OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Bei der Schilderung der aktiven kulturellen Tätigkeit des Adels kommt Brunner dann auf die Bedeutung österreichischer Geschlechter wie der in Oberösterreich ansässigen Fernberger und Kuefstein für die wissenschaftliche Erschließung Osteuropas zu sprechen. Hinsichtlich der eigen¬ artigen adeligen Dichtkunst ist für unsere heimischen Dichter wie Hohberg, die Oberösterreicher Christoph von Schallenberg (1561— 1597), Johann Fernberger von Eggenberg, Johann Segge von Dietach und Hans Ludwig von Kuefstein, der spanische Werke übersetzt hat, die in Nord¬ deutschland gegründete „fruchtbringende Gesellschaft" eine Quelle von Anregungen geworden Unter den Nachfolgern Grimmelshausens ragt der Oberösterreicher Johann Beer aus St. Georgen im Attergau hervor. Matthias Abele von Lilienberg, ein gebürtiger Tiroler, versah die Stelle eines Sekretärs der Innerberger Gewerkschaft in Steyr und nahm den ehrenvollen wissenschaftlichen Rang eines Hofhistoriographen ein. Da Hohbergs literarisches Hauptwerk zur ökonomischen Literatur gehört, widmet sich Brunner der Pflege dieser Wissenschaft seitens des Adels besonders eingehend und weist unter den Vorgängern auf die im Lande ob der Enns entstandenen Wirtschaftsbücher des Grafen Georg von Schaunberg, Philipp Jakobs von Grünthal und Dietrichs von Rödern auf Berg hin. Hohberg hat bis 1660 im nördlichen Niederösterreich gelebt und ist dann in die Landschaft zwischen Enns und Ybbs übersiedelt, wodurch er persönliche Beziehungen zum Lande ob der Enns anknüpfte. Hohberg fielen mit Recht die erheblichen Unterschiede zwischen den wirtschaft lichen und sozialen Verhältnissen im Viertel unter dem Wiener Walde und im Lande ob der Enns auf, das jedoch mit dem Lande zwischen der Enns und Ybbs eine weitgehende Ähnlichkeit aufweist. Schon infolge des Klimaunterschiedes ergab sich in der Anbau- und Erntezeit eine Differenz von 3—4 Wochen; traf er im Lande ob der Enns die alte „Teutsche“ Einzelhof¬ siedlung mit geringen Viehweiden und kleinem Anbau an, so gab es dagegen im übrigen Nieder österreich große Herrschaften mit Dörfern. Eigenartig war das im Lande ob der Enns und Ybbs als Brotfrucht gebrauchte Linsgetreid; dieses bestand darin, daß man Linsen oder Wicken unter die Gerste baute und davon die Hälfte oder ein Drittel unter das Korn zum Brot für das Gesinde mengte. Hohberg lobt auch den guten Kleesamen, den man im Lande ob der Enns, sonderlich zu Wels, erhalten konnte, woraus wiederum ein Hinweis für den Vorsprung unseres Landes im Bau von Futtermitteln ersichtlich wird. n Den Untergang dieser Adelswelt führt der stets nach Erweiterung seiner Macht strebende moderne Staat herbei, der in Österreich besonders seit dem aufgeklärten Absolutismus der Re gierung Maria Theresias und Josefs II. wirksam wurde, indem er immer tiefer in die einst autonome Sphäre der Herrschaft eingriff. Zwischen dem modernen, in seiner Verwaltung auf geschlossenen Flächen wirkenden Staate, der modernen, nach Rationalität strebenden Wirtschaft und dem Streuverban) der Grundherrschaft mit ihrem Hauswirtschaftsprinzip tat sich eine immer größere Kluft auf. Der Bauer war nun nicht mehr bloß Untertan seiner Herrschaft, sondern auch des Staates, der mit seinen Wehrdienst- und Steuerforderungen jetzt unmittelbar an ihn heran¬ trat. Notwendigerweise mußten die alten Herrschaften, die neben ihrem eigenen auch noch den ganz anders ausgerichteten staatlichen Wirkungskreis besorgen sollten, bei der Lösung der ihrem Wesen fremden, neuen Aufgaben weitgehend versagen. So kam es, daß bei der Revolution des Jahres 1848 der Adel selbst der Auflösung des Untertanenverbandes keinen Widerstand ent¬ gegensetzte. Da mit der Auflösung der alten Herrschaftswelt der Adel auch die ureigensten Grundlagen seiner Aufgaben verlor, suchte er sich als Zwischenschicht zwischer Herrscher und Volk einzuschalten und nach englischem Beispiel ein Stand der neuen bürgerlichen Gesellschaft zu werden. Aber man war damit auch der dem Wesen des Adels völlig fremden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dynamik der neuen Welt der industriellen Arbeit ausgeliefert; in diesem großen Wandlungs prozeß, in dessen Mitte wir uns in der Gegenwart befinden, werden nicht bloß die letzten Reste der adeligen Herrschaft und ihrer Kultur schrittweise beseitigt, sondern wird sogar das bäuerliche Haus als gültige Sozialreform in Frage gestellt. 88

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