(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 3. Jahrgang, Winter 1936, Heft 2

Frauensteiner Madonna, linke Engelsfigur Lid11bild: .J oscl Kurz, Sdil icrbad, im Jahrgang 1926/2? der „Zeitsdirift für bildende Kunst", W. Pinder in „Deutsd1e Plastik" und Dr .H. Hochenegg imJahr– gang 1933 der „Christ– hd1en Kunstblätter" mit der Madonna. Diese und andere Veröffentlichun– gen namhafter F achge– lehrter ließen die ganze Kunstwelt aufhord1en. Die folgenden Zeilen und mehr noch die beige– gebenen Bilder, die zum Teil Erstaufnahmen dar- stellen, mögen unter besonderem Hinweis auf obenerwälrnte Arbeiten dazu beitragen , vor allem dasgrofle Reisepublikum auf unseren bedeutenden beimischen Kunstscha~ aufmerksam zu machen. Die Madonna von Frauenstein stellt eine Grofl– plastik aus Holz mit einer Breitenausdehnung von 1·50 m und einer Höhe von 1'90 m dar. Bei frontaler Betrachtung macht sie dmchaus reliefartigen Einch'llck:, nähert sich aber in der Seitenansidit sehr einer Vollplastik. Reizvoll ist schon dieses „Herausblühen" aus der Gebunden– heit der Wandflädie. Die Mado1ma ist si~end dargestellt. Auf ihrem Sd10He hält sie das gött– liche Kind. Zwei jugendlid1e Engelgestalten halten den Mantel weit ausgebreitet. Darunter knien sdiu~sudiencl eng aneinandergesduniegi link s die Gestalten dreier Männer, rechts die clreier Frauen. Dieses in der deutschen Kunst nicht seltene sog.Schucymantelmotiv ist bei der Frauen– steiner Madonna vereint mit dem sog. Rosen– kranzmotiv, wie es etwa von der 1506 von Dürer geschaffenen Venecliger Rosenkranzmadonna be– kannt ist. Es ist ausgedriickt dmrh den Kranz von dreifarbigen Rosen, den das Kind mit beiden Händen hält. Diese Verbindung zweier an sich nicht seltener Motive in der Frauensteiner Figur stellt in der Maricndarstellung ein Kmiosum dar . Der erste Gesamteindruck ist auf j eden, für das wahrhaft Schöne und Edle aufgeschlossenen Beschauer ein geradezu überwältigender. Mehr als Worte vermag dies d ie beigegebene Gesamt– aufnahme der Figur zu bezeugen. Göttliches und menschliches Prinzip scheinen in diesemWunder– werkVermählung zu feiern. Himmlisd1e Majestät, ja Unnahbarkeit in der Haltung und in den Zügen der gekrönten Himmelskönigin verbinden sich mit dem Ausdruck strahlenden Glückes und erhabener Wiirde einer ir di schen Mutter, die sid1 ihres hohen Berufes wohl bewuflt ist. Es ist, als oh der Meister dieser Madonna der deuh;c:h en Frau und Mutter ein D enkmal sei~en wollte. Mit heiliger Scheu, mit leiser Wehmut und tief– ster Andacht hält sie behutsam das göttliche Kind auf ihremSchofl . Dieses, in seiner natiir li che n Unbefangenheit gar köstlich anzuschauen, C'r– scheint uns als der ideelle Mittelpunkt det ganzen , fig1.uenreichen Gruppe. Dic rhombisch regel– mäfügen Umrisse dieses kindliche n Körpers, ver– bunden mit der aufrechten Haltung, mögen von ferne erinn ern an eine zur Vereluung ausgese~te Monstranz. Wunderbar ist diese überragend e Stellung des Kindes in der Komposition zum Aus– druck gebracht. Das „Rhombus" sein es Körpers l iegi genau im Schnittpunkte der zwei sich recht– winkelig kreuzenden Hauptachsen des ganzen Liniensystems. Die vertikale Achse geht von der Spi~e der Krone durch den Körper des Kindes zu den FuUspil}en der Mutter; clie horizontale verläuft durch die Köpfe der beiden Engel und sdm eidet dabei die vertikale in der Gegend dE's

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