OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 2

Buchowiecki: Romanische Landkirchen in Oberösterreich Die Mächtigkeit der Grundfesten (1.5 m) läßt einen hoch herausgeführten Bau voraussetzen. Gegen das Innere springen in Abständen von 4.4 m die Fundamente von Wandvorlagen ein, die einen Rückschluß auf die Raumgliederung erlauben könnten. Wie alten Bildern — dem großen Stadtgemälde von Enns 1626, der Stadtansicht von Vischer 1672 und einem gedruckten Ablaßzettel — wegen der Kleinheit der Darstellung allerdings nur ungefähr entnommen werden kann, war bloß der Chor gotisch vergrößert; dagegen wird das romanische Langhaus im Kern bis zur Abtragung bestanden haben. Zu den längst niedergerissenen romanischen Bauwerken Oberösterreichs gehört auch die 1170 dem heiligen Agidius geweihte Rundkapelle von Kremsmünster. Sie hatte 5.7 m Durchmesser und war zweigeschossig. Der als Gruftgewölbe gedachte Unterraum besaß, wie aus der Textstelle „begraben unter dem Altare, der über der Säule gelegen ist" 28) entnommen werden kann, eine freistehende Mittelsäule. Es handelte sich hier also um einen Karner, dessen Gestaltprägung aus noch erhaltenen Beispielen in Österreich bestens vertraut ist Leider ist auch eine größere Rundkirche der romanischen Zeit spurlos ver¬ schwunden: die anläßlich einer Lichtstiftung durch Philipp von Mauthausen 1342 erstmalig genannte „rundscheibige“ Marienkirche auf dem Stadtplatz zu Enns, die wahrscheinlich schon seit den Anfängen des Marktes bestand und r besseren Unterscheidung von Maria am Anger nach ihrer Baugestalt bezeichnet wurde. Wir müssen sie uns, da Abbildungen des Baues fehlen, einer in Scheib¬ lingkirchen (N.-S.) erhaltenen, um 1150 begonnenen und vor 1164 schon vor¬ handenen ähnlichen Schöpfung gleichgestaltet vorstellen 29). Dem großen Rundbau wird somit eine Halbkreisapsis angefügt gewesen sein und das Außere durch Wandstreifen oder Halbsäulen eine entsprechende Gliederung erfahren haben. Das Fehlen des Rundbogenfrieses in Scheiblingkirchen ist beachtenswert und auch für Enns anzunehmen. Daß mit dieser Grundrißlösung karolingisch-vorromanische Baugedanken weitergesponnen wurden, steht außer Zweifel. Das Gotteshaus war entweder Filiale von St. Laurenz in Lorch und als solche städtische Eigenkirche, oder, wie Schmieder vermutet 30), Taufkirche. Diesbezüglich scheint die Erwähnung der Anschaffung eines Taufsteins für die Scheiblingkirche, die in den Kirchen¬ rechnungen von St. Lorenz für das Jahr 1448 verzeichnet ist, einen beachtens werten Hinweis zu geben 31). Heinrich der Vol und seine Gattin Lucia bestifteten am 24 7. 1389 die Scheiblingkirche mit einem Heiligen Geist-Altar; 1412 —16 wurde sie durch Dechant Ulrich zu Enns um eine Dreikönigs- und Veitskapelle vergrößert, ohne deshalb ihre Rundgestalt eingebüßt zu haben, wie ihre 1415 als „ecclesia rotunda“ erfolgte Nennung bezeugt. Noch 1498 wird der Bau einer 28) Mon. Germ. SS. XXV. 671, 42. 29) E. v. Sacken, Die Rundbauten zu Scheiblingkirchen, Pulkau und Zellerndorf in Nieder¬ österreich. Mitteilungen der k. k. Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenk¬ male Bd 5 (Wien 1860) S. 337. 30) Schmieder a. a. O. S. 43 — 48. 31) „1 tawfstain in die Scheybling chyrichen am Marckcht 10 ß“. 107

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