OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

Fülle von Kenntnissen zur Sachvolkskunde der einzelnen Salzburger Landschaften, indem er uns typische Bauernhäuser-, Stadel- und Speicherformen vorführtundunsdurchdieHerauszeichnungderwesent lichen Einzelheiten besondere Schmuckelemente in der Verplattung der Balkenköpfe oder in Zieraten an Geräten und Möbeln und schließlich durch die Wieder gabe von Gegenständen des Volksglaubens und Brauch tums die Sirmhaftigkeit der Salzburger Volkskunst erkennen läßt. In seinem Aufbau ist das Sagenwerk nach den ein zelnen Gauen plus einem Abschnitt über die Landes hauptstadt gegliedert und verzichtet somit aufdie sonst übliche vmd immer schwer dmchzuhaltende Ein teilung nach Motivgruppen. Die Verfasser geben aber am Schluß des Werkes ein Verzeichnis, das die einzelnen Sagen auch nach diesen Gesichtspunkten einordnet. Es ist begreiflich, daß bei dieser Anlage die oberösterreichische Sagenkunde vor allem an den Sammlungsergebnissen aus dem Flach- und Tennengau und dem Grenzgebiet um den Dachstein interessiert ist, wo die Verbreitungsgebiete einiger der dortigen Sagenüberlieferungen mit denen im oberen Innviertel, im oberösterreichischen Salzachtal und im südlichen Traunviertel (Mondsee, Wolfgang see) ineinandergreifen und gemeinsame Traditions räume erkennen lassen, deren kartographische Dar stellung ebenso reizvoll wäre wie eine systematische Sagengeographie mit Hervorhebung charakteristi scher Motive im gesamtösterreichischen Kulturraum. Dazu müßten freilich noch in vielen Landschaften Aufoahmen von gleichem Rang gemacht werden, wie sie in den Bearbeitungen von Brettenthaler und Laireiter für Salzburg vorliegen. Die Einbeziehung von Märchen, wie die dem Rumpel stilzchen entsprechende Geschichte vom Untersberger Hahnengickerl (100) oder von prahlerischen Lügen geschichten von der Art des Kötschachtaler Wunder bären (280) oder die Berücksichtigung von Zauber formeln und -gebeten wie dem Johannes- und Korona gebet (129, 130) und schließlich der Freilassungsfor mel, mit dem ein Verbrecher zum Wettlauf mit den Häschern eines Nachbargerichtes freigegeben wird (286), öffnet den Blick für die erstaunliche Reich haltigkeit an volkskundlichen Überlieferungen, die sich mitimter heute noch aufzeichnen lassen. Die historische Tiefe, in die manche Sagen zu führen vermögen, wird ersichtlich, wenn z. B. in einer Sage in geradezu auswegloser Situation ein alter weiser Mann auftritt, um statt des Verlorenen ein ent scheidendes, die „sieben Wahrheiten" betreffendes Rätselgespräch zu führen, nach dessen siegreicher Beendigimg er ebenso spurlos verschwindet, wie er gekommen war (348). Wer würde sich hier nicht(na türlich bei Berücksichtigung, daß durch die Ein wirkung des Christentums ein Rollenwechsel erfolgte) an das berühmte Rätselgespräch Odins-Gestumblindi mit König Heidrek erinnern (Heidreksgatur,Thüle II. 154), das unter ähnlichen mysteriösen Umständen vor sich geht? Oder wem würde bei dem Bericht über das in den Rauhnächten weissagende Pferd aus Wolfau (119) nicht die bekannte Stelle in Tacitus' Germania (cap. 10) gegenwärtig sein, die von den heiligen, zur Weissagung benützten Pferden der Germanen berichtet? Nicht weniger eindrucksvoll ist die Sage über die nach einem Mahl aus der Haut und den (unverletzten) Knochen des getöteten Tieres zu neuem Leben erstehende Gemse (318), ein Motiv, das in seiner historischen Abfolge von L. Schmidt* von dem antiken Pelops-Mythos bis zur rezenten Tiroler „Haselhexe" verfolgt wurde, und in seiner geographischen Verbreitung von den nordeurasischen Schamanenmythen bis zu den oberösterreichischen Nikolausversen und Osterbräuchen belegt ist*. Nicht weniger bedeutend als für derartige Rück- und Ausblicke sind Sagenmotive, die literarisch berühmt gewordene Szenen als Volksüberlieferungen aus weisen, wie z. B. die Gasteiner Parallele(274) zu dem Gedicht von A. Chamisso über das „Riesenspielzeug" auf „Burg Niedeck, im Elsaß wohlbekannt", oder Sagenberichte, die die Beeinflussung der Volks überlieferung durch das Dazutreten christlicher Um gestaltung unmittelbar erkennen lassen, wie die Ge schichte vom Drachenkampf des Ritters von Warten fels bei Mondsee,der sich zu diesem Abenteuer vorerst der Hilfe und Fürbitte des hl. Georg versichert (156), oder die Erzählung von der Geburt kleiner Hunde durch eine adelige Dame (hier der Schloßfrau von Labach),die aber diesmal über Anraten eines Priesters nicht ertränkt oder ausgesetzt,sondern zur christlichen Taufe gebracht werden und sich unter ihrem Einfluß in richtige Menschenkinder verwandeln (380)*. Aufschlußreich für die sich übrigens zu allen Zeiten einstellende drastische Verhöhnung von Motiven des Volksglaubens und Brauchtums durch „auf geklärte" Leute* ist die Schwankgeschichte vom Grafenbauer in Schwarzach (269), der eine aufge fundene tote Ziege für die sterblichen Überreste einer Frau hält, sie demgemäß mit Frauenkleidem versehen läßt und in seiner Kapelle andachtsvoll aufbahrt, wobei man hinter dieser Parodisierung unschwer eine heute noch ab und zuzu beobachtende Perchtendarstellung in Form einer Ziegenmaske in Frauenkleidern zu erkennen vermag. Andererseits vermag das reiche Salzburger Material aber auch manchem christlichen Motiv der Volks überlieferung ein außerchristliches Gegenstück gegen überzustellen wie z. B. die Schalensteine beim Putzenlehen bei Hollersbach (387), über die erzählt wird, daß in ihrem ständig sich bewahrenden Wasser Frau Percht ihr Kindlein badet, während in den ober- und niederösterreichischen Sagen die gleiche Handlung regelmäßig der auf der Flucht befindlichen Gottes mutter mit dem Jesuskind zugeschrieben wird, gleicherart wie das Auftreten der Frau Percht bei ihren mittwinterlichen Umzügen in den Bauern häusern (355, 462) im oberösterreichischen Mühl viertel in die Erzählung von der Einkehr der Hl. Drei Könige umgewandelt wurde'. Daß darüber hinaus die an Motiven ungemein reich haltige Salzburger Sagensammlung, deren Bedeutung hier nur in einzelnen Beispielen aufgezeigt werden kann, auch offenbart, wie das Volk Persönlichkeiten, die im vollem Licht der Geschichte stehen, noch in jüngster Zeit mythisiert, zu Heroen macht und in Totenberge entrückt wie Karl d. Gr. und Barbarossa in den Üntersberg, ist am Beispiel der Sage von „Stefan Fadinger in der Schanze" (146) zu ersehen, die den großen Führer des oö. Bauernkrieges in den Kirchenhügel von Neumarkt a. Wallersee versetzt. Dort thront er, merkwürdigerweise gefesselt, aber angetan mit königlichem Schmuck, inmitten einer geisterhaften Leibwache, bis er einmal im Jahr — bezeichnenderweise am Nikolaustag - aus seiner

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