Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

89 unter einige Regimenter Infanterie eingeteilt waren. Das Gros des Militärs stand in Pa- rade auf dem Hauptplatz der genannten Stadt. Der Heilige Vater stieg beim Rathaus ab, wo er von Sr. Eminenz dem Herrn Kardinal Fürstbischof von Passau Firmian empfangen wurde, der sich vorher dorthin von St. Flo- rian verfügt hatte. Nachdem Se. Heiligkeit in die oberen Räume aufgestiegen war, begab Sie sich auf den Balkon, der prächtig geschmückt und mit einem dort eigens aufgerich- teten, höchst vornehmen Baldachin überdeckt war, und von hier gab Sie Ihren Segen der ungeheuren Volksmenge, welche in heißer Sehnsucht darnach verlangte." Sämtliche Behörden waren zum Empfang erschienen. Die Noblesse und die übrigen Standespersonen beiderlei Geschlechtes wurden zum Handkuss zugelassen, mit mehreren besprach sich Seine Heiligkeit in liebevoller Huld. (Linzer Montags Ordinari-Zeitung.) Die Reise ging nun mit gewechselten Pferden weiter. In Wels kam der Papst um 1 Uhr an. In der Pfarrkirche hatte man ein feierliches Te Deum vorbereitet; allein mit Rück- sicht auf die karg bemessene Zeit wurde sogleich nach dem Posthaus gefahren. Wäh- rend die Pferde umgespannt wurden, hielt der Stadtpfarrer eine lateinische Rede; er überreichte ein Chronographikum. Auf seine Bitte verließ der Papst den Wagen, um vom Fenster der Sonnenstein'schen Wohnung aus den Segen zu geben. Der Stadtpfar- rer, zur Linken des Papstes stehend, verkündete den vollkommenen Ablass für alle, wel- che den Segen empfangen und innerhalb der nächsten 15 Tage die heiligen Sakramente der Buße und des Altars empfangen würden. Dann betete er die drei göttlichen Tugen- den laut vor, Reue und Leid, nebst dem „steifen" Vorsatz, was alles das gläubige Volk unter Freudentränen laut nachsprach. Hierauf gab der Papst den Segen. Über die Verhältnisse der Stadt und des umliegenden Landes war der heilige Vater un- terrichtet. Das päpstliche Tagebuch notiert, dass dort kaum einen Monat nach Veröffentli- chung des Toleranzediktes mehr als 5000 zum Protestantismus sich erklärt hatten. Auf der Weiterreise nach Ried wurde die Fahrt in Lambach unter brachen . 16 Vom Morgengranen an strömte eine ungeheure Volksmenge auch dorthin zusam- men, um sich durch den Empfang der heiligen Sakramente auf den päpstlichen Segen und die damit verbundene Gewinnung des vollkommenen Ablasses vorzubereiten. Die Menge wuchs ins ungeheure an, „Zachäi" (auf Bäumen) waren zahllose zu sehen. Das Volk hatte nicht Speise noch Trank, nur den Stellvertreter Christi zu sehen war sein dürs- tendes und hungerndes Verlangen. Auch zahlreiches Militär war aufgestellt und Traun- schiffer in ihrer Ausrüstung. Um 3/4 3 Uhr kam der Papst an. An der Schwelle des Stiftes verließ er den Wagen; vom Fenster der Bildergalerie aus erteilte er der auf dem Marktplatz versammelten Menschenmenge den Segen; eine Inschrifttafel verkündet es. Sodann wurden mehrere von der Klostergeistlichkeit und vom benachbarten Klerus zum Handkuss zugelassen, sowie auch hervorragende Laien, unter diesen einige Kon- vertiten. Der Papst begab sich unter dem Traghimmel in die Kirche, legte Pontifikalklei- der an, das hochwürdigste Gut wurde ausgesetzt, ein Lobgesang gesungen. Dann 16 Am24. April 12 Jahre vorherwar die unglücklicheMarieAntoinette auf der Reise nach Paris in Lambach gewesen; hier brachte sie die letzte Nacht in ihrer österreichischen Heimat zu.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2