OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 1

Schrifttum Idee der Herrschersouveränität setzte die zahlenmäßig nur kleine kalvinische Gruppe, deren be¬ deutendster Kopf der im Lande ob der Enns ansässige Georg Erasmus von Tschernembl war, eine Art „Volkssouveränität“ entgegen, wobei aber als „Volk“ bloß die adeligen Herren, keines¬ wegs jedoch ihre bäuerlichen Untertanen angesehen wurden. Ein wirklicher tieferer politischer Gedanke mangelte ihnen jedoch, ihr Denken war rein negativ, vom bloßen Haß gegen die Haupt¬ macht der katholischen Gegenreformation geleitet und rein konfessionell, nicht staatspolitisch aus¬ gerichtet, denn sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß man sich lieber mit dem Türken ver¬ binden als mit dem Papste versöhnen wollte. Die in ihrem Großteil ohnedies dem Luthertum, das den leidenden Gehorsam predigte, angehörende Adelsschichte kam aber damit mit ihrem uralten Standesideal, der adeligen Tugend, die eine Anhänglichkeit an das angesehene Herrscherhaus und den angestammten Besitz forderte, in Gegensatz. So ist es besonders charakteristisch, daß Hohberg trotz seiner Zugehörigkeit zu einer von den Folgen der Niederlage der Protestanten schwer betroffenen Familie und trotzdem er selbst als Protestant auswanderte, sein Leben lang ein treuer Patriot seiner Heimat und begeisterter Verehrer des Hauses Habsburg blieb. In seinen Werken findet sich keinerlei kon¬ fessionelle Polemik, er steht der katholischen Welt ganz unbefangen gegenüber und zitiert in seinen Werken auch Jesuiten und Benediktiner. Hohbergs späte Auswanderung hängt mit der Verschlechterung der Lage des in Nieder¬ österreich (nicht in Oberösterreich!) auch nach 1620 noch geduldeten protestantischen Adels zu sammen, die nicht zuletzt durch die Bemühungen der Emigranten verursacht wurde. Brunner entwickelt dann den Bildungsgang des in äußerst bescheidenen Verhältnissen auf¬ wachsenden Hohberg, der die erste Einführung in das Wissen bloß der Erziehung seitens seiner klugen Mutter verdankte und eine höhere Schule nie besuchen konnte. Da ihm als Protestanten die Beamtenlaufbahn verschlossen war, blieb ihm nur die Möglichkeit, Offiziersdienste im Heer zu leisten und sonst als Landadeliger auf seinen Gütern zu leben. In seinem „Sitz" gab es nur eine aus einem Bauernhaus zugerichtete Wohnung, der Meierhof umfaßte 54 Joch Acker, 12 Joch Wiesen und 4 Joch Wald; dazu kamen bloß 14 untertänige Bauern, von denen jedoch nur 10 spannfähig waren. Der Hauptertrag dieser kleinen Herrschaften beruhte auf der Viehzucht und machte bei Hohberg kaum 500 fl aus; daraus wird uns begreiflich, wie sehr vom Kleinadel der Beamtendienst beim Landesfürsten oder bei den Landständen angestrebt wurde, da dort für ein Mitglied der Kollegien (Landesregierung) jährlich 2000 —3000 fl, für Rechnungsbeamte 500 — 600 fl gezahlt wurde. Sucht man die Lage Österreichs im kulturellen Aufbau des alten Europa zu bestimmen, so gehört es zwar gerade noch zum Kerngebiet, liegt aber bereits an seinem Rande. Die von Westen kommenden Bewegungen erreichen es meist erst verspätet, oft nicht voll oder entfalten sich in einer eigentümlichen Spätblüte. Zudem liegt seine einzige, schon mittelalterliche Großstadt, nämlich Wien, einsam in einem weiten Bauernland. Viele kulturelle Strömungen überspringen daher meist die adelig-bäuerliche Landschaft und werden erst in Wien selbst wirksam, wo sich dann die höfisch-adelige Kultur reich entfaltet. Dieser eigentümliche Zwiespalt zwischen Wien und den Ländern ist auch in der späteren Donaumonarchie geblieben und Wien hat auch nach 1620 nie die Stellung eingenommen, die Paris in Frankreich innehatte. Die österreichischen Länder behielten trotz aller zentralistischen Tendenzen doch ihr eigenes Leben, sie waren nicht von Wien allein her bestimmt, aber auch umgekehrt haben nicht sie allein für das Wiener Geistesleben befruchtend gewirkt. Einen wichtigen Ausgangspunkt für die Brunnersche Kulturanalyse der Adelswelt hat die Untersuchung des Inhaltes der Adelsbibliotheken gebildet, unter denen er von oberösterreichischen jene der Häuser Starhemberg und Volkenstorf besonders hervorhebt. Recht bezeichnend ist, daß für die Bildung der Adelsjugend die Wiener Universität eine verhältnismäßig geringe Rolle spielt, da sich der Landadel aus konfessionellen Gründen seine eigenen Landschaftsschulen schuf, wie ja auch eine solche in Linz entstand. 87

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