Oberösterreich, 4. Jahrgang, Heft 3/4, 1954

Der Schijfzug im Steyrer Kripj;erl 6d]iffleute ola l~rippenfiguren ERNST NEWEKLOWSKY Ohne auf die ungemein interessante Entwicklung unserer heimischen Weihnachtskrippen eingehen zu wollen, sei erwähnt, daß die alpen- und donauländische Krippenkunst, nicht zuletzt durch die Weihnachtsspiele angeregt, ihre Hochblüte in der Barockzeit und im Rokoko erlebte. Damals entstanden neben den auf eine lange Entwicklungsreihe blickenden Krippen mit feststehenden Figuren, dem Christuskind und seinen Eltern als Mittelpunkt, den biblischen Krippentieren, Ochs und Esel, den mit ihren Gaben zur Krippe eilenden Hirten und ihren Herden, dem Engel und dem Stern sowie den Figuren für die auswechselbaren Szenen (die Heiligen Drei Könige, die Hochzeit zu Kanaan, der zwölfjährige Jesus im Tempel und dergleichen), die „gehenden Kripperl", in denen die Figuren durch einen geheimnisvollen Mechanismus angetrieben wurden und sich bewegten. In ihnen wirkte sich die Erfinderfreude des beginnenden mechanischen Zeitalters aus. Waren bisher die Weihnachtskrippen gewissermaßen starre Wiedergaben der tief im Volk verwurzelten Weihnachtsspiele gewesen, so konnten die beweglichen Figuren der mechanischen Krippen viel mehr noch als jene der starren der Phantasie der gläubigen Beschauer das weihnachtliche Geheimnis nahebringen. Die Figuren konnten sich neigen, konnten schreiten, und wenn ihnen dazu von verborgenen Spielern Worte und die in den Krippenspielen üblich gewesenen Lieder in den Mund gelegt wurden, so war aus dem Kripperl das mechanische Weihnachtstheater entstanden. Diese beweglichen weihnachtlichen Puppentheater, von denen wir aus den Alpenländern um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die erste Kunde erhalten, fanden auch in den Donauländern eine liebevolle Pflegestätte. Bis herauf in unsere Tage hat mancher Bastler in oft jahrelangen Bemühungen seine Erfindergabe, sein Können und seine Zeit dafür verwendet, sich selbst und anderen zur Freude ein solches „gehendes Kripperl" zu schaffen. Welche ehrfürchtige Bewunderung löste es bei den Kindern aus, wenn das Christuskind wie segnend seine Hände erhob, Maria ihr Haupt ihm entgegen neigte, der heilige Josef an der Wiege zimmerte, Ochs und Esel ihre Köpfe und Ohren bewegten, die Hirten mit ihren Herden vorüberzogen und wieder im Walde verschwanden, die Heiligen Drei Könige huldigend ihre goldenen Kronen neigten und über dem Ganzen flügelflatternde Engel ihr Gloria sangen. Die Erbauer dieser mechanischen Puppentheater begnügten sich aber bald nicht mehr mit der Wiedergabe der Weihnachtslegende allein. Sie verknüpften mit den biblischen Handlungen Volksszenen aus ihrer Umgebung, ließen außer den Hirten mit ihren Herden auch Jäger mit ihren Hunden an der Krippe vorüberziehen, ließen in Bethlehem, das zu einer deutschen Stadt wurde, die Handwerker ihren Gewerben nachgehen und füllten Plätze und Gassen der Stadt und Umgebung mit den ihren beruflichen Verpflichtungen nachgehenden Bewohnern. Diese mechanischen Theater, bei denen die Krippenszene zwar noch der Mittelpunkt bleibt, die aber immer mehr das Hauptgewicht auf die sie umgebenden Volksszenen legen - man denke nur an das von 1750 bis 1752 unter Fürsterzbischof Andreas Jakob Graf Dietrichstein erbaute Puppentheater im Schloßpark zu Hellbrunn bei Salzburg -, sind meist nicht aus einem Guß geformt, wie das Salzburger mechanische Theater, es haben vielmehr oft Generationen an ihnen geschaffen und Bild um Bild hinzugefügt, jedes seiner Zeit gemäß ein kulturgeschichtliches Dokument bildend. Von diesen Volksszenen seien jene herausgegriffen, die uns etwas von unseren heimischen Gewässern und seiner Schifffahrt erzählen. Eine köstliche Szene dieser Art enthält das bekannte Steyrer Kripperl, das sicher aus dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts stammt, wenn es nicht schon älter ist. Die Szene selbst ist jungen Datums, hält aber eine längst vergangene Begebenheit fest. Weder Goldbacher (Das alte Krippentheater in Steyr, Unterhaltungsbeilage der Linzer Tages-Post Nr. 51 von 1913) noch Geramb und Zack (Wiener Zeitschrift für Volkskunde 25, 1919, S. 1) erwähnen sie. Aber sie ist gut hineingefügt in dieses mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit sich über Raum und Zeit hinwegsetzende Puppentheater, das uns nicht nur im Aufbau der Stadt, sondern auch in seinen Szenen einen Blick nach Alt-Steyr tun läßt. Zwei Paar Pferde, von denen je eines beritten ist, ziehen eine Zille, die uns das Weyrer Schiff versinnbildlichen soll. Wenn auch die Bespannung der Pferde vor den Augen eines alten Schiffreiters nicht bestehen könnte, so sind sie doch durch die ihre Hinterleiber umfassenden Sühle als Schiffrösser gekennzeichnet . Die Zille ist ein typisches Tischzeichen . Sie zeigt an der Wand die für alle alten Schiffe der oberen Donau und ihrer Nebenflüsse kennzeichnenden Brandstreifen. Sie trägt auch ein kleines Hüttchen; das sich neben den übergroßen 21

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