800 Jahre Schlüsselhof - 80 Jahre Schlüsselhofsiedlung

32 Erste Begegnung mit dem „Feind“ In das Haus meiner Großeltern stürmten an diesem denkwürdigen 5.5.1945 auch zwei US-Soldaten. Einer davon – ein Schwarzer – stürzte sofort zu einem kostbaren Telefunken-Radio, das mein Großvater dummerweise am Vortag aus dem Versteck geholt hatte, und schaltete das Gerät ein. Als er hörte, dass es funktionierte, zog er aber nicht den Stecker aus der Wand sondern schlug das Kabel einfach mit seinem Kampfmesser durch und verschwand mit dem Gerät auf Nimmerwiedersehen. Der andere Soldat fand im Kleiderkasten meine dort versteckte Tuchent und wollte damit ebenfalls weg. Als er mich aufheulen sah, fragte er mit Handzeichen meine Mutter, ob dieses Federbett meines sei. Als sie bejahte, warf er das Bettzeug auf mich und verließ lachend wieder das Haus. So entstand ein Parkplatz Wenige Tage nach der Ankunft der US-Amerikaner ertönte abermals lautes Gedröhne: Ein „Raupenschlepper“ , vorne mit einer breiten Schubschaufel bestückt, kam von der Stadt her den Steinwändweg herab – das erste Gefährt dieser Art, das ich zu Gesicht bekam. Und sofort begann diese militärische Baumaschine damit, das Erdreich entlang der Lauberleite von der Stelle, wo heute der Grün-Container steht, in Richtung unseres Hauses zusammen zu schieben. Verdutzt beobachteten wir, was da geschah. In wenigen Stunden war damit eine ebene Fläche geschaffen, die wir heute als Parkplatz neben dem Sportplatz kennen. Danach wurden am Lauberleitenhang neben unserem Haus zwischen Pflöcken Jute-Planen gespannt und Schießscheiben aus Papier angeheftet. Ab sofort hatten wir eine Schießstätte vor dem Haus und durften während der Schießübungen weder das Haus verlassen noch Fenster öffnen. Zum Glück war dieser Schießstätten-Spuk aber nach wenigen Wochen wieder vorbei. Leben an der Zonengrenze Drei Tage nach der Ankunft der US-Amerikaner – sie hatten zunächst das ganze Stadtgebiet, einschließlich der Stadtteile am rechten Ennsufer besetzt – rückten am 8. Mai 1945 die sowjet-russischen Truppen heran, worauf sich vereinbarungsgemäß die Amerikaner wieder auf das linke Ennsufer zurückzogen. Somit lagen schlagartig auch die Schlüsselhofsiedlung im Bereich der Ufergasse und die Rennbahnsiedlung im Bereich von „An der Enns“ hart an der Zonengrenze , die dann den Namen „Demarkationslinie“ trug. Manche Bewohner des Stadtteils Münichholz wagten es nicht mehr, in die russische Zone zurück zu kehren, vor allem wenn sie befürchten mussten, vom sowjetischen KGB gesucht zu werden. Somit konnte es vorkommen, dass sich diese Leute von der Ufergasse aus mit ihren Verwandten über den Fluss hinweg mit Zurufen oder Zeichen in Richtung Münichholzwald verständigten.

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