OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

festzustellen und der Fachwelt allgemein zugänglich zu machen", wodurch ersichtlich ist, daß die Auf nahmetätigkeit sich keineswegs darauf beschränkt, verklingende Laut- und Wortformen in den letzten sich bietenden Gelegenheiten aufzunehmen, sondern daß vielmehr auch die lebendige Entwicklung der Sprache beobachtet und in ihren Gesetzmäßigkeiten erfaßt wird. Wie der Forschungsgegenstand - die Erscheinungs formen des bairischen Dialektes in seinen geradezu unerschöpflichen Ausdrucksvarianten - ist auch die räumliche Erstreckung des der Wiener Kanzlei zugewiesenen Aufnahmegebietes von beträchtlichem Ausmaß. Sie umfaßt nicht weniger als die Gesamtheit der österreichischen Bundesländer,soweit der bairische Dialekt gesprochen wird,ferner die einstigen deutsch sprachigen Gebiete in der GSSR, Ungarn,Rmnänien imdJugoslawien,Südtirol und die südwärts der Alpen mitten im italienischen und slawischen Sprachraum gelegenen einstigen „Bauernsprachinseln". Trotz dieses enormen Aufgabenbereiches war die Materialsammlung schon verhältnismäßig bald so weit fortgeschritten, daß sie nicht nur E. Kranzmayer als Grundlage zu seiner umfangreichen „Historischen Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes", Wien 1966, dienen, sondern daß auch mit der Aus arbeitung der Artikel für das Wörterbuch selbst be gonnen werden konnte, von dem nun zum Jubiläum des Gründungsjahres die erste Lieferung vorliegt, wobei freilich das recht bescheidene äußere Kleid der Publi kation die Außenstehenden kaum ahnen läßt,daß hier der Grundstein für eine wissenschaftliche Großtat gelegt ist, deren Bedeutung wohl erst spätere Gene rationen ganz zu würdigen wissen werden. Wie dem Publikationsplan zu entnehmen ist, hofft die Leitung des Wörterbuches, alljährlich eine Lieferung mit je 64 Seiten vorlegen zu können. 6 solcher Liefe rungen werden einen Band bilden, jede 7. (d. h. zugleich auch jede erste eines neuen Bandes) wird die bei einem so großen Lieferxmgswerk kaum vermeidbaren Nachträge und Berichtigungen ent halten. Wieviele solcher Bände das Gesamtwerk ausmachen werden, läßt sich heute wohl kaum ab schätzen. Fest steht aber, daß wir Heutigen wohl keine Aussicht mehr darauf haben, den Abschluß dieses groß angelegten ,Jiayerischen Wörterbuches", das in 4 Lieferungen über den Buchstaben A noch nicht hinausgekommen ist, zu erleben; aber freuen wir uns, daß es uns wenigstens gegönnt ist, den Beginn dieses Werkes mitzuerleben, obwohl diese Freude für uns Oberösterreicher nicht unbeträchtlich getrübt wird, wenn wir das gleich eingangs der ersten Lieferung publizierte Verzeichnis der Literatur durchsehen, aus der die Hauptmasse der Auszüge an mimdartkundlichen und volkskundlichen Belegen für den Hauptkatalog gemacht wurde. Denn nie mandem karm verborgen bleiben, daß dabei Ober österreich im Gegensatz zu anderen Bundesländern recht stiefmütterlich behandelt wurde. Nicht nur, daß imter den namhaften Mundartdichtern bedeutende VertreterOberösterreichs,darunterNorbertHanrieder, fehlen, fehlt auch nahezu die gesamte Literatur zur Volkskunde in der sonst so umfangreichen Liste, so daß hier nicht eimnal die für die Mundartforschung eine außerordentlich wichtige Quelle bildenden Werke des Begründers der oberösterreichischen Volkskunde P. Amand Baumgartens aufscheinen. Aber auch die zahlreichen Arbeiten von Adalbert Depiny und Hans Commenda wurden verschwiegen, von Werken jüngerer Forscher gar nicht zu reden. Wie wenig systematisch bei der Behandlung der oberösterreichi schen Literatur vorgegangen wurde, geht u. a. aus den Angaben zur Bauernhausforschung hervor, für die zwar die bekannte Monographie von E. Kriechbaum aufscheint, aber die zahlreichen grundlegenden Unter suchungen von R.Hecklfür die Wörterbuchkanzlei in Wien ebensowenig zu existieren scheinen wie der wichtige Aufsatz von E. Hamza über das Innviertier Bauernhaus, während der von demselben Verfasser stammende, in demselben Jahrgang und in derselben „Deutschen Zeitschrift für Volkskunde" erschienene Aufsatz über die niederösterreichischen Bauernhäuser, man möchte fast sagen selbstverständlich, erwähnt ist. Nicht weniger aufschlußreich ist es, sich die benützte Literatur zum Thema „Bauernkost" in den verschie denen Bundesländern durchzusehen, unter der, wie recht und billig, zwar die Untersuchung von E. Kranzmayer über die Kärntner und der Aufsatz von E. Hubatschek über die Tiroler Bauernkost auf scheinen, nicht aber das in Oberösterrcich (Linz 1957) erschienene Werk des Rezensenten über „Brauchtumsgebäcke und Weihnachtsspeisen", das Seite um Seite genau lokalisiertes Material zur Mundartkunde ent hält. Ähnlich steht es - ohne daß dadurch die Fehl liste ausgeschöpft würde, sie soll ja auch nur an ein druckvollen Beispielen illustriert werden -, um die benützten Atlanten und heimatkundlichen Zeit schriften, unter denen selbstverständlich der „Adas von Niederösterreich" aufscheint, die ungefähr gleich zeitig publizierten Lieferungen des „Atlas von Ober österreich", trotzdem dieser eine Fülle von mundartund volkskundlichen Einzelheiten enthält, aber nicht verzeichnet werden, oder die heimatkundlichen Zeitschriften von Kämten,Tirol,Niederösterreich usw. der Reihe nach angeführt sind, während die statt liche landeskundliche Zeitschrift von Oberösterreich weder unter ihrem ersten Namen als „Heimatgaue" noch unter ihrem jetzigen als „Oberösterreichische Heimatblätter" aufscheint. Und dabei befindet sich diese bereits im 41. Jahrgang ihres Erscheinens, so daß sich ihr Vorhandensein denn doch schon all mählich bis Wien herumgesprochen haben könnte. In summa ein vom wissenschaftlichen Standpunkt aus recht bedauerliches und tmerfreuliches Zeichen für einen nicht zu verkennenden Mangel an Objektivi tät einer Wiener Zentralstelle den einschlägigen kulturellen Leitungen Oberösterreichs gegenüber, der uns aber nicht dazu verleiten darf, deshalb etwa in gleicher Weise die Verdienste der Wiener Kanzlei tun die Erforschung der bairischen Mundart in Öster reich nicht mehr in dem gebührenden Licht zu sehen, oder uns gar dazu zu verführen, das Erscheinen dieses Lexikons, das ein Ruhmesblatt der österreichi schen Wissenschaft darstellt, vielleicht weniger herzlich zu begrüßen. Für die Auswertung der Stichwortartikel, d. h. also für die Benützung des Wörterbuches durch den Leser, ist es unerläßlich, die sorgfältige und klare Einführung zu lesen, die E. Kranzmayer dem ABCdarium des Wörterbuches vorangestellt hat. Es informiert nicht nur über die Richtlinien, die bei der Materialsamm lung eingehalten wurden, sondern gibt auch die Grundsätze an, nach denen jeder Artikel aufgebaut ist. Wir erfahren hier den Modus für die äußere Ge-

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