OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

136 Auf staatlicher Ebene erwacht nahezu gleichzeitig mit der „neuen Heimat“ der Romantik ein Nationalgefühl, an dem letztlich die Habsburger Monarchie zerbricht: „Das Gefühl der Zusammengehörigkeit …, welches diejenigen verbindet, welche die gleiche Sprache sprechen und daher ursprünglich von der gleichen Abstammung sind, ist eine der großen, die Geschichte der Menschheit bestimmenden Tatsachen. Mit diesem Gefühl verbindet sich unwillkürlich eine Fremdheit, ja Feindschaft im Verhältnis zu den übrigen, zu deren geistigem Leben die Sprache keine Brücke schlägt.“20 Angesichts der heutigen Diskussionen zu Asyl und Migration ist diese Äußerung vor rund 100 Jahren nicht nur für den Historiker von Belang! ligen Staatsform der Zeit, die mit dem Regierungsantritt von Kaiser Franz Joseph 1848 beginnt und bis zur Zweiten Republik von 1945 bis jetzt führt. Gleich geblieben sind die drei prägenden Begriffe, die einen Staat ausmachen: Staatsvolk, umschrieben durch die Staatsangehörigkeit, das Staatsgebiet und die Staatsgewalt, welche durch Organe der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Regierung einschließlich der sonstigen Verwaltung ausgeübt wird, in einem Bundesstaat aufgeteilt zwischen Bund und Ländern, also z. B. Nationalrat oder Landtag. Und was ist mit der Heimat im Staat? Sie ist Teil des Staatsgebietes, bei uns des Bundes- und Landesgebietes. Aus ihr, wie in alten Zeiten verbannt, wie zu allen Zeiten vertrieben zu werden, ist schweres Schicksal. Auch das Recht zur – freiwilligen – Auswanderung auf Grund von Elend und Not in der angestammten Heimat ist erst seit dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21. Dezember 1867 gewährleistet, kann jedoch für Wehrpflichtige beschränkt werden. Nach dem Auswanderungspatent aus 1832 war die Auswanderung nur aufgrund einer behördlichen Bewilligung zulässig gewesen. Die innere Bewegtheit, die aus der „Heimat“ kommt, vor allem nach ihrem Verlust, ist ein Kind der Romantik.18 In älterer Zeit hatte die „Heimat“ (bei uns: „Hoamatl“) noch eine andere Bedeutung, nämlich Haus und Hof. Nach der dominanten christlichen Vorstellung war die Heimat nicht hienieden, sondern „dort oben“ zu suchen; dies gilt in gleicher Weise für die katholische und protestantische Lehre.19 18 Christian Graf von Krockow, Heimat. Erfahrungen mit einem deutschen Thema, Stuttgart 1989, im 1. Kapitel „Die Entdeckung der Heimat“, insbes. S. 22–26. Jüngst – 2010 – ist das Buch „Heimat – Neuentdeckung eines verpönten Gefühls“ erschienen. S. hierzu das Interview in den OÖN 21. August 2010, „Wochenende“ S. 4, mit der Autorin Verena Schmitt-Roschmann. 19 Paul Gerhardt (1607–1676), der bedeutendste evangelische Liederdichter des Barock, schrieb: „Ich bin ein Gast auf Erden, Und hab hier keinen Stand; Der Himmel soll mir werden, Da ist mein Vaterland.“ Etwa in detebe-Klassiker Bd. 23019, S. 34 ff., mit das Verständnis erhellenden Anmerkungen. 20 Edmund Bernatzik (1854–1919), Eingang zu dem zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Köln gehaltenen Vortrag „Die Ausgestaltung des Nationalgefühls im 19.Jahrhundert, Beiträge zur staats- und rechtswissenschaftlichen Fortbildung“, Heft 6, Hannover 1912. Eine faszinierende geistesgeschichtliche Studie von Dante bis zur Jahrhundertwende 1899/1900! Metternich machte sich, so Bernatzik, aaO, S. 15, „in der vormärzlichen Zeit über das Nationalgefühl unzähligeMale lustig“.

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