OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

135 Der Heimatstaat Zu allen Zeiten haben Philosophen, Theologen, Historiker und „Staatsgelehrte“ über den Staat gedacht und geschrieben, nennen wir nur Platon, Aristoteles, Cicero oder den Florentiner Machiavelli. Erst der Rationalismus der Renaissance, womit wir zum ersten Teil der Landesausstellung 2010 zurückkommen, hat aber die Frage nach der Rechtfertigung des Staates, „die Frage also nach dem Grund des dem Staat geschuldeten Gehorsams und nach dem Sinn staatlich ausgeübter Herrschaft“17 gestellt. Der Staat ist – durch die letzten zwei Jahrtausende gesehen – keine zeitlose Ordnungsmacht. Das lehrt uns schon der Geschichtsunterricht, er ist vielmehr nur aus seinem jeweiligen geschichtlichen Umfeld zu erfassen. Das lehrt uns auch ein Blick in die politische Geschichte unserer Heimat in der jeweizum Verlust der Heimat führten.13 Einen für heutige Verhältnisse undenkbaren Markstein hatte der Augsburger Religionsfriede von 1555 gesetzt: Jeder Landesherr konnte für sein Territorium die Religion der Bewohner bestimmen („cuius regio, eius religio“). Wer sich diesem „Religionsbann“ nicht fügen wollte, hatte bloß das Recht auszuwandern (flebile ius emigrationis). In seiner Studie über Georg Erasmus Tschernembl (1567–1626), „Herr auf Schwertberg und Windegg in Oberösterreich und Mitglied des obderennsischen Herrenstandes“, zitiert Hans Sturmberger14 den französischen Historiker Jules Michelet, der das 16. Jahrhundert als das „fanatische“, das 17. als „bigottes“ Jahrhundert bezeichnet hat.15 Siegfried Haider fasst in seiner „Geschichte Oberösterreichs“ (1987) den Abschnitt „Glaubenskampf und Ständemacht (1520–1648)“16 auf S. 187 wie folgt zusammen: „Wer sich nicht zum katholischen Glauben bekannte, mußte das Land sofort verlassen; Familien wurden getrennt, da großjährige Kinder mit ihren Eltern auswandern durften, minderjährige hingegen nach Möglichkeit zurückbleiben und im Lande katholisch erzogen werden sollten. Allen diesen Maßnahmen gelang es jedoch nicht, den Protestantismus im Land ob der Enns völlig auszulöschen. Seine Reste wichen in den Untergrund aus. Der Großteil der Bevölkerung war allerdings durch die vom Landesfürstentum unter Einsatz von Zwangsmaßnahmen veranlasste Gegenreformation zum katholischen Bekenntnis zurückgeführt worden.“ 13 Ein weiteres Beispiel, die „Aktenmäßige Geschichte der berühmten salzburgischen Emigration…“ von F. X. Huber hat Franz Daxecker in den OÖ. Heimatblättern 2010, H. 1/2, S. 63 ff., vorgestellt. 14 In: Land ob der Enns und Österreich (Linz 1979), S. 91. 15 Die Geschehnisse in OÖ nach der Niederlage der protestantischen Seite in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag 1620 mit der anschließenden Verpfändung des Landes ob der Enns an Bayern hat – meisterhaft kurz – Hans Sturmberger in „Oberösterreich in der Geschichte“, (FN 14), S. 331 (339), dargestellt. 16 Dieser Abschnitt gehört zum 6. Kapitel „Das konfessionelle Zeitalter (1493–1648)“. Den Denkmälern des konfessionellen Zeitalters zwischen 1517 und 1648 ist der von Landeshauptmann Dr. Pühringer während der Landesausstellung 2010 präsentierte Kulturführer „Renaissance in Oberösterreich“ von Norbert Loidol gewidmet. 17 Badura, Staatsrecht, 4., neubearbeitete Auflage. Verlag C. H. Beck, München 2010, S. 3.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2