(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, Heft 4, 1951

Die Bürger bauen ihre Häuser wieder auf, gestalten sie um und so erlebt der Wohnhausbau im Barock eine zweite Blüte, die sich um die Mitte des achtzehnten .Jahrhunderts am reichsten entfaltet . Zwar entstehen nur wenige neue Bauten, aber in der Gestaltung der Fassaden findet jetzt der neue Ba·uwille seinen stärksten Ausdruck. Die innere Stadt, Enge und Hauptplatz, aber auch Steyrdorf und Enns- dorf haben sich die schönsten Zeugen dafür bewahrt, deren Dekorationen häufig von großer Pracht und verschwen- derischem Reichtum sind. Wo das Rokoko einsetzt, bleibt neben ihm noch lange die späubarocke Art bestehen und Empire und Biedermeier hinterlassen in der Folge ihre schönen Spuren . Die stolzen, reichgeschmückten Bürgerhäuser des Stadt- platzes zu übertreffen, ein den Platz beherrschendes, mo- numentales Rathaus zu errichten, gab den Architekten im dritten Viertel des achtzehnten .Jahrhunderts Gelegenheit, ihre hohe Meisterschaft zu beweisen. Und sie bewiesen sie mit einem der schonsten Bauwerke des Rokoko ·in Osterreich. Fünfachsig und viergeschossig, die Nachbarhäuser bedeutend überragend, in der Mittelachse mit einem hohen Fassaden- turm gekrönt, erstand zunächst der platzseitige und bis etwa 1778 der nadi den Plänen des Steyrers .Johann Gott- hard Hayberger erbaute hofseitige Flügel des neuen Rat- hauses. An den Seitenflügeln hohe Kolossalpilaster und eine mit Geländer und Statuen gekrönte Attika, Tor und Tür und Fenster ungewöhnlich reu:h umrahmt, den Hof mit Bogengängen versehen, ·sammelt es den Blick des Schauen- den und läßt ihn grausame Tage vergessen. Die Tauben umflattern ihn, ste igen höher und lassen sich auf die steinernen Schalen des Leopol,dibrunnens nieder, in das rauschend der silberne Strahl des Wassers fällt, sie füllend und überströmend in das granitene Becken, das die Steyrer von Schloß Windhaag erwarben und 1683 mit dem in Linz geschaffenen Standbild des heiligen Leo- pold, des Landespatrons, auf ihrem Platz aufstellten . Wo der Sudtplatz übergeht in den Grünmarkt, haben sich am Ufer der Enns um 1472 Dominikanermönche niedergelassen und Kirche und Kloster gebaut . Der Neubau der Kirche um die Mitte des si·ebzehnten Jahrhunderts, nun den .Jesuiten übergeben, eine der ersten Schöpfungen der Gegenreformation auf österreichischem Boden, ließ von der spätgotischen Kirche nur wenig übrig. Barock und Rokoko haben auch hier schöne Zeugen hinterlassen, insbesondere prachtvolle Stuckarbeiten aus verschiedenen Zeitspannen und gediegene schmiedeeiserne Gitter. Wie ein Schiff aus aem W ogengang der Zeiten empor- gehoben, zeitweise selbst von ihren erregten Fluten über- spült, ragt die Stadtpfarrkirche hoch über die Vielfalt der Dächer und Höfe hinaus und bildet mit dem ehemaligen, sie umschließenden Friedhof, der St.-Margareten-Kapelle, dem alten, geräumigen Pfarrhof und dem malerischen 1vfosnerhaus, in dem Anton Bruckner zuweilen wohnte, eine von der übrigen Stadt gesonderte Einheit, wie am anderen Ende der inneren Stadt, sie gleichfalls beherrschend, das Schloß eine darstellt. Im Jahre 1443 unter Hans Puchsbaum, dem genialen Baumeister des Wiener Stephansdomes, be- gonnen, von Martin Kronschacher, Wolfgang Tenk und Hans Schwedchorer fortgesetzt, gehört s.ie zu jenen Kirchen in Osterreich, die im Zusammenhang mit dem Stephans- dom entstanden sind. 1522, kurz nach der Vollendung des 12 Baues, wurde die Kirche von einem Brand heimgesucht und erst, nach einer Bauunterbrechung während der Refor- mationszeit, unter Anton II., Abt von Garsten, w ieder- hergestellt. Der bei dem Turmbrande von 1876 zerstört e Kuppelhelm wurde in der darauf folgenden Bauzeit durch einen neugotischen Helm ersetzt. Besonders schön sind die hohen, breiten, mit edlem Maßwerk und Glasgemälden geschmückten Fenst er dieser dreischiffigen Hallenkirche, in deren Hauptchor uns ein spätgotisches Sakramentshäuschen erhalten ist. Die Glasgemälde, von denen ein Großteil für andere, von der Kirche abgegebene aus Laxenburg hergebracht wurde, gehen vom siebzehnten bis ins vier- zehnte Jahrhundert zurück, wie auch eine Anzahl be- merkenswerter Epitaphe aus dieser Zeit stammt . Die Gotik schenkt uns in einem holzgeschnitzten Kruzifix in der Sa- kristei, die Spätgotik mit einem wundervollen, reid1- geschmückten Schrank in der Paramentenkammer auch hier einen Blick in die Offenbarung ihrer inneren Welt, aus der wir wie ganz Verarmte in den blendenden Tag hinaustreten. Ein paar hundert sich in die Höhe schraubende steinerne Stufen, vorbei an der Wohnung des Türmers , am Glocken- gehäuse, tragen uns hinauf zur letzten Stube des einstigen Wächters, von der wir hinaus an -die steinerne Brüstung treten und jetzt die Stadt tief unter uns liegen sehen. Steil unter uns Kirche und Pfarrhof, tiefer noch die reißende Enns, die beiden Flügel des Neutores, der Innerbergerstadel, einst Getreidespeicher, später Niederlage der Innerberger Eisengewerkschaft, birgt er heute das Städtische Museum und das von allen Kindern aus nah und fern, trotz Kino und Theater stürmisch bejubelte und heißgelieibte Steyrer Kripperl, ein altes Puppenspiel mit mündlich überlieferten Szenen aus dem Handwerker- und Bürgerleben der Stadt, das vom Tag des heiligen Nikolaus bis Mariä Lichtmeß jeden Samstag und Sonntag seine Tore öffnet und gef-i.illt ist bis auf das letzte Plätzd1en. Die Stadt ist gewachsen, weit hinaus ins Grüne strahlen clie Straßen mit den neuen Häuserzeilen aus, aber das Herz ist an den Flüssen geblieben. Einmal noch geht das Auge über die hundert steilen Giebel und Dächer hin , über Höfe und Brunnen z,um schönsten Renaissance-Bau der Stadt , dem Schloß Engelhof, in dessen Arkaden noch gotische Träume schlummern, wandelt noch einmal tnmken durch die schmalen Gassen, über enge Stiegen und anheimelnde Plätze, in die kühlen Gewölbe der steinernen Häuser trittst du noch einmal, stehst in den Laubengängen, wo hinter geschmiedeten Fenstergittern bunte Bauernblumen blühen , hörst den Schlag der Uhren von den Türmen der Stadt, in der Heinrich von Ofterdingen sang, ein Sachsenherzog bis ans Lebensende gefangen lag auf der B-urg, Kaiser sid1 huldigen ließen, Bauern rebellierten, Franz Schubert glück- liche Tage verbrachte und Anton Bruckner die Orgel spielte. über die Stadt hinaus blickst du vielleicht, wo das ehemalige Benediktinerstift Gleink hell im Kranze der Wiesen und Felder aufleuchtet oder ennsaufwärts, wo ein gleiches, Stift Garsten, hart ans Ufer des Flusses sich wagt, ein Werk der Carlone, neben St. Florian und Kremsmünster das dritte der prächtigsten Monumentalwerke des Barocks in Ober- österreich . Dann steigst du im dunklen Leibe des Turmes wieder herab, trittst in die Straßen und siehst die jungen Tauben sich in den überströmenden Schalen des Brunnens laben. Der T ag gehört den Lebenden.

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