(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

In einer graphischen Ausstellung des oberösterreichischen Künstlerbundes „März" begegnete ich vor zwanzig Jahren den ersten Arbeiten der Künstlerin. Fa1,bstiftzeichnungen von großem Format fielen durch ihre ganz persönliche Kraft auf. Aus Grau, Ocker, Zitronengelb, Blau und sparsamem Rot war das Bildnis zweier sitzender Ballettmädchen ge- geben, in stürmischem, die Formen gleid1sam verwehendem Strich. Eine Welt trennt diese Linzer Ballettmädchen von den Pariser Geschöpfen, die durd1 Degas ihre klassische Dar- stellung gefunden hatten. Die Handschrift Vilma Eckls ge- mahnte eher an die Wildheit der graphischen Sprache Co- rinths, dom waren Lichtführung und Farbigkeit so eigen- artig, daß kein Vorbild den \Y/ ert der individuellen Leistung minderte . Jahre hindurd1 faszinierten die tanzenden Mäd- chen das Auge der Künstlerin. Die bewegten Posen entspra- d1.en dem Temperament Vilma Eckls, das auch aus der be- wegungslosen Ballettpause ein dramatism verlebendigtes Er- eignis gestaltete. Die körperfichen Formen, im Laufe der Jahre farbig,er gesehen und plastismer umrissen, verloren 5ich nie im unfaßbaren Smimmer der Impression, im Gegen- teil: sie wumsen zu fast statuarischen Gebilden, denen das farbige Raffinement des französismen Klassikers fehlte, deren Ersmeinung jedoch derber und erdhafter wirkte. In dieser gesunden Kraft, in dieser naturhafteren Ursprüng- limkeit liegt das innerste Wesen der Darstellungskunst Vilma Eckls. Die hinreißende Schilderung der bäuerlichen Arbeit ging neben den Bildern der Tänzerinnen her und verdrängte smließlim völlig deren Bereich. Sosehr der Künstlerin in den Ballettbildern eindrucksvollste Dokumente einer prad1.tvoll zupackenden und ganz persönlimen Dar- stellungskunst gelangen, die tiefsten Kräfte ihres Talentes löste erst die Welt der bäuerlimen Arbeit. Sie fesselte die Künstlerin von ihrer Kindheit an. Sie ergriff das Herz dieser Frau mit einer fast dämonismen Gewalt und zwang ihr die härtesten Smaffensbedingungen ab. In der Glut sommer- limer Erntetage, im Herbstregen und in der winterlichen Kälte als Gefährte der Mensmen, der Tiere und ihrer schweren Arbeit, lag die Künstlerin selbst im Kampf um die 'Wahrhaftigkeit des Lebens. Nur so, nur in der unbedin_gten Disziplin der Arbeit, die von Körper und Geist das Äußerste an Hingabe verlangte, gelang die künstlerische Leistung, die mit wahrhaft ergreifenden Tönen das verklingende Epos urtümlimer bäuerlicher Arbeit singt. Es ist eine Welt ohne Masmine und ohne Motor, die Vilma Eckl darstellt. Es ist die Jahrtausende alte bäuerliche A1,beit mit Pflug und Egge, Sense und Sid1el, Pferd und Rind, die mehr und mehr der Technik unterliegt. Weil die 1naschi.nenlose Arbeit untergeht, wird das künstlerische Do- kument zugleid1 zum geschimtlichen Zeugnis. Dies kann es nur werden durch seine unbedingte Glaubhaftigkeit. Vilrna Eck! porträtiert weder die vor ihr abrollende Arbeit in naturalistismem Sinn - weil sie sich ihren Modellen mit einer inneren Vorstellung nähert -, noch stilisiert sie das bäuerliche Dasein zum monumentalen Pathos, wie es Egger- 16 Lienz in semen großen Bildern getan hat. Sie hält e1qe künstlerische Mitte, indem sie den durch die Gestalten ge- henden Rhythmus der Bewegung bloßlegt und durm d ie zeichnende Farbe verdeutlimt. Das ewig sim wiederholende Gleichmaß der Arbeit auf den Feldern, Äckern und Berg- wiesen wird in zwei ode1· drei Figuren sichtbar. Sie sind vom Individuellen her entwickelt, aber sosehr ist in ihnen das Elementare des Arbeitsvorganges gesehen, daß die bewegten Gestalten sid1 in das Typische erheben, In jeder Darstellun.::; liegt die Gültigkeit des Allgemeinen, jedes Thema aber ist unaussd1öpfbar in der Fülle seiner Variationen. Wie wird das Pflügen zum vorwärtsstemmenden Zug der Fferde und zum menschlichen Druck auf den Pflug, das weite Ausholen der Mäher zum mämtigen Körperschwung durd1 den Bild- raum - als würde ,das Fallen des Grases unter den sausen- den Sensen hörbar - und das Lesen der Ahren, das Klauben der Erdäpfel und Rüben zum endlosen Beugen der Frauen zur Erde! Vilma Eckl, stundenlang den Arbeitenden fol- gend, ist von der Wumt des Tuns, von der lapidaren Kraft der körperlimen Bewegung und von der Eigenart der gleich der Natur unverbildeten Geschöpfe so ergriffen, daß sim die künstlerisd1e Erregung mit einer drangvollen Mamt ihrer Zeichnungen mitteilt. Der Farbstift bohrt sich in das Papier, er reißt die Linien und Kurven der Körper und der Land- sd1aft mit jähen Strimen nach und modelliert aus ihren Ver- dimtungen die bewegten Figuren. Ihre Farben sind schwer, gleich den smweren Farben der Erde. Nur im Sommer glü- hen sie ockergelb und rot und vereinigen sich mit dem Blau der arbeitenden Frauen zu einem leuchtenden Klang. Sonst ist tiefes Violettrot, Braun und Smwarz der tragende Grund .aller Töne. Wie Vilma Eckl die zeimnerische Struk- tur vereinfamt und aus den Gestalten nur die großen For- men emporholt, so schließen sim aum ihre Farben ZU ge- sammelten Akkorden, die, aus dem Naturbild entwickelt, völlig neue und tiefe Harmonien bilden. In den smönsten Blättern erreicht die souveräne Verwandlung der Natur eine innere Monumentalität der Darstellung. Vilrna Eckl findet in der Umgebung von Lambach, in der Gegend von Goisern und in Tiroler Tälern die Vor- bilder für ihre Darstellungen aus der bäuerlimen Welt. ·während des Krieges traten die ersten Volksdeutschen als Modelle neben die heimismen Bauern und seit dem Jahre 1945 gibt der Strom der Flüd1tlinge aus Siebenbürgen, aus der Batschka und aus der Slowakei neue Vorbilder für die Darstellung des Bauerntums. Was die Künstlerin an den neuen Modellen fasziniert, ist ihre Ursprünglimkeit im Wesen und in ,der Erscheinung. Die Bauerntramt, noch frei von städtismen Einflüssen, bietet neue farbige Klänge, das tiefe Smwarz der Kleider und Tümer einen großartigen Kontrast ZU den hellen, einfamen und großflämigen Ge- siclitern, denen die Not der Flüchtlingsjahre unve1°kennbare Züge der Verinnerlimung eingegraben hat. Vilma Eckl zeichnet die Frauen in Gruppen, arbeitend, beim Mahl oder im Gebet versunken, und stößt hier aum zum Einzelbildnis

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