Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 1/2, 1960

oberosferreich • landschaff kulfur wirischaf} fremdenverkehr 10.Jahr hefl 1/2 sommer1960 INHALT Landeshauptmann Dr. H. Gleißner Sepp Wallner Dr. Franz Pfeffer Elfriede Prillinger Anne Peherstorfer=Dürnberger Dr. Otto Watzel Dr. Otto Watzel Sepp Stahrl Karl Pilz Dr. Roman Moser * ih* t * * Otto Stöber ]. Hartmann Geleitwort Bergsteigerland Oberösterreich Zur Geschichte des Alpinismus in Oberösterreich Impression Oberösterreich — Gedanken über unser Heimatland, seine Sendung und seine Schönheit Gedichte Eine Almwanderung vom Kalmberg zum Gamsfeld Miihlviertler Skizzenbuch von Franz Zülow Kletterfahrten in Oberösterreichs Bergwelt Das Salzkammergut — klassisches Ferienland Naturkundliche Wanderziele in der oberösterreichischen Berglandschaft Seilbahnen, SesseU und Skilifte in Oberösterreich Der österreichische Alpenverein und seine Schutz= hütten in Oberösterreich Das Moorbad Neydharting Ausbauvorhaben Ennskraftwerk St. Pantaleon Das Steyrer Stadtbad Schriftleitung: Dr. OttoWutzel • Typographische Gestaltung: Herbert Erich Baumert Photographische Mitarbeiter: Max Eiersebner, Wilh. Fettinger, Sepp Stahrl, Dr. Erich Widder Umschlagbild: „Der Dachstein vom Blahsen bey Hallstatt", Lithographie v. J. Alt in der Orts= ansichtensammlung des oö. Landesmuseums, Schrift: Hedi Plaimauer. Einzelverkaufspreis: S 20.—. Im Abonnement: S 12.— exkl. Porto. — Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreictiischer Landesverlag; verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Otto Wutzel. - Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, sämtliche in Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. Die Zeitschrift „oherösterreich" tritt heuer in ihr zehntes Erscheinungsjahr nach dem zweiten Weltkrieg. Diese Tatsache darf von der Redaktion kurz vermerkt werden. Geboren in einer Zeit, die noch von Kriegserinnerung und Nachkriegsproblemen durchzittert war, hat sie sich seitdem redlich bemüht, ein getreues Spiegelbild des Landes zu werden. In diesem Sinne wurde auch die Jubiläumsnummer unter das geschlossene Thema „Bergsteigerland Ober= Österreich gestellt. Es soll dies ein Gruß sein an die Mitglieder des österreichischen Alpen= Vereins, die sich zu ihrer Jahreshauptversammlung heuer vom 24. bis 26. Juni in Freistadt treffen, also Gäste unseres schönen Heimatlandes sind. Zehn Jahre Bestehen einer Kulturzeitschrift sind aber auch Anlaß, um allen Freunden und Förderern herzlichen Dank zu sagen für ihre Treue und immer hilfsbereite Mitarbeit. Dank sei aber auch gesagt dem Verlag, der Druckerei und den vielen literarischen, künstlerischen und photographischen Mitarbeitern, die mit ihrer Arbeit der Zeitschrift ein hohes Niveau gegeben haben. Die Schriftleitung

7\^urt ZUM GELEIT Die Zeitschrift „Oberösterreich" hat bereits vor dem Jahre 1938 bestanden. Nach schweren Kriegs= und Nachkriegsjahren erlebte sie zur Freude ihrer alten Freunde 1950 ihre Neubegründung. Seitdem dient sie in kultivierter Form der Heimat. Sie ist zu einem echten Spiegelbild Oberösterreichs geworden, um das uns andere Bundes^ länder heute beneiden. In Verbindung von Überlieferung und neuer Aussage wird in stets liebevoller Variation das Bild unseres Landes in seinen kulturellen, landschaft= liehen und wirtschaftlichen Motiven dargestellt. In dezenter Vdeise macht sich die Zeit schrift auch zum Sprecher für den Fremdenverkehr. Sie verbreitet unermüdlich ein Loblied auf Oberösterreich. Für diese Haltung und diesen Dienst sind ihr sicherlich alle Heimatfreunde dankbar und werden gerne mit mir zum zehnten Nachkriegsjubiläum einen freundlichen Glück= Wunsch aussprechen. Zehn Jahre sind an sich kein besonders großer Zeitraum, wiegen aber in unserer raschlebigen Zeit schwerer, als dies noch in unserer Jugend der Fall gewesen sein mag. Ein Dezenium des Dienstes an der Heimat darf man jedoch auf jeden Fall — ob man den historischen oder den gegenwärtigen Zeitbegriff anerkennt — als eine beachtliche Leistung werten. Symbolisch für den Charakter der Zeitschrift erscheint es mir, daß sie auch in ihrem Jubiläumsjahr weniger an sich selbst, als an das Land und das Publikum denkt, dem sie sich verpflichtet fühlt. Ich begrüße es aufrichtig, daß die Festnummer auf die 79. Jahrestagung des österreichischen Alpenvereines ausgerichtet ist und mit beson= derer Betonung der oberösterreichischen Berglandschaft wieder eine eindrucksvolle Gesamtschau des Landes bietet. Galt vorher mein Glückwunsch der Zeitschrift selbst, so gelten nun meine Grußworte den Gästen, die in unsere Heimat komm.en und denen die Zeitschrift „Oberösterreich" ein verständnisvoller Begleiter sein möge. Landeshauptmann von Oberösterreich

SEPP WALLNER Bergsteigerland Oberösterreich Was kann ich für die Heimat tun, Bevor ich geh im Grabe ruhn? Was geb ich, das dem Tod entflieht? Vielleicht ein Wort, vielleicht ein Lied, Ein kleines, stilles Leuchten! Conrad Ferdinand Meyer Als ich ganz jung war, glaubte ich, alle Berge der Alpen kennenlernen, besteigen und über die Erlebnisse hierbei berichten zu müssen. Das erste Beginnen habe ich im Laufe der Jahre und bei den engen wirtschaftlichen Möglich keiten bald aufgegeben, das letztere überhaupt nie ernstlich angefangen. Ich habe nur einen Ehrgeiz bewahrt, beijeder Gelegenheit für meine schöne Bergheimat Oberösterreich und für ihre herrlichen Berge zu werben und ihnen immer neue, begeisterte Freunde zuzuführen. Aus Liebe zur Heimat und aus aufrichtiger Dankbarkeit für das eigene Erleiden und weil diese Landschaften das Werben und Rühmen wirklich verdienen! Wenn von österreichischen Bergsteiger gebieten die Rede ist, so denkt man an Tirol, an Salzburg, höchstens noch an die grüne Steiermark und das sonnige Kärnten, kaum aber einmal an die reichen bergsteigerischen Möglichkeiten und Ziele meiner Heimat Oberösterreich. Ich benütze daher gerne die Gelegenheit, anläßlich der heurigen Hauptversammlung des Österreichischen Alpen vereins in Freistadt den Mitgliedern des Alpenvereins und allen Freunden der Berge das „Bergsteigerland Oberöster reich" vorzustellen und wenigstens einige Einzelheiten an zuführen. Bevor wir den alpinen Wegen nachgehen, wollen wir das Land als Ganzes überschauen. Es gibt kaum ein zweites Gebiet, das in seinen Landschaften eine derartige Viel fältigkeit aufweist wie Oberösterreich. Vom alten „Nord wald", dem Böhmerwald, fällt der Granit der böhmischen Festlandscholle ab zum Donaustrom, den er im Sauwald und im Kürnbergerwald sogar übersetzt. Diese beiden Erhebungen leiten über einerseits zum fruchtbaren Inn viertel und über den Kobernaußer- und Hausruckwald zur Seenlandschaft des Salzkammergutes, anderseits zur nicht minder fruchtbaren Welser Heide und den gesegneten Gefilden des Traunviertels. Hinter dem blauduftigen Saum der Voralpen entfaltet sich die weiße Kalkpracht des Toten Gebirges, und dahinter im Süden bilden die Firnund Gletscherfelder des Dachsteins den strahlenden Ab schluß. Die Ideallandschaft des Mühlviertels, die bis heute noch nicht richtig entdeckt ist, bleibt dem besinnlichen Wanderer vorbehalten. Wir wenden uns über die stimmungsvollen Donaulandschaften und die fruchtschweren Getreideböden und freundlichen Gefilde des Tieflandes den Alpen zu. Die waldreichen, von vielen einsamen Bergseen und schönen Almen gezierten oberösterreichischen Voralpen stel len ein ebenso unerschöpfliches Wander- wie Skigebiet dar. Viele Hüttenbauten und Wegmarkierungen erleichtern dem Wanderer und Skiläufer die Fahrten. Wenn wir dieses Berggebiet von West nach Ost überschauen, so treffen wir an der Landesgrenze gegen Salzburg auf den Schafberg

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(1780 m), einen markanten Aussichtsberg, auf den von St. Wolfgang aus eine Zahnradbahn führt. Gegen Ischl schließt sich die Gruppe des Leonsberges (Zimitz) an und etwas gegen Norden das seilbahnerschlossene (Ebensee — Feuerkogel) Hcllengebirge, das als Skigebiet besonders bekannt ist. Am ostseitigen Ufer des Traunsees steht der Traunstein (1691 m), als Wander- und Kletterberg gleicher maßen bedeutend, mit seinen umliegenden waldgrünen Kegeln und Höhen in der Salzkammergutlandschaft. Im Almtal drüben ragt der wuchtige Kasberg (1713 m)empor, dem herrliche Skifahrten und eine reichhaltige Flora nach gerühmt werden. Hoch über dem Kremstal stellt die stolze Kremsmauer (1599 m) auf und grüßt schon hinüber zum Eckpfeiler des Sengsengebirges, dem Sperring (1602 m). Das Sengsengebirge mit seiner höchsten Erhebung, der Hohen Nock (1961 m), ist vielleicht der ursprünglichste Teil der ganzen Voralpen. Nun ziehen die Höhen hin zum Almkogel und hinaus zum Schieferstein und Schoberstein vor den Toren der alten Eisenstadt Steyr. Das Tote Gebirge nimmt den größten Raum des ober österreichischen Alpenanteiles ein. Es ist das ausgedehnteste Plateaugebirge der Kalkalpen und seine Hochgebirgs landschaften sind von einmaliger ernster Gewalt. Die Öde findet jedoch durch die vorgelagerten grünen Almen und die eingestreuten Hochseen liebliche Umrahmung und freundliche Auflockerung. Sind die weiten Hochflächen, die Buckel und Mugel das Ziel für den einsamkeitsliebenden Wanderer und hochalpinen Skiläufer, so bieten die steilen Randberge dem Kletterer herrliche Führen aller sechs Grade. Die östliche Warscheneckgruppe mit dem Warscheneck (2386 m) hat besonders als Wander- und Skigebiet Geltung, aber auch einige schöne Kletterfahrten gibt es dort. Die Talorte sind Spital am Fyhrn, Windischgarsten, Vorderstoder und schließlich Hinterstoder mit der neuen Hutterer-Höß-Seilbahn. Die Prielgruppe, mit der höchsten Erhebung des Toten Gebirges, dem Großen Priel (2514 m), ist eines der schönsten Klettergebiete der nördlichen Kalk alpen. Da ist die berühmte, kühne Spitzmauer (2446 m) mit über einem Dutzend Kletterführen aller Grade, der Große Priel, der Schermberg mit seiner berühmten Nord wand,Temelberg, Feuertalberg, der Große Hochkasten und andere sowie die Gipfel um den Almsee. Prielschutzhaus und Weiserhütte sind die Stützpunkte, die von Hinterstoder und Grünau aus erreicht werden. Westlich der Pühringerhütte am Elmsee erstreckt sich ein wunderbares Ski- und Wanderbergland hin zum Loser und Schönberg (2093 m), das — wenigstens die Gegend um die Ischlerhütte — selbst unter den heimischen Skitouristen wenig bekannt ist. König im Reich der Berge Oberösterreichs ist aber der Dachstein. Eingehüllt in den schimmernden Mantel seiner Gletscher, grüßt er und ist Ziel und Sehnsucht vieler Bergsteiger. Ist eine normale Dachsteinbesteigung, die jeder halbwegs geübte Bergsteiger ausführen kann, schon ein eindrucksvolles Erlebnis, so sind dem hochalpinen Skiläufer und vor allen dem Kletterer unerschöpfliche Wege,Ziele und Erlebnisse in den Dachsteinbergen geboten. Die Gletscher und die weite Fläche „Am Stein" (durch die Dachstein-Seilbahn Obertraun—Krippenstein leicht er reichbar) gehören dem Skiläufer, die Gipfel aber im Sommer wie im Winter dem Bergsteiger. Koppenkarstein, Dirndl, Niederes und Hohes Kreuz, Niederer und Hoher Dachstein (2995 m), Mitterspitz (2926 m) und Torstein (2948 m), um nur die wichtigsten Gipfel zu nennen, bieten eine Unzahl Kletterrouten, die auf oberösterreichischer Seite fast durch wegs über Schwierigkeitsgrad HI nicht hinausgehen. Als Standquartiere dienen die Simonyhütte am Hallstätter Gletscher und die Adamekhütte am Großen Gosaugletscher, die von Hallstatt bzw. Gösau aus zu erreichen sind. Eine Wunderwelt der Kalkfelsen und des Kletterglücks ist der westlich ansetzende Gosaukamm. Vom markierten Weg auf den Donnerkogel und dem verhältnismäßig leichten Normalanstieg aufdie stolze Große Bischofsmütze (2455 m) bis zur Däumling-Ostkante (einem der markantesten Wege VI. Grades) gibt es so viele bergsteigerische Möglich keiten, daß man die meisten Bergsommer eines Lebens verwenden müßte, um sie alle kennenzulernen. Hofpürglhütte und Theodor-Körner-Hütte, die bereits auf Salz burger Boden liegen,sowie Gablonzerhütte und Scharwand hütte gewähren hier freundliche Bergsteigerherberge. Vielleicht ist es mir gelungen, in diesen einfachen Zeilen doch ein wenig Firnenlicht unserer oberösterreichischen Bergheimat einzufangen. Und wenn man mir vielleicht sagt, daß ich bei meinem Beginnen das Herz zu sehr in der Hand hatte, so möchte ich mit den Worten Franz Stelzhamers in unserer oberösterreichischen Landeshymne — die für niemanden besser als für den Bergsteiger passen — schließen: Am schenern macht's Bächerl, Laft allweil tala. Aber 's Herz, von wo's auärinnt, 's Herz, das läßt's da. Und ih und die Bachquelln Sän Veder und Moahm: Treibt's mih wodäwöll umä. Mein Herz is dähoam.

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FRANZ PFEFFER Zur Geschichte des Alpinismus in Oberösterreich Oberösterreichs Hochgebirgslandschaft ist den Menschen seit Urzeiten vertraut. Das Salz, das „weiße Gold", das seit Jahrtausenden im oberen Trauntal gewonnen wird, ließ tief im Alpeninneren nicht nur hohe Kultur erblühen, es trieb den Bergmann, den Salzfrächter auch weit hinauf in die Hochregion des Gebirges. Urzeitliche Funde aus dem Hallstätter Salzberg und von den Salzsteigen, die über das Dachsteinplateau nach Steiermark, über das Tote Gebirge nach Oberösterreich führten, künden von diesem frühesten „Bergverkehr". Viel später, als die Salzlandschaft an der oberen Traun längst zum landesfm-stlichen „Kammergut", die Salz erzeugung zu einer wichtigen Einnahmsquelle der Landes fürsten geworden war, rücken die Gebirge Oberösterreichs durch den großen Weidmann und Bergsteiger Maximilian L, der hier auf Gemsen, Steinböcke und Bären pirschte, ins Blickfeld der großen Welt. Es ist die Zeit, da Wolf Huber in skizzenhaften und doch so bezwingenden Zeichnungen den Traunstein und Schafberg festhält. Wie wenig man allerdings vom oberösterreichischen Hoch gebirge damals noch wußte, erweist die erste Landkarte Oberösterreichs von Augustin Hirschvogel (1542), in der der „Draunstein" als der höchste Berg bezeichnet ist; auch in der Karte von Wolfgang Lazius (1545) erscheinen als benannte Punkte der oberösterreichischen Gebirgslandschaft nur der Traunstein, der Pötschen- und der Pyhrnpaß. 1617 erteilen die oberösterreichischen Landstände dem Isaak Holzwurm den Auftrag,für eine neue Landkarte von Oberösterreich auch die „fürnembsten Gepürg abzusehen". Aber erst die Oberösterreich-Karte von Georg Matthäus Vischer (1669) bringt eine getreuere Darstellung der oberösterreichischen Alpen; doch auch Vischer hielt nicht den Dachstein, sondern den Großen Priel für den höchsten Berg Oberösterreichs. Ein genaueres kartographisches Bild der oberösterreichischen Alpen vermittelte erst die josephinische Militäraufnahme, die in Oberösterreich 1769 —1772 durchgeführt wurde. In der auf ihr beruhenden „Mappa von dem Land ob der Enns" von Carl Schütz (1787) erscheint erstmals der Dachsteinstock als die höchste Gebirgsgruppe Oberöster reichs, wobei allerdings der „Door Stein" (Torstein) als Hauptgipfel ausgewiesen ist; auf ihm und nicht auf dem Hohen Dachstein wurde daher auch die Dreiländergrenze zwischen Oberösterreich,Salzburg und Steiermark festgelegt. Aus der gleichen Zeit stammen die Waldkarte des Salz kammergutes (1794— 1804) und die ersten bildlichen Darstellungen der Dachsteingruppe. In dieser Zeit des ausgehenden 18.Jahrhunderts nimmt sich auch die naturkundliche Forschung des bisher vernach lässigten Ostalpenraumes und damit auch der oberöster reichischen Alpenlandschaft an. Mit dieser Anteilnahme der Forschung paart sich ein neues Naturgefühl, die Freude an den „phantastischen", „pittoresken", „wild-schönen" Naturbildern der Alpen, die ihre Wurzel in der tiefgreifenden Geistesbewegung der Romantik hatte. Setzen wir den Wirkungsbereich der romantischen Bewegung in die Jahr zehnte etwa von 1790 bis gegen 1840, so haben wir damit ziemlich genau auch jenen Zeitraum abgegrenzt, in dem neben den Einheimischen, den Jägern, Sennern, Holz knechten und Bergleuten, die seitjeher zweckbestimmt den Bergen verbunden sind, auch der „Fremde", der Städter, der „Bergsteiger aus Lust", Oberösterreichs Berge zu erobern beginnt. Geographen, Geologen, Botaniker sind die Pioniere dieser ersten Epoche des Alpinismus in Ober österreich; ihnen folgen Alpenreisende und „Touristen" aus den höheren Gesellschaftsschichten, denen zunächst der damals noch ziemlich kostspielige Luxus einer Fahrt ins Gebirge vorbehalten blieb. Der Mediziner und Botaniker Joseph August Schuhes (1773— 1831) bereist 1794— 1808 sechsmal das Salzkammergut; sein 1809 bei Cotta er schienenes Reisewerk „Reisen durch Oberösterreich" wird zum eigentlichen Herold der neuentdeckten „österreichi schen Schweiz". Von Hallstatt, wo damals, wie auch in Gösau, bereits Bergführer bereitstanden, unternahm Schuhes am 8. September 1804, mit „Steigeisen, Griespeil, Stricken, Barometer und Thermometer ausgerüstet", eine Dachstein besteigung, die ihn über die Ochsenwiesalm allerdings nur bis zum Gletscher führte. Die begeisterte Schilderung, die Schuhes im VH.Briefdes ersten Bandes seiner „Reisen" von seiner „Excursion auf den Glätscher am Dachstein" gab und die in den werbenden Rufausklang;„Ich umarme... alle, die nach mir den Dachstein besteigen, im Geiste!", steht an der Spitze der Dachstein-Literatur. 1797 schreibt der berühmte Naturforscher Alexander von Humboldt (1769—1859) über das oberösterreichische Salzkammergut: „Ich gestehe, daß ich in der Schweiz keine solchen Natur szenen kenne als diese oberösterreichischen." Leopold von Buch betreibt geologische Studien und nimmt Höhen messungen im Salzkammergut vor (1802). Der steirische Naturforscher und Topograph Karl Schmutz(1787— 1873), ein Mitarbeiter Erzherzog Johanns und später in der ober österreichischen Landwirtschaftsgesellschaft tätig, brachte 1811/12, als er als Hauptmann mit seiner Kompagnie zur Arbeitsaushilfe ins Salzkammergut kommandiert war, „durch rastloses Besteigen aller Gipfel" eine Sammlung der heimischen Flora zusammen und ließ „der Botanik wegen keinen Berg unbesucht". 1811 weilte er drei Tage aufden „Eisfeldern und Felsenspitzen", die den „Thorstein" umgeben, 1812 überquerte er „sitzend auf der Kante, die Steigeisen auf die Hände gebunden", einen „Eissattel auf dem hohen Kreuze". * Im Mittelpunkt dieser Frühperiode des Alpinismus in Oberösterreich stehen die Bemühungen, den königlichsten Gipfel des Salzkammergutes, den Hohen Dachstein, zu bezwingen. Nach dem mißglückten Besteigungsversuch von Schuhes (1804) besucht Erzherzog Johann das Dachstein gebiet und überquert am 27. August 1810 den Gebirgsstock von der Gjaidalm über das Modereck und die Feister scharte nach Schladming; nach einer Eintragung in seinem Tagebuch hatte bis dahin nur ein damals schon verstorbener Jäger den „Thorstein" bestiegen. Wenige Tage später, am 3. September 1810, steigt der Sekretär und Mitarbeiter Erzherzog Karls, Franz Joachim Kleyle (1775 —1854), mit einer großen Gesellschaft von Reisenden, Trägern und Führern über die Schafeck- und Gjaidalm zum Hallstätter

„Der Dachstein vom Colowratsthurm gesehen" (Siriuskogel). Farhlithographie aus dem 19. Jahrhundert, Ortsansichtensammlung des oö. Landesmuseums Gletscher empor. Eine Besteigung des „Thorsteins" hielt Kleyle für unmöglich: „Alle Versuche, die höchste Spitze dieses merkwürdigen Gebirges von der nordöstlichen, öst lichen und südlichen Seite zu besteigen, sind mißglückt und werden wahrscheinlich immer mißglücken, weil . . . die Eisklüfte das Aufsteigen zu gefährlich machen"; selbst eine Besteigung von der Gosauer Seite sei, wenn nicht ganz unmöglich,so doch ohne besondere Vorbereitungen überaus schwierig. Am 27. August 1812 unternahm Erzherzog Karl von der Gjaidalpe her den Versuch einer Dachstein besteigung, gab aber nach einem kurzen Marsch über den Gletscher auf; dieser erhielt bei der franziszeischen Reichsaufnahme den Namen „Garisfeld" (Karls-Eisfeld). In den Friedensjahren nach dem Wiener Kongreß begann der ernstliche „Kampf um den Dachstein". Im Auftrag Erzherzog Johanns stiegen der Waldmeister Grill aus Aussee und der Jäger Jakob Buchsteiner, die Begleiter des Erzherzogs aufseinen Bergfahrten in den Niederen Tauern, mit anderen Bergsteigern von der Grubalm über die Hoßwandalm zum Gosaugletscher auf, „bis hart unter der perpendiculären Wand des Dachsteins eine Kluft zwischen derselben und dem Schneefelde, auf welchem sie standen", ihrem Vordringen ein Ende setzte. 1819 gelangte Buch steiner im Auftrag des Erzherzogs als Einzelgänger auf denTorstein,den vermeintlich höchsten GipfelderDachstein gruppe. Noch einmal bestieg Buchsteiner mit dem Ramsauer Georg Kalkschmied am 5. August 1823 den Torstein, um hier die für die Vermessungsarbeiten der Reichsaufnahme notwendige Signalstange aufzurichten. Die Höhe des Torsteins wurde nunmehr mit 2943,7 Meter gemessen; da man bereits 1822 bei der steirischen Landesvermessung die Höhe des — noch unbestiegenen — Dachsteins mit 2999,6 Meter festgestellt hatte, konnte dieser endlich den Anspruch erheben, der höchste Berg Oberösterreichs zu sein. Drei weitere Besteigungen des Torsteins erfolgten bis 1832 durch den Filzmooser Bergführer Peter Gappmayr. Seit der Hohe Dachstein als der eigentliche Hauptgipfel erkannt war, blieb auch diese höchste Spitze Oberöster reichs nicht mehr langejungfräulicher Boden. Die Anregung zur ersten beglaubigten Dachsteinbesteigung ging vom Salzburger Professor Peter Carl Thurwieser (1789—1865) aus. Schon 1832 gelangte Peter Gappmayr aus Filzmoos im Alleingang von der Gosauer Seite auf den Gipfel. Am 18.Juli 1834 erstieg Thurwieser selbst mit den Brüdern Gappmayr die Dachsteinspitze. Am 17.Juli ging er um 5.15 Uhr abends von Filzmoos auf die Sulzenalm, am 18.Juli brach man um 2.45 Uhr früh auf, um 9 Uhr wurden die Bergsteiger von Filzmoos aus auf der Dachsteinspitze beobachtet, wie sie ein Holzkreuz errichteten; um 10 Uhr nachts kehrten sie nach Filzmoos zurück. 1840 folgt Wallechner aus Schladming. Von der Hallstätter Seite her erreichten erst 1838 der Zimmerknecht Johann Ramsauer aus Kaltenbach bei Ischl und der Pfannknecht Franz Linortner aus Ahorn die Spitze. Ihnen folgten J. M.Rams auer (1840), die Förster Matthias Grill und Georg Hinterer und am 8. September 1842 Friedrich Simony (1813— 1896) und der Hallstätter Führer Johann Wallner (1802 —1879). Simony übernachtete am 16. September 1843 allein auf dem Gipfel und unternahm im Jahre 1847 auch drei Winter besteigungen des Dachsteins (9.—15.Jänner, 26.Jänner — 7. Februar, 4.-6. Februar). Dieser bedeutendste Erforscher des Dachsteins, der seine Forschungsergebnisse in seiner zweibändigen Dachsteinmonographie (1889 — 1895) nieder legte, sorgte auch für die sofortige touristische Erschließung des Dachsteingebietes. 1842/43 richtete er eine Höhle im Wildkar, die durch eine Steinmauer mit Tür abgeschlossen wurde, als erste Bergsteiger-Unterkunft ein; 1923 wurde dieses „Hotel Simony" im ursprünglichen Zustand als Denkmal der Erinnerung an den großen Dachsteinpionier wieder hergestellt. Auf Betreiben Simonys wurde mit Spenden der Erzherzoge Johann, Ludwig und Franz Karl, des Fürsten Metternich und anderer Aristokraten der

;•* XS" / ^vvVL^'\«3 " ^- Links: „Hotel Simony" unter der Simonyhütte Rechts: Photographische Aufnahme von Friedrich Simony € Die Gedenktafel am „Hotel Simony", die den heutigen Bergsteiger an die Frühgeschichte des Alpinismus in Oherösterreich erinnert Rechts: Die heutige Simonyhütte. Die Photos stellte freundlicherweise Regierungsrat Dr. F. Morton zur Verfügung Z, \'-T* 1 Dachsteingipfel durch Sprengungen, Eisentritte und ein 80 Klafter langes Seil gangbar gemacht. Die Namen der Persönlichkeiten, die 1842— 1877 den Dachstein bestiegen, sind in zwei Gedenkbüchern festge halten, die Simony anlegte und seinem getreuen Begleiter Wallner widmete, dessen Nachkommen in Hallstatt dieses kostbare Dokument der oberösterreichischen AlpinistikGeschichte bis heute getreu bewahren. Dem ersten Gedenk buch stellte Simony einen handschriftlichen Bericht über seine erste Dachsteinbesteigung und seinen Winteraufenthalt aufdem Dachstein im Dezember 1842 voran; viele bekannte Namen wie Berchthold, Kinsky, Thun, Windischgrätz, Thurn-Taxis, Andrassy, Schaubach, Hauer, Bunsen, Ginzkey (Vater des Dichters) sind als Besucher der Dachsteinspitze verzeichnet. Für den Großen Priel sind Ersteigungen durch Touristen 1817 (Graf Siegmund Engl mit mehreren Jägern) und 1819 (Bergsteigergruppe unter Führung des Erzherzogs Ludwig) bezeugt. In den dreißiger Jahren wurde der Priel schon öfters bestiegen. Der Senior der Prielführer war Eustachius Prieler (f 30. 10. 1901), der gegen vierhundert mal, zuletzt in seinem 79. Lebensjahr, auf dem Gipfel war. Die Flut der Reisebeschreibungen, die dem klassischen Reisehandbuch von Schuhes folgten (Sartori 1811, Kleyle 1814, Steiner 1820), wirkte werbend für die Bergsteigerei in den oberösterreichischen Alpen. Da es noch keine öffentlichen Verkehrsmittel und keine Bergsteiger-Lfnterkünfte gab,führten verwöhntere Reisende im eigenen Wagen

Proviant, selbst Bettzeug mit und benötigten so einen Troß von Trägern; Schuhes riet einem Wiener Touristen, der die Tour von der Klachau über die Tauplitz und Leistalm vorhatte, „sich auszurüsten wie für eine Reise um die Welt". Doch vollzog sich, besonders seit Ischl zum vielbesuchten Heilbad (1823) und darüber hinaus zum sommerlichen Treffpunkt der Gesellschaft, zu einem „Klein-Wien", ge worden war, in raschen Schritten die Erschließung der oberösterreichischen Alpen. Seit 1836 führte die Pferde eisenbahn Linz—Gmunden als erste „Alpenbahn" ins Salzkammergut. 1837 oder 1839 erhielt der Schafberg, die „österreichische Rigi", ein Gipfelhaus; hier wohnte vom 18. September bis 6. November 1847 Simony, der in diesen sieben Wochen, von einer Sennerin betreut, sein Schafberg-Panorama schuf. Als unmittelbarste Zeugnisse dieser ersten „romantischen" Periode der Bergsteigerei in Oberösterreich sprechen die begeisterten Erlebnisberichte der Dichter zu uns, denen in jenen Jahrzehnten Gipfelfreuden auf den Bergen des Salz kammergutes zuteil wurden. „Vorgestern", schreibt Niko laus von Lenau am 3. Juli 1831 aus Gmunden, „habe ich den Traunstein bestiegen. Um sechs Uhr des Morgens fuhr ich von Gmunden zu Wasser ungefähr fünf Viertelstunden nach der Lainauerstiege. Meine Begleiter waren Hansgirgl und seine Schwester Nani, er ein rüstiger Gemsenjäger, sie eine hübsche blauäugige Dirne. Wir stiegen aus und die steilen Stufen hinan. Schon am Fuße des Berges hat mich eine Art Freudenrausch ergriffen, denn ich ging voraus und kletterte die Stufen mit solcher Eilfertigkeit hinauf, daß mir der Jäger oben sagte: ,Das ist recht! So halt! Weil Sie da so gut heraufkommen sind, werden Sie auf den Traun stein wie ein Hund hinauflaufen.' Und es ging trefflich, in drei Stunden waren wir oben. Welche Aussicht! Ungeheure Abgründe in der Nähe, eine Riesenkette von Bergen in der Ferne und endlose Flächen. Das war einer der schönsten Tage meines Lebens; mitjedem Schritte bergan wuchs mir Freude und Mut. Ich war begeistert. Wenn mir mein Führer sagte,jetzt kommt eine gefährliche Stelle, so lachte ich und hinüber ging es mit einer Leichtigkeit, die ich bei kaltem Blut nimmermehr zusammenbrächte und die mir jetzt am Schreibtische unbegreiflich vorkommt. Meine Zuversicht wuchs mit jedem Schritte; ganz oben trat ich hinaus aufden äußersten Rand eines senkrechten Abgrundes, daß die Nani aufschrie, mein Jäger aber frohlockte: ,Das ist Kuraschi! Da ist noch keiner von den Stadtherren außetreten!'.. . Bruder, die Minute, die ich aufjenem Rande stand, war die schönste meines Lebens; eine solche mußt Du auch genießen." Adalbert Stifter schildert in den „Feld blumen" (1834) seine Bergfahrt zum Almsee und über das Tote Gebirge: „Von dem lustigen Örtl sahen wir den See noch einmal, dann rückwärts alle Berge bis Spital ... Es ist eine mächtige tote Wildnis, durch die wir gingen, ein Steinmeer, und am ganzen Himmel kein Wölkchen; kein Hauch regte sich, und der Mittag sank blendend und stumm und strahlenreich in die brennenden Steine. Die Oben: Die Grohgesteinhütte, der alte, heute verfallene Stützpunkt für Bergfahrten im Gebiet des Gosaugletschers rt , Die Prielgruppe bei Hinter^ stoder. Biedermeierliche Ansicht aus der Ortsansichtensammlung des oö. Landesmuseums

„Die Spize des Schafberges." Kolorierte Zeichnung aus der Ortsansichtensammlung des oö. Landesmuseums zwei Fremden, die vom Almsee bis Aussee mit uns gehen wollten, sind Studierende und der eine hat in leichtsinniger Lustigkeit an himmelblauem Bande seine Zither umhängen und geht singend und pfeifend durch das Geklippe." Der Bericht über eine Schafbergbesteigung, den Helmine von Chezy im Jahre 1833 in der Zeitschrift ,,Norica" ver öffentlichte, läßt die Bergbegeisterung jener Zeit ebenso anschaulich werden wie die äußeren Umstände einer Bergfahrt im Zeitalter der Romantik. Mit den Dichtern künden die Schönheit der oberöster reichischen Alpen die Maler, die seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert das Salzkammergut besuchen (RunkZiegler 1790, Schrotberger 1803, Schinkel 1811, Jakob Abt 1817, 1823—1828,Jakob Gauermann 1819, Loos 1821, 1823, Richter 1823, Friedrich Gauermann 1823, 1830, Trentsensky 1825, Ender 1828, Waldmüller 1831—1842, Rudolf Alt 1832, 1837). * Steht diese erste Epoche des Alpinismus in Oberösterreich, die man, an den eigentlichen großen Leistungen der Bergsteigerei gemessen, auch als die „präalpinistische" bezeichnen kann, noch im Zeichen gesellschaftlicher Exklusivität, so beginnt von der Mitte des 19.Jahrhunderts an die Bergsteigerbewegung an Breitenwirkung zu gewinnen. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die nun beginnende, etwa bis zum ersten Weltkrieg reichende zweite Periode des Alpinismus in Oberösterreich bildete die volle Erschließung des oberösterreichischen Alpenraumes durch das Eisenbahnnetz(Wien—Salzburg 1860, St. Valen tin bzw. Amstetten—Selztal—Bischofshofen 1875, Passau — Attnang-Puchheim—Stainach-Irdning 1877, Linz—Klaus 1888, Steyr —Agonitz 1890, Salzburg—Bad Ischl 1891, Wels—Grünau 1891, Linz—Selztal 1906). Eine Reise in die Alpen war nun kein so zeitraubendes und kostspieliges Unternehmen mehr wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Die gewandelten Verhältnisse spiegeln sich in der Gründung der Alpenvereine (England 1857, Österreich 1862, Schweiz 1863, Italien 1863, Deutschland 1869, Frankreich 1874; Steirischer Gebirgsverein 1869, Österreichischer Touristen klub 1869,Österreichischer Alpenklub 1878,Österreichischer Gebirgsverein 1890, Naturfreunde 1895), durch deren Initiative der Bau von Bergsteiger-Unterkünften und alpinen Wegen einsetzte. Die erste Welle des Schutzhüttenbaues in öberösterreich fällt zeitlich mit der Eröffnung der ober österreichischen Alpenbahnen zusammen. In den Jahr zehnten von 1875 bis 1900 entstehen in der klassischen Bergsteigerlandschaft des Dachsteingebietes fünf Unter kunftshäuser, die Zwieselalmhütte (1875), Simonyhütte (1876), Grobgesteinhütte (1879), Austriahütte (1880) und Brünner Hütte (1886). Im Toten Gebirge wurde 1871 das Almtaler Haus eröffnet, 1875 als bescheidene erste Unterkunft für die Prielbesteiger die Brotfallhöhle eingerichtet, 1885 das Karl-Krahl-Haus, 1895 die Dümlerhütte erbaut.In den eineinhalb Jahrzehnten vom Jahrhundertbeginn bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges erfuhr diese Gruppe der ältesten Schutzhäuser noch eine beträchtliche Vermehrung. Das Dachsteingebiet erhielt fünf neue Hütten (Hofpürgelhütte 1902, Adamekhütte 1905 —1907, Tiergartenhütte 1907, Gutenberghaus 1912 —1914, Schönbergalm 1914), das Tote Gebirge ebenfalls fünf neue Unterkünfte (Elmgruben hütte 1900, Steyrerseehütte 1900, Zellerhütte 1901, Roß hütte 1915); in den Voralpen wurde die Hütte auf dem Traunstein-Fahnenkogel (1907), auf der Katrin (1908) und auf dem Kranabethsattel (1910) errichtet. Die Jahrzehnte von 1875 bis 1914 umschließen die kühnen Leistungen der Hochtouristik auf oberösterreichischem Boden; naturgemäß steht das Dachsteingebiet wieder im Vordergrund. 1875 entdeckt der Bergführer Auhäusler auf der Gemspirsch den Dachsteinanstieg von der Ramsau zur Hunerscharte; 1879 wird der heutige Ramsauer Dachstein weg geschaffen. In das Jahr 1879 fallen die im Auftrag Dr. Frischaufs und Dr. Lengenfelds von den Führeim J. Steiner dem Älteren und J. Knauß unternommenen ersten Versuche, einen Durchstieg durch die DachsteinSüdwand zu finden. Nach vielen weiteren Bemühungen (Böhm, Diener, Zsigmondy, Purtscheller, Suchanek, Führer 10

ELFRIEDE PRILLINGER Pinv Gedanken über unser Heimatland, seine Sendung und seine Schönheit WEN VON UNS OBERÖSTERREICHERN ergriffe es nicht stets von neuem, dieses eine zu wissen: daß wir hier, ausgerechnet hier daheim sind und daß wir hergehören in dieses Land, denn wir sind herausgeboren aus dem Antlitz seiner Landschaft und aus der Kraft seines Geistes. Man nennt uns: Ober-Österreich, und ich glaube, das ist nicht nur geographischer Zufall, sondern mehr noch tiefe Bedeutung. Bedeutung darum, weil unser Land in seiner geistigen und menschlichen Struktur ein Abbild, ein ver kleinertes Spiegelbild der größeren Heimat Österreich ist. Auch wir sind — wie das gesamtösterreichische Volk — aus dem starken Einfluß von allen Seiten geboren. Auch uns hat der Lauf der Geschichte viel Blut vermischt und damit viele Wesenszüge und viele verschiedene Eigenschaften in uns zusammengetragen. Daher überkommt auch uns die Schwermut des östens aus dem Slawischen her und macht uns dunkel und träumerisch und ein wenig weich und breit; aus dem Süden aber wächst uns der Wunsch nach der Schönheit und nach der Gestaltung zu; — freilich: ein wenig auch nach Bequemlichkeit — aber diese Bequemlichkeit ist nicht Faulheit, sondern ein Warten auf die eine wichtige Stunde; und wenn die dann kommt, dann bricht auch der westliche Einschlag in uns durch,und wir werden lebhaft und streiten um unsere Ideen und um das Bild unserer Welt. Und dann wieder überfällt uns das Fernweh.Auch in unsistja das wandernde nordische Blut — Gott weiß, von wann her —,und manchmal packt es uns wieder. Dann spüren wir plötzlich den Geruch der fernen großen Häfen und den Geruch einer ganzen Welt — und dann träumen wir hinaus, wohin immer. Freilich: eines Tages wird es dann sein, daß wir wieder erwachen. Das mag geschehen auf einem Hügel von Rom oder mitten in den Weiten von Südamerika — irgendwo, wohin uns der Traum getragen hat oder die Notwendigkeit unseres Lebens oder sonst eine der tausend unnennbaren Kräfte des Daseins. Und aus einer Stille, aus einer jener Sekunden der Wahrheit heraus, wie sie für einen jeden von uns bereitet sind, wird die Erinnerung wachsen: Wissen, wie es zu Hause ist, daheim,dort,wo man hingehört, weil man von dorther geboren ist. Ein Österreicher hat ja nur ein Vaterland: Österreich, und ein Oberösterreicher hat nur eine einzige Heimat: sein Oberösterreich! WAS ABER IST DENN DAS: HEIMAT - denn Baum und Strauch und Blüte und Falter und mannigfaches Getier sind doch überall. Überall wächst das Brot des Daseins aus einer krümeligen Erde, und überall dehnt sich ein Himmel über dem Menschen und bestimmt Tag und Leben. Aber da ist eben dieser Mensch. Da ist der spezifische Ausdruck seines Wesens, der der neutralen Erde erst das Angesicht einer Besonderheit gibt; aus Willen und Wunsch heraus baut der Mensch seine Landschaft und seine Städte, aus Formgefühl und Andacht und Fleiß entstehen Klöster und Kirchen und Stätten der Kunst. Weil aber die Menschen, die das Antlitz unseres Landes im Verlauf vieler Jahrhunderte geprägt haben, unsere Vor väter waren, darum verstehen wir ganz, was sie mit ihrem Leben uns sagen wollten: „Dieses war unser Land, und nun ist es Erbe für euch und für alle, die kommen; für euch haben wir an diesem Land gebaut — wir sind aus dieser Erde geboren und wieder in sie gestorben, und was da zwischen lag: unser Leben, das haben wir ihr ganz ge schenkt. Tut ihr nun das gleiche!" Aber nicht nur Tradition — noch ein anderes ist uns die Heimat: das Land der kleinen Dinge, das Land der Einzel heiten, das Land der eindrucksvollsten Erinnerung. Was wir suchen in unserer Heimat istja nicht Großartigkeit, nicht das Wirken nach außen und niemals das Laute und Schreiende. Was wir suchen, ist klein und unscheinbar: Wiesen, überschüttet mit den tausend Farben des Frühlings, und Wälder, in denen die Sonne sich fängt; stille Wege einen Hang hinauf oder entlang dem Ufer des Sees, eine freundliche Stunde, in der wir das Gebirge so sehen können, daß es uns Tränen der Dankbarkeit in die Augen treibt: ringsum die Kette der Berge in einem wahr haft himmlischen Blau — oder wirfahren über Land,wenn schon Sommer ist, wenn die Felder breit und verschieden farbig neben den Wegen liegen, duftend von dem Hauch ihrer Trächtigkeit, und in den Halmen schon sichtbar die Frucht, die uns nähren wird an jedem einzelnen Tag. 13

Was wir so lieben, das sind auch die Auen, den Fluß entlang,die hohen Gräser, den schütteren Strauchwuchs im schottrigen Grund,die Weiden, wenn sie silbern ins Wasser hängen — und, wenn das Land sich verfärbt, weil schon Herbst wird: die gelben Blätter auf allen Straßen. Abschied ist das dann schon — Abschied von aller Farbe. Denn dann kommt die Stille, der weite Winter. Und dennoch — wieder ist das Land schön und heimlich — denn alles das ist uns ja wahrhaftig Heimat. Das alles könnten wir nirgends so sehr empfinden als hier. Hier ist unsere Wurzel; hier ist unserem Kreise der Mittelpunkt. Vielleicht hat uns der Herrgott der Welt darum ein so elastisches Wesen gegeben, eine so reiche Vielfalt des Blutes und des Geistes und eine Vielfalt an Kraft: damit wir diese unsere Heimat auch ganz verstehen, damit wir begreifen, daß sie gewachsen ist als eine Mitte, als das Herzstück Europas. Herzen aber sind immer Inbegriff, Kristallisation, Verdichtung. Schönheit und Reichtum der Landschaft sind in Ober österreich wahrhaftig Verdichtung geworden. Eingesäumt vom silbernen Inn im Westen und von der wilderen grünen Enns gegen Osten liegt das Land da. Im Süden schimmern die Gebirge — strahlend weiß im Winter und von wunderbarer durchscheinender Bläue an schönen Sommertagen —; im Norden aber dunkelt der Böhmerwald. Und inmitten dieser Grenzen ein Land, das tausend Ge sichter hat. IM NORDEN DER DONAU Schwermut, Stille und Kargheit sind im Norden daheim, im Mühlviertel. Dunkel ist das Land und mager der Boden, denn aufdem granitenen Grund hält sich die Krume nicht leicht und in kärglichen Äckern wächst nicht viel Frucht. Und doch ist die Schönheit auch hier zu finden, eine her bere Schönheit freilich, überschattet von der Schwere des Landes. Aber wenn sich der lange Winter hier endlich doch bricht, wenn die Düsternis der Schneelandschaft endlich, endlich zerfällt, dann drängt alles Blühende aufeinmalzum Licht und zur Sonne und es geschieht, daß die Wiesen überquellen von Farbe und Duft: Frühling und Sommer in einem. Und da blüht dann auch der Flachs. Der ist hier vieles zugleich: einmal Frucht, die sicher gedeiht — denn für manches istja die Erde zu karg und das Klima zu rauh —, und dann ist der Flachs auch Beschäftigung für einen langen Winter, denn es braucht viel Mühe und Geduld, bis aus ihm die Faser wird, die wir weben können zu einem kräf tigen Tuch. Es haben in diesem Landstrich daher auch die Städte und Märkte einen anderen, er-nsthafteren Charakter. Schutz wollen sie sein: dem, der immer in ihnen lebt, vor der Gewalt der Natur, und dem, der von weither kommt aus den Hügeln und Bergen der Umgebung, Erlösung aus Müdigkeit und aus Beschwerde;so werden die Orte zugleich Festung und Herberge. Rohrbach und Haslach — diese beiden Ortschaften weisen schon hinauf in den großen Wald, und noch weiter oben, im nördlichsten Zipfel des Landes, gleichsam im Kernschatten des Böhmerwalds: Aigen-Schlägl, Stift und Ortschaft, Gott zur Ehre und den Menschen zum Heil. Jenseits des Haselgrabens aber liegt Freistadt, die alte Stadt; burgartig, wehrhaft beherrscht sie die östliche Hälfte die Landes. Von hier geht es dann schon hinunter gegen die Grenze zu, gegen das uralte Grein. Dort sind der Struden und die Mächtigkeitder Donau heute noch ebenso eindrucks voll wie ehemals für die Donauschiffer und immer noch voller Geheimnis. Aus diesem Land ist Adalbert Stifter gekommen. Stille und Heimlichkeit des Mühlviertels waren das Erdreich, aus dem seine künstlerische Kraft wachsen konnte; Frieden und Weite des Böhmerwalds haben das Herz in ihm aufgeweckt, auch das Kleine zu sehen: die bunten Steine und die Feldblumen — und nichts zu vergessen. Er hat es auch nicht getan. Er ging mit wachen Augen durch seine Zeit und fand und erhielt uns das wunderschöne Heiligtum seiner Heimat: die Kirche in Kefermarkt mit ihrem prachtvollen gotischen Flügelaltar aus dem aus klingenden 15.Jahrhundert. Wir wissen heute freilich nichts mehr von den Männern, die die Kunst ihres Lebens in dieses Kirchlein gelegt haben;ihre Namen sind verschollen. 14

Aber ihr Werk ist geblieben — geblieben auch dank der aufopfernden Mühe unseres großen Dichters; ein Werk zur Ehre Gottes und zur Freude aller, die hinziehen, es anzu schauen. WESTLICH DER TRAUN Es ist auch von dorther einer gekommen, der seine Heimat sehr liebte: Franz Stelzhamer. Zwar: nicht in wohlgesetzter Rede hat er seine Liebe dar getan, dafür aber in einem reichen Schatz mundartlicher Lieder, deren schönstes Oberösterreichs Landeshymne geworden ist, unser: Hoamatland, Hoamatland! Es wird ihm dabei wohl die heimatliche Umgebung des engeren Innviertels vor Augen gewesen sein, die weiten, wogenden Felder des fruchtbaren Beckens um Ried herum, die breiten, ruhigen Hügel, wie sie von Passau her über den Sauwald,von der Donau über Engelhartszell und vom Inn aus über Schärding und Schardenberg ins Land hin ver laufen. Es müßten über diesem Land die Worte stehen: Herr, gib uns unser täglich Brot — denn hier wächst es, wächstfür uns alle. Reich und trächtig sind die Wiesen, mannshoch steht das Korn im fetten Grund, und der Weizen bückt sich silbrig im Winde. Es ist ein Land der Ernte und der Frucht barkeit. Und daß uns nichts mangelt, auch winters nicht, wenn die Stürme um unsere Häuser heulen und das Land zugedeckt ist von Schnee und Frost — dafür fährt hier auch der Bergmann Tag um Tag in den Stollen und bricht uns die Kohle. Schweiß und Mühe machen dann Durst — Gott läßt drum das Obst auf den Bäumen reifen, genug von den herben Birnen und Äpfeln für den Haustrunk des Landes, den Most. Aber selbst, wenn wir krank sind, weiß dieses Land Rat; es hat aus den Tiefen des Erdreichs Quellen geboren, die vielen Genesung sind — eine wahrhaft mütterliche Erde also, die alles, was nottut, bedenkt. Im Kreuzungspunkt all seiner Wege hat sich dieser Landes teil seinen reizvollen Mittelpunkt geschaffen: Ried, ange wachsen aus einem ehemaligen Marktort zu einer nun reichen und behäbigen Stadt. Es gehen von hier die Wege nach allen Seiten auseinander: nach Braunau hinüber bis in den Weilhart-Forst, über Reichersberg hinauf bis nach Schärding, über Frankenburg und Vöcklabruck hinunter ins südliche Land und über Haag nach Lambach hinaus. Im Nordosten aber liegt Eferding im fruchtbaren Land und dann: Wilhering, das Stift, das barocke Juwel, und das wieder ist: Dank dem Schöpfer, der das Land so reich und gesegnet hat werden lassen. ZWISCHEN TRAUN UND ENNS Dort, wo das Land an die Traun grenzt, beginnt eine andere Welt. Die Leute sagen,jenseits des Flusses sei eine andere Luft — es mag wohl so sein. Denn wenn sich das Land hier auch zwischen Wels und Steyr aufLinz zu ebnet und weitet, der Hauptteil dieses Viertels bleibt doch beherrscht von Gebirge, grünen Vorbergen und wilden Flüssen. Wie kalt und grün kommen sie hier alle daher, die Alm und die Steyr und die Krems und die Laudach. Doch erst die Enns! Nicht einmal die Kraftwerke nehmen ihr die Wildheit des Wesens, die sie mitbringt aus der Tiefe des Gesäuses. So ist sie uns eine rechte Grenze dem Osten zu gewoi-den. Und sie muß auch vieles bewahren. Denn in dem Landstrich, den wir das Traunviertel heißen, da ist vieles daheim: Schönheit des Landes, Fleiß seiner Menschen, ein frommes Gemüt und das Andenken Anton Bruckners. Die Schönheit des Landes zeigt sich freilich manchmal sehr herb. Hier sind ja die Berge schon hoch und mächtig, der Priel und die Spitzmauer und die blaue Kette von Gipfeln, die sich dahinterreiht gleich einer ewigen Krone. Selbst der Almsee ist noch dicht umgeben von steinigen Hängen. Aber wer sich nicht scheut, ein wenig zu suchen, der wird hier mit dem Schönsten belohnt, das die Alpen zu geben wissen: mit ihren Blumen. Ganze Wiesen voll weißer Nar zissen gibt es hier, und anderswo wieder die großen blauen Kelche des Enzians, weiter oben dann Steimöserl und Anemonen und Grafenblumen und Maiglöckchen,ja selbst der seltene Frauenschuh ist hier noch manchmal zu finden. Zwergalpenrose und Türkenbundlilien — als hätte Gott mit all der Lieblichkeit das Land entschädigen wollen für 15

die Rauheit seiner Landschaft und für die Wildheit seines Gebirges. Es brauchtja viel Fleiß, hier zu leben, denn auch in diesem Landesteil ist die Frucht der Erde karg. So hat sich dort, wo das Gebirge seine größeren und kleineren Flüsse ins Land hinaus entläßt, schon bald eine eigene Industrie entwickelt: lang schon werden hier die Sensen gemacht. Uberall stehen noch die kleinen Hämmer, viele freilich schon stillgelegt zugunsten größerer Werke, aber sie zeugen doch alle für die Bemühung des Menschen, auch dem harten Bergland ein Brot abzugewinnen, das ausreicht für alle, damit das Bleiben gesichert sei in dieser geliebten Heimat. Aus diesem Bemühen ist auch die alte Fisenstadt Steyr herangewachsen, und Tradition und Zukunft verschmelzen nun in ihr zu einem ständig wachsenden, sich breitenden Bild. Dort aber, wo sich das Land wieder ebnet, wo es sich mit aller Macht gegen die Donau hinschiebt, dort wird das Leben dann leichter. Dort gründen sich die Straßen auf den alten Wegen der Römer — auf dieser Vergangenheit gehen wir in unsere Zukunft. Es ist dies ja der Teil des Landes mit der interessantesten und zugleich lebendigsten Geschichte; Fnns, Lorch und Wels - zweitausend Jahre Menschheitserleben sind über sie hin gegangen, und immer noch finden wir Spuren und Nach richten aus einer Zeit, die weit hinter uns geblieben ist. Und dennoch sind die Städte mit den Menschen gegangen. Aufder Basis Vergangenheit haben sie ihr Leben begonnen, und so sind sie heraufgestiegen bis in die Gegenwart. Allen Generationen sind sie gerecht geworden, denn sie haben immer wieder aus Trümmern ein Neues geschaffen und haben sich damit lebendig erhalten. In einem derart bewegten Teil Oberösterreichs mußten seine größten Stifte wachsen, denn auch sie sind tiefe und doch lebendige Vergangenheit: Kremsmünster — 1200 Jahre, Lambach 900 — das ist eine reiche Zeit. Schlierbach, südlicher noch, kann sich nicht lösen vom Anblick seines Gebirges: denn von hier, über Kirchdorf und übers Steyrtal hin geht es ja schon hinein nach Stoder und Windischgarsten. St. Florian aber hat sich weit nach dem Norden geschoben. Nahe der Donau schon steht es gebieterisch im Bachen Land, Kundschaft weithin zu sein für den Herrn aller Zeit. Und für einen, der Gottes Musikant sein wollte — und es auch wahrhaft geworden ist: für Anton Bruckner. Wer schaute nicht auch im Geiste die Orgel von St. Florian, dieses klingende Grabmal des Meisters, wenn seih Tedeum erklingt, wenn sein Ave Maria gesungen wird. Bruckner hat geschaffen aus der großen Sicherheit seines Glaubens — und weil dieser Glaube so groß und rein war, 'darum hat der Meister auch die Form so überwältigend gefunden, das Lob des Herrn auszudrücken für alle Men schen und für alle Zeit. AUS UNSEREM SALZKAMMERGUT Es heißt ein Sprichwort: Neapel sehen und dann sterben — bei uns könnte man ein anderes und wahreres prägen: das Salzkammergut kennenlernen und immer wieder kommen! Denn dieser Teil unseres Landes läßt keinen mehr los. Wer einmal hier war, muß wiederkommen, da ändern auch Regen und trübe Tage nichts mehr daran. Ja es kann sogar sein, daß unser Land gerade deshalb so innig empfunden wird, weil es sich nicht immer willig zeigt, weil es nicht immer nur lächelt in Blüte und Frucht. Nein, dieses Land ist auch wild, unfreundlich oftmals, voll Gewitter und Hagel und dicht verhangen von Nebel und Regen. Aber das muß wohl so sein. Denn eben, weil sich die Schönheit so oft verbirgt hinter irgendeiner Laune des Wetters, erkennen wir die glücklichen Tage dann ganz und restlos: wenn die Wolken aufreißen und die Gebirge sich wieder blau in den Hintergrund heben, wenn die Seen glänzen und die Wälder sind wie ein frischer grüner Bogen — oder im Winter etwa: wenn an klaren Tagen der Morgen zu brennen anhebt auf den schneeigen Bergen ringsum, wenn der Traunstein bis weit ins Land hinein glitzert und glüht, so daß man alles vergißt, selbst Kälte und Winter, und nur mehr ihn anschaut, den steinernen Riesen, obwohl man ihn doch schon hundertmal und hundertmal so ange schaut hat. 16

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Alte Gasse in Freistadt Foto E.Prillinger Vorderseite: Morgen am Vorderen Gosausee Foto W.Fettinger

RY t X' n- I - Wolkenhimmel über dem Mühlviertel Foto M.Eiersebner Rückseite: Alt- Goiserer Bauernhochzeit Foto W.Fettinger

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Man wird nicht satt von diesem Land, wir nicht, die wir hier geboren sind, und die Fremden nicht, die aus allen Richtungen der Erde kommen. Gast dieses begnadeten Ländchens zu sein. Aber wenn wir dann schauen, was das Salzkammergut denn so schön und so begehrenswert macht: Wasser, Wald, Hügel und Stein, das ist alles, was wir zu bieten haben. Nur: wie Gott es gefügt hat, das ist das Wunder daran. Wer die Wege übers Gebirge kennt,der weiß ganz besonders um dieses Wunder. Wenn mitten in dem Plateau des Toten Gebirges ein kleiner See funkelt, wenn die Bäche als mäch tige Wasserfälle über grauweiße Felsen sprühen, wenn sich der steinige Boden im späten Frühjahr bedeckt mitfarbigen Polstern aus Blüten: Bergvergißmeinnicht, Glockenblumen, Steinbrech und Leimkraut und mit den nickenden Glöckchen der Soldanelle — wer dies alles jemals gesehen hat, vergißt es nicht wieder. Es ist drum unser Land das Land der Wanderer geworden. Alle kommen sie zu uns, im Winter, um Ski zu fahren auf Hängen, die glitzern von Sonne und Schnee, und im Sommer, um über die Hügel zu wandern, ver steckten Bergseen zu, vielleicht, um über den Gletscher zu gehen, dieses ewige Eis unseres Königs Dachstein, oder einfach: um auszuruhen im Schatten eines Baumes, am träumerischen Ufer eines Sees oder aufeiner der kühlen, ruhigen Almwiesen. Und wenn wir dann genug gerastet haben in der Natur und in der Stille, wenn wir wieder Sehnsucht haben nach den Menschen und nach dem, was ihnen Zeugnis ist, dann fahren wir durchs Land, dem Laufder Traun entgegen, hindurch durch Ischl, die freund liche kleine Stadt, und dann vielleicht nach Hallstatt oder hinüber gegen St. Wolfgang. Es haben sich ja die großen Stifte und Kirchen des Salzkammerguts alle am Wasser gegründet: Traunkirchen, das alte ehemalige Nonnenstift gleich wie auch Mondsee, und sie sind alle reich an Schön heit, reich an Tradition und reich an uralter Vergangenheit. Aber St. Wolfgang wurde wohl der Inbegriff all dieser Schönheit. Die ganze Welt kennt diesen Ort und diese Kirche — es ist darum nicht Hochmut,sondern wahrhaftig berechtigte Freude, die uns stolz sein läßt auf dieses künst lerische Kleinod. Uberall, wo wir auch gehen, ist die Vergangenheit im Salzkammergutlebendig,einesehrweite,tiefeVergangenheit. Denn wo wir heute wandern und wo wir heute schauen und wo selbst wir noch heute stumm werden angesichts der majestätischen Schönheit unsrer Umgebung, da sind schon vor Tausenden von Jahren Menschen gestanden, genauso ehrfürchtig und genauso bewundernd. Es kannten die Kelten genauso wie wir den Gletscher des Dachsteins und die Silhouette der Bischofsmütze, es fuhren keltische Männer genauso wie wir heute ein in den Berg, um das Salz zu schlagen. Denn es lebt unser Land nicht so sehr von dem, was auf ihm wächst — das wäre ein kärgliches Leben —, sondern mehr von dem, was in ihm ist, aus der Tiefe. Das Salz ist es, das unser Reichtum ist seit altersher. Aber das Salzkammergut ist nicht nur das Land des Steins und des Wassers, es ist auch ein Land der spielerischen Kraft, und diese hat sich in einem lebendigen Brauchtum erhalten. Jahr für Jahr laufen die Glöckler an ihrem Tag durch das Land, angetan mit den bunten Lichtkappen, und Jahr um Jahr wird der Maibaum gesetzt, der festlich geschmückte Stamm, und ein Kreis fröhlicher Bräuche zieht sich um dieses Ereignis. Die Frauen des Landes aber legen für ihre Festtage die Tracht wieder an, die Goldhaube und das seidene Kleid — und am schönsten sind sie an dem einen christlichen Festtag, um den sich der freundlichste Brauch gebildet hat: am Fronleichnamstag. Alljährlich fährt Gott in Hallstatt und in Traunkirchen über den See, um die Erde zu segnen, das Land und das Wasser und die Menschen auch — daß alles gedeihe zu Seiner Ehre und zum Wohle der Geschöpfe. MITTE DES LANDES Vielleicht sind nicht alle Länder der Erde gleich harmonisch geschaffen wie dieses unser Land Oberösterreich; Weltoflfenheit war schon immer gegeben durch den Strom, der das Land teilt, aber nur dem mathematisch messenden Auge scheinen die Teile nun ungleich; das Herz weiß es anders zu nennen: während aus dem Süden das Notwendige kommt, das Salz und das Brot, bleibt der Norden dem Geheimnis geschenkt. Böhmerwaldstille, Beschaulichkeit, Traum — das strömt 21

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