Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 3/4, 1954

ARTHUR FISCHER-COLBRIE 32 Tief ist der Liebe Not! Von Haßsturm wild umbellt, Von Finsternis bedroht: So irrt sie durch die Welt. Sie schaut nach Rettung aus, Nach einem Herbergslicht In einem Herzenshaus. Doch es erscheint ihr nicht. Zwar kommt sie an ein Tor, Doch findet sie es zu. Ihr Pochen hört kein Ohr. Im Haus herrscht Totenruh. Denn die im Hause sind, Ergeben sich dem Schlaf, Schon längst für alles bliml, Was nicht sie seihst betraf. Für alles taub schon lang, Was ihre Ruhe stört. So wird des Pochens Klang Von ihnen nicht gehört. In Abgeschiedenheit Von fremden Lebens Last, Sind Selbstzufriedenheit Und Trägheit hier zu Gast. Vollendung von enger Heimat und Ausstrahlung in die Welt, von Provinz und Wien, das Ganze. Versucht ihm einen Teil zu nehmen, und ihr werdet seinen Wert und das Ganze zerstören. Ursprung und Hochform unserer Kultur, Kult und Kunst, ergeben zusammen dieses hohe Gebilde, und darin haben beide ihren Teil, und beide haben daran ihren Anteil: Wien und die Provinz. Warum muß da noch ein Wertungsvorgang bestehen, der von der Wirklichkeit gar nicht gefordert wird, sondern unglücklicherweise in diesen Bereich hineingetragen wird? Warum Aufrechterhalten einer mißgreifenden Verschätzung und Verteidigung einer Parteiung? Warum mit Grenzlatten ein Feld abstecken, wo ein Blühen unbegrenzt erfreuen kann? Wer Vergleiche und Maße aus dem Makrokosmos liebt, hole sich von dort das Bild der Ellipse - ohne in den Sprachgebrauch der Kulturkreise Verwirrung zu bringen - und umfange mit diesem Bilde die Weite der österreichischen Kulturlandschaft und bezeichne die beiden Brennpunkte der Ellipse mit Wien und Provinz. Damit sind wir der rechten Auffassung nahe gekommen. Von einem Hin- und Widerstrahlen der Kultur aus beiden Punkten zu reden, ist sinnvoll. Soweit unbedingt gewertet sein muß, kann nur von einem Nebeneinander gesprochen werden. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich die Forderungen einer Urteilsrevidierung und Stellungnahme für manche. Großstädter, so müßte der Anhänger der Provinz sagen, du findest dich näher den Höchstleistungen der Kulturerscheinung in großem Stil. Du hast Theater, Konzert, Musikaufführungen, Ausstellungen, Sammlungen, die hohen Schulen der Bildung und anderes mehr. Dich umgibt, Die Liebe schleppt sich fort · Bis zu 1lem nächsten Haus. Und als sie klopft, kommt dort Der Wirt zum Tor heraus. In dessen Prunkgemach Die Hoffart heimisch ist. Und mir wär's Schimpf tmd Schmach, Kämst du mit ihr in Zwist! Er sieht sie fir'ister an Und fragt um ihr Begehr. Sie aber ßeht: ,,Ich kann, 0 Herr, nicht weiter mehr!" ,,Was fällt dir, Törin, bei? Komm mir nnr nicht zu nah! Glaubst du, mein Haus, es sei Für deinesgleichen da? Hier, wisse, ist kein Ort Für eine arme Magd, Die mir die Kundschaft fort Aus meinem Hause jagt! Ich habe hohe Herrn Und hohe Damen hier. Ich diene ihnen gern Und sie sind gern bei mir. Es wohnt in meinem Haus Mammon als liebster Gast. Der zöge heut noch aus, Weil er dich glühend haßt. Du scheuchtest auch den Neid, Des Mammons liehen Sohn, Zu meinem großen Leid Aus diesem Haus davon. Uml wisse, neben ihr, Ganz nahe, Wand an Wand, Hat ihre Mutter Gier Verbrieften Unterstaml. Und würde sie dich sehn, So gäh's im Hause Streit. Drum sollst du weiter gehn, Ich hab' für dich nicht Zeit!" Der nächste Herbergswirt Kommt gar nicht erst zum Tor. Den Kopf, der dumpf ihm schwirrt, Streckt er durchs Fenster vor. ,,Ich kann dir öffnen nicht, So leid es mir auch tut", So keucht der feige Wicht, ,,Es wär' für dich nicht gut! Denn Fraß und Völlerei, Die haben hier Quartier. Wie könnten denn die zwei Vertragen sich mit dir? Du mußt, ersehnst du Ruh, Wo anders suchen gehn!" Er schlägt das Fenster zu Und läßt die Liebe stehn.

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