OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

(Jahresbericht der Realschule 1851/52).® Um die Aufgabe der Bildung zu finden, stellt er da zuvörderst die Frage: „Welches ist die Aufgabe unserer Zeit?"- Und Aprent kommt, in der Anschauung des ringsumher sich abspielenden gewaltigen Ringens der Menschheit um die Güter der Erde, in welchem alle materiellen Mittel eingesetzt werden und alle menschlichen Triebe spielen, zur Erkenntnis der wahren, für die Oberfläche verborgenen Aufgabe: „Der Mensch muß es verstehen, die Güter der Erde zu vergeistigen und zu sich emporzuheben." Diesen tieferen Sinn unterlegt er dem damaligen „Organisationsentwurf für Gymnasien und Realschulen", der vorsah, die bisher niederen, gewerbetreibenden Stände zur höheren Bildung heranzuführen. Bildung? Sie muß Konzentration des menschlichen Geistes auf den Brennpunkt seines eigenen Wesens werden. Jeder einzelne Mensch stellt eine Totalität schlechthin dar. „Nie werden wir einen Menschen richtig beurteilen, wenn wir, anstatt ihn in seiner Eigentümlichkeit und Totalität aufzufassen, einen fremden Maßstab anlegen und verlangen, daß er Voraussetzungen entspreche, die wir willkürlich und launenhaft aufihn übertragen." Damit ist die Fragwürdigkeit jedes staatlichen Erziehungsprogrammes, das sich nicht die unbedingte Förderung des Individuums zum Ziel setzt, ausgesprochen. Der Lehrer und Erzieher muß die Freiheit haben,sein ganzes Augenmerk aufdie individuellen Wesensäußerungen seines Zöglings zu richten. Und so verkündet Aprent vor allem andern hier schon sein Urmotiv, mit dem er vor der Klasse steht: „Sprich, damit ich dich sehe." Angezogen von der Weite des Aprentschen Geistes verband sich Adalbert Stifter mit dem 18Jahrejüngeren Professorzur Auswahl der Lesestücke und Herausgabe des „Lesebuch(es) zur Förderung humaner Bildung" (1853), dieser nach dem Urteil geistesgeschulter Lehrer heute noch besten und verwendbarsten Anthologie. Das diesem Buch im öffentlichen Bildungswesen widerfahrene Schicksal ist bekannt." Die Schiller-Zentenarfeiern, die 1859 in allen deutschen Sprachgauen abgehalten wurden, bildeten für gewisse deutschnationale Kreise den Anlaß, Schillers Genius für sich zu usur pieren. Das Verständnis Schillers wurde dadurch nicht gefordert. Ganz anders bei Aprent. Seine „Festrede zur Feier des 10. November 1859 an der k. k. Ober-Realschule zu Linz" geht auf das Wesentliche und wurde von Stifter (und Zedlitz) für das Beste, was damals beigetragen worden war, gehalten. Nur einige Sätze aus der im Jahresbericht der Realschule 1859/60 gedruckten Rede: „Geistig aufeinander einzuwirken ist den Menschen die Sprache verliehen. Sie macht es dem einen möglich, einem andern sein Herz zu öffnen, ihm einen Blick in sein geistiges Dasein zu gestatten" (Sprich, damit ich dich sehe!), „und diesem ist es gegönnt, sich zu bereichern mit den Schätzen des erstem, sich anzueignen, was jener im Leben sich unmittelbar erworben hat. Doch bleiben die Worte immer nur Zeichen, und weit eindringlicher als sie wirken die Dinge. Wie ergreift es Sie, wenn am Morgen die Sonne flammend vor Ihren Blicken emporsteigt! - Wie matt, wenn Sie bloß davon sprechen hören! Aber des Dichters Wort ist mit einer wunderbaren Macht begabt. ® Thematisch damit verwandt ist der Aufsatz J. Aprents „Versuch, auf genetischem Wege zu dem Begriff der Bildung vorzudringen", Zeitschrift für österreichische Gymnasien, Juliheft 1865. " J. Aprent gab noch folgende Lehrbücher heraus: „Leitfaden für den grammatischen Unterricht an Real schulen, Gymnasien und anderen Mittelschulen", Wien 1865; 4. Auflage des „Grundriß der Aufsatzlehre" von Härtel; „Deutsches Lesebuch für die Unterklassen mittlerer Lehranstalten" von J. Aprent und Wilhelm Kukula, Wien 1865.

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