaligen, nach dreieinhalb Jahrzehnten schon historisch gewordenen Gesicht. Auf dem im Nor» den vom (1873—1875 errichteten) Spar» kassengebäude und dem ehemaligen Graf=Spindlerschen Freihaus (die beide 1939 der neuerlichen Umgestaltung des Brückenkopfes zum Opfer fielen) abge» schlossenen Hauptplatz mit der barok» ken Dreifaltigkeitssäule herrscht emsig» reges Markttreiben um die aufgeschlage» nen „Standein". Zwei Straßenbahnzüge mit luftigen Sommerwagen beleben das Bild. Die zweitürmige Pöstlingberger Wallfahrtskirche grüßt von den Mühl» viertler Hügeln jenseits der Donau. Der Entwurf der Marke stammt von Dr. Ru» dolf Junk, den Stich besorgte Prof. Fer» dinand Schirnböck. Die Briefmarkenausgabe 1929 mit elf Landschaftsdarstellungen aus den Bun» desländern (Kärnten und Wien sind durch je zwei Werte vertreten) bringt nach einer Zeichnung von Franz Retzl auf dem 18=Groschen»Wert(2)für Ober» Österreich eine Ansicht vom Traun» See mit Blick nach Süden auf den Erla» kogel, im Volksmund bekannt als „Schlafende Griechin". — Um Papier ein» zusparen, wurde diese Ausgabe 1932 auf kleinerem Format herausgebracht, die Traunseemarke zuerst wie 1929 als 18» Groschen», später als 12»Groschen=Wert. Letztere Marke wurde auch 1933 in an» derer Farbgebung und schwarzem Auf» druck in der vier Werte umfassenden Winterhilfe»Ausgabe verwendet (hell» blau, 3 Groschen Zuschlag). Die nächsten Landschaftsbilder präsen» tiert die Flugpostausgabe des Jahres 1935 mit 15 Marken von Georg Jung. Das durch seine vorgeschichtliche Kultur weltbekannte H a 11 s t a 11 am gleich» namigen See, dessen Häuser und Kir» chen sich eng an den Berg schmiegen, bietet aus der Vogelschau ein prächtiges Bild für die 20=Groschen=Marke (3), während der höchste Wert der Serie, die 10»Schilling=Marke (4), den Attersee mit dem Höllengebirge und zwei im Wind liegende Segelboote sowie ein Segel» flugzeug zeigt. Diese Marke zählt zu den künstlerisch besten aus der Zeit der ersten Republik. — Ein „Grenz"»FalI er» gibt sich bei der 30=Groschen»Marke dieses Satzes,die den Dachstein mit dem auf steirischem Gebiet liegenden Schlad» minger Gletscher zeigt, womit wir diese Darstellung auch jenem Bundesland zu» gehörig überlassen. Die folgende Oberösterreich betreffende Landschaftsmarke gehört der reichsdeut» sehen, von Axster=Heudtlaß entworfe» nen, neun Werte umfassenden Winter» hilfswerk»Serie 1938 an, deren Höchst» wert zu 40 + 35 Pfennig (5) der alten Innstadt Braunau gewidmet war. Wir sehen die „Salzburger Vorstadt" mit dem 1575 erbauten Stadttorturm, dessen hier sichtbares, aus dem Jahre 1882 stammendes Zeltdach 1939 entfernt wurde. — Eine weitere Marke mit dem Stadtpfarrkirchenturm und Häusern des Hauptplatzes sei der Vollständigkeit halber hier noch erwähnt. Die erste in allen vier Besatzungszonen des wiedererstandenen Osterreich gül» tige Briefmarkenausgabe, die umfang» reiche Landschaftsserie Alfred Chmie» lowskis, brachte für Oberösterreich drei Ansichten aus dem Salzkammergut: im

f I v> 1 Städteserie 1923 K 'm tHL.-« m •:tm mmmm-jm ö S_T E R R E I CH 2 Landschaften 1929 O/TERREICi Ci.aUMO O/TERREICH ..A .>>1 J, i'r.ii mufejynmj.i 3,4 Flugpost 1935 5 Winterhilfswerk 1938 November 1945 erschien der 12=Gro= schen=Wert (6) mit dem M o n d s e e und dem Schafberg und im April 1946 die 38=Groschen=Marke (7) mit dem idyllischen Hinteren Langbath = s e e sowie die 42=Groschen=Marke (8) mit dem Traunsee,Blick auf Traun= kirchen und den Traunstein, im Vorder= grund die Uferstraße nach Ebensee. Der Flugpostsatz 1947 bringt nach dem Entwurf von Heinrich Blechner im 3=Schilling=Wert (9) die bekannte An= sieht vom Schiederweiher bei Hinterstoder mit der Polsterlucke, der Spitzmauer und dem Großen Priel, dar= über ein Verkehrsflugzeug. 10

REPUBLIK H OSTERREICH REPUBLIK : '\iR E P U g L I K jHKiHHiifüW 6 — 8 Landschaften 1945/46 FWFmnwwiwnwiwi UNZER UNDESTRE4a'ER^ .hREPUmKOSTERRllCH# 9 Flugpost 1947 10 10 Landestheater Linz 1953 Den „Seebildern" folgen nun wieder in= teressante Bauwerke: 1953 erhält Linz zum 150jährigen Bestand des Theaters eine Sonderpostmarke zu 1.50 Schilling (10). Das von Ernst Schrom gestaltete Bild zeigt das „Ständische Theater auf der oberen Promenade" nach einer Li= thographie von Josef Hafner um 1840. Zwei antike Masken unterstreichen den festlichen Anlaß der Ausgabe. Das nach Plänen des Landschaftsingenieurs Ferdi= dinand Mayr 1801—1803 im Empirestil erbaute Haus wurde in den Jahren 1955 bis 1958 unter Wahrung der Fassade nach den Plänen von Prof. Dr. Clemens Holzmeister großzügig umgebaut und durch Verlängerung der Front um vier Fensterachsen und nordseitigen Anbau eines neuen Kammerspielgebäudes we= sentlich erweitert. Das 1497 erbaute „Bummerlhaus" in S t e y r, ein Wahrzeichen aus der Blüte= zeit der reichen Eisenstadt, ziert die 70+15=Groschen=Marke (11) der Wohl= tätigkeitsausgabe 1953 zugunsten des Wiederaufbaues der Evangelischen Schu= le in Wien. Das zu den schönsten Bür= gerbauten Steyrs zählende Haus an der Westseite des Hauptplatzes (Nr. 32) be= herbergte im 16. Jahrhundert die erste und älteste „evangelische" Schule in Österreich und erinnert mit der noch heute geläufigen Benennung „Walden= serschule" daran, daß diese vorreforma= torische Bewegung in Steyr einen star= ken Stützpunkt hatte und hier neben der Verkündigung des Evangeliums für eine geregelte Jugenderziehung Sorge trug. Die von Alfred Chmielowski ge= schaffene Marke (Stich: Rud. Toth, Bild; Maria Olinowetz, Rahmen) zeigt das Haus vor der 1954 durchgeführten Re= staurierung: Das gotische Bauwerk glie= dert sich in ein hohes Sockelgeschoß und einen auf Konsolen vorkragenden Ober= stock mit reicher Maßwerkbrüstung aus Stein; den Abschluß bildet der Dach= stock mit Bogenblendarkaden und dem steilen, gegen die Fassade abgewalmten Giebel. 11

Die Reihe einer geplanten, nach zwei Werten jedoch nicht mehr weitergeführ= ten Serie österreichischer Postämter er= öffnete Linz mit dem in den Jahren 1949/51 nach den Plänen von Architek= ten Josef Langhof an der Westseite des Bahnhofplatzes erbauten Postamt 2, das als eines der modernst ausgestatteten Österreichs gilt. Die zum Tag der Brief= marke 1957 aufgelegte Marke zu 1 5chil= ling + 25 Groschen (12)zeigt den weit= ausladenden, dreigeschossigen Bau mit dem markanten Uhrturm und der groß= zügigen Perronanlage der Postautoab= fahrt. Die Gestaltung der Marke über= nahm Stephan Koller, der Stich wurde von Georg Wimmer ausgeführt. In der neuen, schrittweise den Trachten= satz ablösenden Dauerserie mit der Dar= Stellung österreichischer Baudenkmäler erschien Ende November 1958 mit der 2=Schilling=Marke (13) das bisher ein= zige Oberösterreich zugedachte Motiv: die Gnadenkirche in Christkindl bei Steyr. Dieses sich nach der Zeich= nung von Prof. Hans Strohofer in win= terlichem Kleide zeigende Kleinod ba= rocker Baukunst wurde 1706 von Carlo Antonio Garlone begonnen und 1708 von Jakob Prandtauer mit neuer und originaler Schöpferkraft weiterge= führt und vollendet. Die 1877 von Otto Schirmer durchgeführte Erhöhung der Turmobergeschosse und Errichtung einer Attika führten zur empfindlichen Stö= rung der ehemaligen architektonischen Verhältnisse. — Seit 1949 gehen alljähr= lieh zur Weihnachtszeit hunderttausende Glückwunschsendungen über das in Christkindl amtierende Gelegenheits= postamt — versehen mit einem schönen Sonderstempel — in alle Welt. 2. Kunstwerke, Denkmäler Von den Kulturdenkmälern Oberöster= reichs fanden bisher nur zwei ihre Wür= digung auf Briefmarken. Die anläßlich des vom 4. bis 10. Oktober 1954 in Wien abgehaltenen 2. Internationalen Kongresses für katholische Kirchenmu= TAG OEK BRlEfMARKE 19S7 . POSTAMT lINZ 2 crrcc "rrfrcrrrr rfrrFFFrrrr' ^^rrrrrrrrrrLljipiBi' REPUBLIK ÖSTERREICH ST. KOLLER 12 11 ■ IHPI REPUBLIKÜSTERREICH 11 Evangelische Schule 1953 12 Tag der Briefmarke 1957 13 Baudenkmäler 1958 13 12

sik von der österreichischen Postverwah tung aufgelegte, von Alfred Chmielow= ski entworfene Sonderpostmarke zu 1 Schilling (14) ist der Bruckner = o r g e 1 in St. Florian gewidmet. Das ge= waltige, heute 7343 Pfeifen zählende Werk auf der Westempore der Stifts= kirche wurde in den Jahren 1770—1774 vom berühmten Laibacher Orgelbauer Franz Xaver Krismann mit insgesamt 5430 Pfeifen erbaut, das vorzügliche spätbarocke Gehäuse schuf der St.=Flori= aner Tischler Johann Christian Jegg. Die mehrmals umgebaute Orgel, die auch Anton Bruckner als Stiftsorganist und später als Gast oft spielte, wurde 1951 in drei Manualen und im Pedal wieder FÖRKATHOLISCHF 14 MI 15 »■fTEftWEiCW MMMU.Vn V."?. !■' f#. JU Nt» 14 Katholische Kirchenmusik 1954 15 150. Geburtstag Adalbert Stifters 1955 16, 17 Trachtenserie 1954 16 17 zum barocken Werk Krismanns zurück= geführt, während im vierten Manuale die modernen Register vereinigt sind. Zum 150. Geburtstag Adalbert Stifters erschien im Oktober 1955 in der Bun= desrepublik Deutschland eine 10=Pfen= nig=Marke (15) mit der Darstellung des von stilisierten Waldbäumen umgebe= nen (1876/77 errichteten) Obelisken am Plöckensteiner See, der, wohl nicht auf österreichischem Boden gelegen, so doch für unser Land ein übernationales Denkmal Stifterischen Schaffens dar= stellt. Der Entwurf Anton Stanowskis ist ein mutiges Beispiel moderner Mar= kengestaltung. 3. Volkstrachten Zwei Briefmarkenausgaben Österreichs hatten bisher dieses außerordentlich er= giebige Thema zum Inhalt. Der erste, 1934 erschienene Satz, eine hervorragen= de Leistung des Salzburger Künstlers Georg Jung, räumte jedem Bundesland — nach dem Alphabet gereiht — zwei Werte ein (Wien mußte sich mit einer Marke — die Familie darstellend — be= gnügen, drei weitere Schillingwerte sym= bolisierten den Militär=, Bauern= und Arbeiterstand). Oberösterreich bekam die Werte zu 12 und 20 Groschen (16, 17) zugedacht. Die erstere Marke zeigt, einem Aquarell von Ludwig Haase fol= gend, das Brustbild eines pfeifenstopfen= den Bauern aus dem fFausruck = viertel im Hausvatermantel, mit Zip= felmütze und einem wohl der Raumver= hältnisse wegen etwas zu nieder gerate= nen Kastorhut; im Hintergrund als Ku= lisse der Traunsee mit dem See= und Landschloß Ort. Auf der dazugehörigen „weiblichen" Marke stellt sich — nach einer Zeichnung von F. C. Weidmann — eine hübsche Oberösterreiche = r i n mit Goldhaube vor, die, in der rech= ten Hand „Palmzweige" haltend, sonn= täglich gekleidet ist und eine breite Kropfkette als Halsschmuck trägt; den Hintergrund bildet der Mondsee mit der alten Stiftskirche und dem Schafberg. 13

RepublikDflOTejch 140. OBFKUSTEffwEfCH iWNViCHTfL 18 illlllllllllllll* Rcpublift'öltcrracft 21»; S OßBRÖSTER-REICH 19 föpubliköltciTeid} S JSCml ItIO 20 18 — 22 Trachtenserie 1948/1952 23 Weltjamboree Bad Ischl 1951 24 50 Jahre Postauto 1957 ; RspuMiköHerrdd): 10 g 21 $T£ie8,*A^6s r ^LZ«'i>/ v\EB&JT RepubliliDfterreid) 75; 9 |T(I|tMABN 22 t SCMBOM FVfffIii ■ >*«■•••< tUBir SlREPUBLIK OSTE R R E ICK i «AMION» A ' 24 Photos nach den Original marken: Dr. Erich Widder 23 14

Die 12=Groschen=Marke erschien 1935 in geänderter Farbe und mit schwarzem Aufdruck im vier Werte zählenden Wohltätigkeitssatz zugunsten der Win= terhilfe (hellblau, 3 Groschen Zuschlag). Die wesentlich umfangreichere, nur dem weiblichen Geschlecht gewidmete zweite Trachtenserie, die Professor Josef Seger nach photographischen Vorlagen aus dem österreichischen Volkskundemuseum in Wien schuf, bringt von den insgesamt 33 Marken drei speziell für Oberöster= reich: Im Juni 1948 den 1.40=Schilling= Wert (18) mit einer Bäuerin aus dem Innviertel im Sonntagsstaat, mit schwarzem Kopftuch, ein großes Gebet= buch in den Händen haltend; im Sep= tember desselben Jahres den 2=Schilling= Wert (19), der eine L i n z e r i n mit Goldhaube als Überbringerin einer Go= denschale und eines Blumenstraußes zu festlichem Anlaß zeigt; die als Ergän= Zungswert im November 1952 erschie= nene 2.20=Schilling=Marke (20) bringt uns eine Ischlerin mit weißem „Schwammerlhut" und Rüschenspenzer''. Obgleich dem steiermärkischen Ausseer Land zugerechnet, sind die für den 10= Groschen= und 75=Groschen=Wert (21, 22) gewählten Salzkammergut= Trachten auch für Oberösterreich gültig: Die auf der erstgenannten Marke dargestellte Zither befindet sich im Volkskundemuseum Engleiten = Bad Ischl, Die Darstellung ist, genau genommen, nicht, wie am unteren Rand der Marke vermerkt, eine Tracht um 1820, sondern eine im Jahre 1935 vom damaligen Stu= denten der Volkskunde Franz Lipp nach alten Vorbildern erneuerte Tracht. So ge= sehen, ist die Briefmarke ein interessan= tes Dokument, das die erste bewußte Er= neuerung oberösterreichischer Trachten festhält. Die dargestellte Trägerin ist eine Ischler Bürgerstochter, die inzwischen ver= storben ist. die zweite Marke zeigt nach einem Ge= mälde von Viktor Hammer die ältere Form des „Schwammerlhutes" und einen Achselrock. 4. Symbolische Darstellungen Mit der Sonderpostmarke zum 7. Welt= jamboree, das vom 3. bis 13. August 1951 in Bad Ischl über 15.000 Pfadfin= der vereinigte, schuf Ernst Schrom eine gut gelungene Komposition: Die drei= farbige l=Schilling=Marke (23) zeigt die Pfadfinder=Lilie mit dem österreichischen Wappenschild über einem Teil der Welt= kugel, worauf zwischen den Ziffern 19 = 51 (leider unverdient klein) eine Maultrommel zu sehen ist. Dieses originelle eiserne Musikinstrument, mit dem die Bewohner der Bergdörfer mehr= stimmige urtümliche Weisen spielen, wird noch heute in der Gegend um Mölln hergestellt. Die Ausgabe der Sondermarke zum 50= jährigen Jubiläum des österreichischen Postautodienstes (24) im Jahre 1957 (Entwurf: Prof. Hans Ranzoni d. J.) be= zieht sich auf die Eröffnung der ersten Linien zwischen Neumarkt und Predazzo in Südtirol am 6. August und zwischen Linz und Eferding am 15. De= zember 1907. Für die letztere Strecke — die erste Postkraftwagenlinie jedoch im heutigen österreichischen Staatsge= biet — wurde gegenüber dem auf der Marke abgebildeten Südtiroler Omnibus bereits ein geschlossener Wagentyp mit größerer Leistung (Maximalgeschwindig= keit 32 km pro Stunde!) eingesetzt"*. * Als Fazit unserer „Motivschau" können wir feststellen, daß Oberösterreich in der Briefmarkenproduktion der bespro= "* Oberösterreichische Heimatblätter, Jg.12 (1958), H. 1/2, S.57ff. ebenen Bildsparten verhältnismäßig gut abgeschnitten hat, doch bleibt so man= eher Wunsch für die Zukunft offen: Un= ser Land hat noch manche Bauwerke historischer und technischer Einmaligkeit sowie Landschaften, die es wert wären, in den Kranz der österreichischen Brief= marken aufgenommen zu werden. Zum Beispiel erhoffen wir 1962 zur Feier der 750. Wiederkehr der ältesten österrei= chischen Stadtrechtsverleihung an Enns eine entsprechende Sondermarke, wir denken an die vielen Stifte, Burgen und Schlösser des Landes, von denen noch keines im Markenbild zu sehen war, oder an die internationalen Fremden= orte wie St. Wolfgang, Heilbäder wie Bad Ischl, Bad Hall usw. Ferner warten Kunstschätze besonderer Art, wie etwa der Tassilokelch von Kremsmünster, auf eine postalische Würdigung. Oberöster= reich besitzt monumentale Brückenbau= ten der Autobahn Salzburg—Wien, mo= derne Kraftwerke an Donau, Inn und Enns. Abgesehen von der Oberöster= reich nur sozusagen am Rande berüh= renden Jubiläumsausgabe der Dampf= Schiffahrt auf der Donau (1937) mit der von Wien nach Linz abfahrenden „Maria Anna" und dem auf der steirischen Sah za zur Enns fahrenden Holzfloß (Wie= ner Frühjahrsmesse 1947), ist die gewiß nicht geringe Wirtschaft unseres Bundes= landes auf keiner Marke vertreten. Wir vermissen auf den österreichischen Briefmarken Bauernhausformen oder gar Volksbräuche, für Oberösterreich gäben etwa die Gmundner Sternsinger, die Ebenseer Glöckler, die Seeprozession in Traunkirchen oder Hallstatt wie die Georgi= und Leonhardiritte dankbare Motive! Es wäre auch an der Zeit, der ersten Schienenbahn des Kontinents, der 1832 in Betrieb genommenen Pferde= bahn von Linz nach Budweis, in einer Markenausgabe zu gedenken. WILHELM SCHÖNAUER & CO. GUSSANSTALT FÜR BUCHDRUCKWALZEN CUMMIWALZEN WIEN Vn/62, SCHOTTENFELDGASSE 93 • RUF 443 39 £ E L t T PAPIERWARENFABRIK WIEN 7. BURGGASSE 33 TELEFON 44 81 83 -Q^ti£laLL£.S.tattiLng^ DAS QUALITÄTSBRIEFPAPIER 15

E L F R I E D E PRILLINGER Es ist so wie immer: das Gesagte fällt in den tiefen Velour. Im Filz der Konvention verliert sich sogar das Weinen von Sirenen. Freilich: man spricht hin und wider — aber der Staub der Gewohnheit beschlägt die Stimme. Es ist nur mehr Platz für einen Sarg (der braucht keine Luft). Aber die neuen Worte scheuen nicht einmal die Nacht; plötzliche Explosion, wenn sie hart in den Phrasenballon des Stehengebliebenen springen: Schwertfische der Wahrheit — Eine Tür ist weit aufgegangen — selbst wenn man den Blick wieder schließt, weint sich der Regen von draußen unaufhaltsam an unsern Gesichtern satt. Herbstliches Gefühl Allen, die uns verstehn Wir kennen die Not von Anfang an. Wir kennen das gelbe Gesicht, das blicklos und tot uns betrachten kann, bis jede Gebärde zerbricht. Wir kennen den Hunger — nicht nur nach Brot —, den Hunger, der alles versagt, der selbst das Herbstgold der Bäume bedroht, weil er es weinend benagt. Wir kennen die Nacht, die aus Schluchzen ächzt und rotgerändertem Lid; die Nacht, die nach einem Morgen lechzt und doch kein Erbarmen sieht. Wir kennen alles, was bittres Gewicht und bitteren Nachsatz hat; die Not ist ein grelles, schmerzendes Licht und eine dürre Saat. Aber wenn einmal der Same reift aus Sehnsucht und karger Not, wenn alle Bitternis springt und verläuft und in sich selber verloht — dann kommt unser Morgen! Dann stirbt uns die Nacht und aller Jammer verrinnt. Dann ist uns endlich die Straße erwacht, die dem Geheimnis beginnt. Hast Dröhnende Straße dröhnend von Farbe und Bild keine Sekunde, um ein kleines Lächeln vom Asphalt zu heben (man könnte es aufnehmen und streicheln schüchterner kleiner Vogel) keine Sekunde zerfahrener Staub deckt sie zu oder Blick ohne Gesicht. Sie sagen, daß sich wieder alle Zeit erfüllt; der Tag verschließt sich und die Nacht wird breit. Das Licht hat dunkle Ränder um verweinte Augen; in wirren Fetzen hängt der Traum am Firmament. Hast du den Schwärm gesehn der großen Vögel — sie fliehen uns, denn unser Herz wird kalt. Dort aber — hinterm Berg — ballt sich die Glut in eine große Kugel — vielleicht bewahrt sie uns ein neues Reis am Stamm. Das ist uns Heimat: ein Haus, eine lindene Straße, ein Garten voll Traum oder vielleicht eine Stadt. Vielleicht ein Geheimnis, um das jetzt keiner mehr weiß: ein milchiger Stein an dem Weg oder ein gesungenes Lied. Oder ein Baum. Als du ein Kind warst, nanntest du ihn deinen Freund. Doch dann gingst du fort. Aber die Bilder in Kindergesichtern wachsen ein Leben lang mit. Irgendwann springt die Schale. Dann finden wir wieder nach Haus. 16

HANNS GOTTSCHALK DER HEIMGANG Diese Erzählung Hanns Gottschalks von Frau Agnete Agatha dem Mädchen Daniele und Crispin hat ihre Wurzeln in der Erzählung „Der Baum vor dem Leben"^ die im Sommerheft 1959 verÖfFentlicht wurde. Damals erfuhren wir bereits von dem Soldaten, der für den Freund heimgekehrt ist, „daß des langen und endlosen Wartens ein Ende sei." Und wir erfuhren auch, daß die Mutter stillschweigend diese Heimkehr anerkannte, obwohl sie wußte, daß es keine leibliche war. Sie fügte sich aber der Strahlung der Herzen. Er streifte den Drillich nicht ab an diesem Abend; es schien, als gehöre das Leinen, das steife, starkfädige, zu ihm wie die Haut, die die Kanten im Gesicht überzog. Würde das Schicksal, das gleichsam mit in dem Drillich steckte, sich lösen, heraustreten aus dem Geheimnis, in das die seltsame Heimkehr es gestellt? Und würde Daniele dann das Schicksal hinnehmen wie sie, Frau Agath, den Grabhügel im Garten eingeebnet zum Zeichen, daß in dieser Heimkehr Fügung und Erfüllung seien? Die Fragen sollten in der nämlichen Stunde noch eine erste, wenngleich nicht runde Antwort erfahren. Denn schon hielten Schritte auf das Haus zu, und der Mann, der die Schritte bedächtig setzte, klopfte nicht erst an; er war da auf einmal und ließ die Linke nicht auf der Klinke ruhen wie einer, der nur im Vorbeigehen einen Gruß in die Stille der Stube sagen will. Der solcherart eintrat war der Bürgermeister des Ortes, Scholtes, wie sie ihn nannten. Und weil er in der Gemeinde auch die Beurkundungen, die einem Standesbeamten ob liegen, seit nahezu vierzig Jahren vornahm, wußte er um den Wuchs der Familien gleichermaßen wie um die Zweige, die mit rauher Hand geknickt oder gebrochen vom Schicksal. Ihr, der Witwe Agnete Agath, hatte er im Kriege die Kunde gebracht, daß ihr Sohn Crispin als vermißt gemeldet worden, und nun, da der Vermißte mit Daniele plötzlich auf dem Wagen durch den Ort gefahren war, als sei er nie weggewesen, hatte der Alte die Stunde des Abends abge wartet und sich insgeheim vorbereitet, um mehr in die Stunde mitzubringen als vielleicht nur den Kopf mit der weißen Wolke der Jahre. Es geschah indes, daß sowohl er, der Alte, als auch der Mann in dem Drillich sich mit den Blicken maßen und daß beide den Weg zueinander nicht fanden, den einfachsten, kürzesten, wie es ein Strahl aus dem Auge ist und das Gleiten der Hände in dieser Richtung. Und ehe Frau Agath das Wortfand,die Brücke zu bauen in die Begegnung, sagte der Alte; „Weiß Gott, ich kenne mich aus in den Gesichtern, wie ich zu unterscheiden weiß, wer dieses Stück Acker bestellt und wer jenes. Bei dir aber, Crispin, 's ist merkwürdig, hätte ich mich recht umtun müssen, so du zu mir gekommen wärst die neun Häuser weiter. Da bin ich, Scholtes, hättest du wohl gesagt, und ich wäre vor dir gestanden wiejetzt — mit offenen Augen und doch wie mit zugemachten. Da hätte es gewiß nichts genutzt nachher, wann ich nach deinem Brotbeutel gegriffen, um alles hineinzustecken, auch mein altes Herz vielleicht." Die Worte, obzwar in der Milde zwischen Mensch und Mensch gesagt, blieben stehen zwischen den beiden, wie wenn der Alte einen Zaun aufgerichtet hätte, mit so vielen Staketen daran, als er Silben aneinanderfügte. Daniele, den Alten nicht begreifend, umfaßte mit den Fingern die Tischkante, als gelte es, den Körper zu strecken, ihn anzu heben über den unsichtbaren Zaun. Und da war auch ihr Wort schon. „Wie Ihr sprecht, Scholtes! Alle haben ihn erkannt, und Ihr nur meint —" Der Alte kehrte ihr das Gesicht zu, und das Gesicht sah aus, als hätte er das Fremde aus dem anderen mitgenommen. „Es bleibt dabei, Daniele! Ich hätte vor ihm gestanden wie vor einem Fremden." „Aber es ist doch alles an ihm, wie es früher gewesen", bedeutete Daniele. „Oder hätte ich ihn erkannt über zwölf Felder hinweg?" „Das bestreite ich nicht", erklärte der Alte, ohne seiner Stimme auch jetzt eine sonderliche Betonung mitzugeben. „Ich habe nur gemeint, ich wäre vor ihm gestanden, als hätte mir was die Augen gehalten. Das ist alles." Da sagte Frau Agath, die Hände um den Brotbeutel le gend: „Es wird der Drillich sein, Scholtes, deshalb hättest du ihn nicht erkannt. Nun aber setz dich zu uns, daß gesegnet die Stunde ist und daß er ihn für immer auszieht, den Drillich". Er zog den Drillich auch in der Nacht nicht aus. Er irrte zwischen den Gegenständen in der Bodenkammer, als sei alles noch jetzt um ihn, die Leere in der Verlorenheit der Jahre, die Gefahren, die Gefangenschaft, das Schicksal, gesteckt in den Drillich, und er hörte, daß auch in der Kammer nebenan bei Daniele nicht die Ruhe war. Eine Wand nur trennte zwei Menschen, ein schmaler Gang, eine Tür; für sie, Daniele, war er heimgekehrt, nicht nur durch tausend Wände und Verhaue, wie Menschen sie dem Menschen bereiten, sondern auch aus tausend Nächten in einen Tag. Und dieser Tag war heute, und die Nacht rundete das Heute ab. Er indessen bedachte alles noch einmal: Wie Daniele in der Weile des Willkomms am Nachmittag den Namen Crispin gerufen, als flöge das Wort voraus dem Schlag ihres Herzens und schlösse alles ein, wie die Umarmung nachher. Er hatte gefühlt in dem Augenblick, daß er sie nicht von sich stoßen dürfe, weil es ihr geschehen wäre wie einer Garbe, die ein Sturm umstürzt auf die Stoppeln. Und er hatte weiter gespürt, daß ihm, indem er schwieg und also gab, die Gnade geworden war, aus dem Glück haften, Seligen ein Teil zu empfangen. Nun aber, da auch Frau Agath schwieg und gab, ja die barmherzige Lüge für gesegnet hielt, mußte er sich entscheiden. Denn was würde geschehen, wenn er bliebe und Daniele eines Tages erführe, daß er nicht Crispin Agath sei? Er blieb stehen, horchte, nicht ob bei Daniele nebenan die Ruhe schon eingekehrt sei. Ihm war vielmehr, als laufe plötzlich ein Schützengraben mitten durch die Stube und aus dem Schützengraben greife eine Hand nach ihm: die seines Kameraden Crispin Agath, der vor allem dann, wenn er hingeduckt vor den Trommelfeuern stand, von Daniele sprach und dem Baum vor dem Leben. Und nun sollte er, der Kamerad, mit dem Crispin Agath den letzten Patrouillengang angetreten hatte, mit einer Lüge durch das Haus gehen? Den Drillich ausziehen und die Kleider des Gefallenen anziehen? 17

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