Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

258 Die Tillyer Kinder kamen nicht nach Freistadt, sondern in das Payrhuberhaus und an den Propst der Regierungsbefehl das Stiftshaus zur Wohnung für die Beamten herzuge- ben. Der Propst erklärte unter dem 23. September 1785 sich ein wahres Vergnügen dar- aus zu machen den 1. Stock zu überlassen; er bittet, dass ihm doch seine Wohnung be- lassen werde: das könne nicht der allerhöchsten Meinung entsprechen, dass der Admi- nistrator des Stiftes aus seiner Wohnung verdrängt werde. Darauf erfolgte die Retrosig- natur: die Meinung, als ob Se. Majestät nicht das ganze Haus der Kameraladministration eingeräumt wissen wollte, ist irrig, weil Se. Majestät wirklich auf Vorstellung der Kame- raladministration die endliche Berichtigung dieser Angelegenheit der Regierung einge- bunden hat. Der Propst wird ein anständiges Quartier im 1. Stock des Schlägler Hauses finden. Hievon wird auch der Abt von Schlägl verständigt (Linz dd. 4. Oktober 1785). Dieser hatte seine Bedenken, wie es gehen würde, wenn er mit dem Prälaten von St. Florian und ihr beiderseitiges Gefolge zusammentreffen würden. Urbain riet in sei- nem Schreiben dd. Wien 10. Oktober 1785 dem Prälaten von St. Florian: „Da man Se. Hochwürden mit der Räumung und Einrichtung des Florianer Hauses (nachdem die Ent- scheidung durchaus nicht so ungünstig gelautet, sondern vielleicht ungünstig ausgedeu- tet worden ist) sozusagen: militärisch und exekutorisch behandelt hat, so ist kein Kom- pliment mit dem Schlägler Stiftsherrn zu machen, sondern eine geraume Wohnung für sich anzuverlangen und ohne viel Umwegen, ohne Fragen Besitz hievon zu nehmen. Der Hausherr wird so billig sein einzusehen, dass man heutzutage das jus talionis brauchen muss, um nicht leer auf dem Grund sitzen zu bleiben.“ Ungeheure Schwierigkeiten erwuchsen den Stiften aus den neuen Pfarrerrichtun- gen, nicht bloß außerordentliche Lasten, auch Streitigkeiten, Gehässigkeiten, selbst im Kloster Unruhe und Unordnung. Die Pfarreinrichtungstabelle vom 6. März 1784 bezeich- nete durchaus nicht die Summe oder Grenze der den Stiften aufgebürdeten Leistungen. Die Stiftskirchen waren regelmäßig nicht Pfarrkirchen; als solche bestanden eigene Gotteshäuser im Ort oder im benachbarten Flecken; die Seelsorge wurde an diesen Or- ten gewöhnlich excurrendo vom Stift aus versehen. Nunmehr wurden die meisten Stifts- kirchen Pfarrkirchen, diese früheren blieben als Nebenkirchen bestehen oder wurden gesperrt und abgebrochen. Zuweilen bemühten sich Prälaten selbst, die pfarrlichen Funktionen an die Stiftskirche zu bringen, um die Kosten eines neuen Pfarrhofbaues und des Unterhaltes ständig exponierter Seelsorger zu ersparen, wohl auch in der Sorge dem Stift damit einen festeren Halt gegen die stets drohende Aufhebung zu geben. Hiedurch erregten sie da und dort den heftigsten Widerspruch seitens der Bewohner des benach- barten Marktes. Bei mancher Pfarrerrichtung machte das Stift den interessierten Parteien nicht schnell genug voran, gegen manche Errichtung erhoben die Stifte Widerspruch; ja sogar das kam vor, dass die mit der neuen Seelsorgestation Bedachten dagegen sich erhoben. Die Streitigkeiten dauerten Jahre, Jahrzehnte, wohl auch ein halbes Jahrhundert und länger — und die eine oder andere ist nur notdürftig zur Ruhe gebracht worden? Zur Errichtung der Lokalkaplanei in Eggendorf wurde der Prälat von Kremsmünster durch den Herrschaftsbesitzer Franz Ignaz Mayrhofer gehetzt; Dechant, Abt,

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