Der Sauschneider Kaspar Schiffner († 1797) und seine Bibliothek.

221 Zufallsfunden wissen —, dass die Wirkung über die traditionellen Intelligenz- schichten des Bürgertums hinausging. 11 Allerdings ist in Oberösterreich um diese Zeit, wie etwa in anderen Gebieten des Deutschen Reiches, weder ein Lesekabinett noch eine Leihbibliothek feststellbar, wie es scheint, war die erste die des Friedrich Imanuel Eurich in Linz seit 1811 . 12 Was die Frage nach der Lesefähigkeit der Bevöl- kerung im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts betrifft, so ist man für den deut- schen Sprachraum auf Einzelfunde und allgemeine Schätzungen angewiesen. Eine systematisch-quantifizierende Untersuchung zum Stand der Alphabetisierung exis- tiert hingegen nicht, und die erschlossenen Urteile schwanken beträchtlich. So ist die Rede von nur 25 % oder 40 % der lese- und schreibkundigen Bauern, aber da- neben gibt es auch die Ansicht, dass — mit regionalen Unterschieden — die „Masse der Bevölkerung elementar lesekundig“ war. 12a Im Zusammenhang mit der Bibliothek des Kaspar Schiffner stellen sich vor al- lem zwei Fragen, die nicht eindeutig zu beantworten sind: Wie kam dieser einfa- che Mann zu seinen Büchern, und wieweit war er gebildet und hat all diese zum Teil auch fremdsprachige Literatur tatsächlich gelesen und verstanden? Was die erste Frage betrifft, so ist es durchaus möglich, dass Kaspar Schiffner bei seiner Profession, die ihn ja in viele Häuser führte, die Bücher gelegentlich an Zahlungsstatt angenommen hat. Daraus ergibt sich auch die Möglichkeit, dass er sich selbst gar nicht ausschließlich für seine Bücher interessierte, sondern vor allem im ländlichen Raum als eine Art Buchhändler gewirkt hat. Trotzdem muss ein gewisses Interesse von Seiten des Kaspar Schiffner vorhanden gewesen sein, denn eine derart große Anzahl wäre sonst nicht erklärbar. Eine Möglichkeit, zu Büchern zu kommen, bot wohl auch die Aufhebung des Klosters Garsten, denn ab 1787 dürfte manches aus der Stiftsbibliothek entfernt worden sein. 13 11 Vgl. Hans Sturmberger, Der Weg zum Verfassungsstaat. Die politische Entwicklung in Oberöster- reich von 1792—1861, Wien 1962, 16 f. Siehe auch Helmut Reinalter, Jakobiner in Oberösterreich, in: Oö. Heimatblätter 38 (1984), 293 ff. bes. 306 f. 12 Franz Pfeffer, Friedrich Immanuel Eurich. Ein Lebensbild aus dem Linzer Vormärz, in: Jahrbuch der Stadt Linz 1935 (Linz 1936), 122 ff. und Günter K. Kalliauer, Frühe Welser Leihbibliotheken im 19. Jahrhundert, in: 23. Jahresbericht des Musealvereines Wels (1981), 269 ff. Einen Überblick über die Situation deutscher Lesegesellschaften bietet Marlies Stützel-Prüsener, Die deutschen Lesege- sellschaften im Zeitalter der Aufklärung, in: Otto Dann (hg.), Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation, München 1981, 71 ff. vgl. auch über ein Land der Habsburgermonarchie, nämlich Böhmen: Zdenek Simecek, Frühe literarische Gesellschaftsbildung in den böhmischen Ländern, in: ebd. 221 ff. 12a Vgl. Zusammenfassung von Jürgen Voss, Der Gemeine Mann und die Volksaufklärung im späten 18. Jahrhundert, in: Hans Mommsen — Winfried Schulze (hg.), Vom Elend der Handarbeit. Prob- leme historischer Unterschichtenforschung, Stuttgart 1981, bes. 221 f. (Ich bin Herm Prof. Dr. Jür- gen Voss [Paris—Mannheim] für verschiedene Hinweise und Gespräche dankbar.) 13 Vgl. Franz X. Pritz, Geschichte der ehemaligen Benediktiner-Klöster Garsten und Gleink, Linz 1841, 93.

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