OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

22 bungskampagne wurden mehrere Mauerzüge freigelegt und Befunde gesichert, die eine Datierung in die zweite Hälfte des 12. bzw. 13. Jahrhunderts n. Chr. zuließen (s. o.). Die im Zentrum der Befestigungsanlage auf der Bergkuppe verifizierte 12 x 12 m messende Steinsetzung wurde von den Archäologen als mutmaßliche Basis für einen Holzaufbau interpretiert. Beim Anlegen des Wallgrabens dürften teils natürliche Geländeformungen benutzt worden sein, an anderen Stellen wurde der Graben künstlich bis zu einer Tiefe von etwa 2,5 m ausgehauen. Ob der aus Bruchsteinen bestehende Wall ursprünglich eine feste Mauer gebildet hatte, konnte nicht geklärt werden. Die untere „Turmburg“ war offenbar in einem Feuerbrand zerstört und später neu aufgebaut worden; Funde und Befunde indizieren jedenfalls eine zumindest zweiphasige Nutzung des befestigten Felssporn-Areals.45 Unterdessen beschäftigte sich Archivkurator Leopold Mayböck mit urkundlichen Nennungen, die einen Bezug zum Turntobel haben könnten. Seine Erhebungen ergaben einen 1170 in diegenbauverbotes unter König Ottokar II. von Böhmen nicht mehr fertig gestellt worden sein (Steine, vom Rohbruch bis zum fertig behauenen Quader, samt Absplissen liegen umher); keine Beurkundung. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Vorweg: Grabherrs Hypothese, die Burg am Turntobel42 sei aufgrund eines Ottokar’schen Bauverbots „nie fertig gestellt“ worden, ist heute zweifelsfrei widerlegt. Die Anlage entstand nachweislich bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, etwa 100 Jahre bevor der Przemyslide Ottokar II. durch seine Heirat mit Margarete von Babenberg Österreich übernehmen und entsprechend in die Gesetzgebung des Landes eingreifen hätte können. Die Burg am Turntobel birgt dennoch einige Rätsel, besteht sie doch im Grunde genommen aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen: die Wehranlage an der höchsten Stelle der Bergkuppe (mit halbkreisförmigem Graben und Außenwall) nährte ihrer einfachen Struktur wegen gelegentlich die Annahme einer frühmittelalterlichen Wallburg. Die zweite Wehranlage, auf einem Felssporn etwa 40 Meter nordöstlich der Kuppe, oberhalb der Abfallkante zu einer tiefen Schlucht, besteht hingegen im Wesentlichen aus zwei Flankenmauern und einem etwa 4,60 x 6,20 m großen rechteckigen Turm, dessen Mauern bis zu einer Höhe von etwa 2 m erhalten sind. Auf Betreiben der von dem Mühlviertler Künstler und Heimatforscher Otto Ruhsam in den 1990er-Jahren gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Turntobel“43 starteten 2003 archäologische Sondierungen44 unter der Leitung von Christine Schwanzar. Bei dieser, 2006 in erster Etappe abgeschlossenen, Gra42 Der in der Österreich-Karte namentlich nicht bezeichnete Berg (Kote 694 m) wird im Volksmund als Turnerdobl, Turntobel, Steiningerberg etc. angesprochen. 43 Die Arbeitsgemeinschaft richtete mittlerweile auch eine eigeneWebsite ein, in der die Ergebnisse von Archäologie und Archivforschung abgerufen werden können (www.turntobel.com). 44 Josef Engelmann u. Otto Ruhsam, Burgstall Turntobel. Worauf wir stehen – Archäologie in Oberösterreich. Weitra 2003, 254 ff. (mit Vermessungsplan). 45 Josef Engelmann u. Magdalena Stütz, Fundberichte Österreichs, Band 43, 2004, 985–987.

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