OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Wutzel: Oberösterreichs Denkmalpflege in der Krise der Zeit Das Kunstdenkmal als soziologische Erscheinungsform Die trostlosen Trümmer der Seisenburg sollen uns zur Mahnung und Belehrung dienen 5). Eine Lage in schöner Landschaft, eine reiche geschichtliche Vergangenheit und formvolle außen- und innenarchitektonische Einzelheiten haben diesem Bau seine künstlerische Bedeutung für das Land verliehen. Seine größten Werte waren: die gesamte Baugestalt, ein Renaissancebrunnen im Hof und ein auffallend stuckierter Wappensaal. Seit 1944 ist das Schloß eine Ruine. Der amt¬ liche Bericht vom 8. 6. 1944 lautet: „Durch den Turmeinsturz wurde die Nord¬ West-Ecke des Hauptgebäudes weggerissen und die Außenwände der Verbindungs¬ zimmer zwischen großem Saal und Turm bis zum ersten Stock zum Absturz ge¬ bracht. Die anschließende Westmauer hat sich ebenfalls bis auf 5 cm vom Gebäude losgerissen. Nächstgefährdet erscheint die Süd-Ost-Ecke, wo ein Einsturz ebenfalls im Bereiche der Möglichkeit steht.“ Wie konnte es zu diesem Unglück kommen? Wie ist es überhaupt im Zeitalter der öffentlichen Denkmalpflege erklärlich? Eine Pol¬ heimerburg verfallen! Schon im Jahre 1929 kamen die ersten mahnenden Rufe treuer Heimat freunde nach Linz. Eine amtliche Begehung konnte aber nur mehr feststellen, daß wenig Hoffnung auf Rettung des Schlosses bestünde, daß starke Bauschäden, Risse im Mauerwerk und völlige Durchlöcherung des Daches einen Wiederherstellungs¬ betrag von mindestens 100.000 S bedingen würden. Diese Summe stand zu den Mitteln, die damals die Denkmalpflege zur Verfügung hatte, in keinem Verhält¬ nis. Nicht einmal bauzeichnerische und lichtbildnerische Aufnahmen konnten erreicht werden. Wenige Jahre später, 1935, war das Schloß vollends ein zerbröckelnder, sterbender Körper. Herrenlos lag es einer wilden Plünderung preisgegeben. Archiv und Bibliothek, Säle und Kapelle standen Wetterunbilden und unverständigen Sammlern von „Reiseandenken“ offen. Der neue Besitzer, der in Innsbruck einem kargen Broterwerb nachgehen mußte, gab die Zustimmung zum Abverkauf von Türstöcken und Türrahmen an einen Antiquitätenhändler. Der Erhaltungswille konnte sich allein auf die Wappensteine im Hof, auf den Renaissancebrunnen, auf den Wappensaal und die Archivreste beschränken. Der Plan des Malers Aloys Walch, in dem alten Gemäuer eine Sommerschule für christliche Kunst zu errichten, war zum Scheitern verurteilt. Grundlegender Wandel hätte nur durch die Über¬ gabe des Schlosses an einen geldkräftigen Mäzen geschaffen werden können. So wurde auch an den Industriellen Hatschek als Käufer gedacht, ohne daß dieser Gedanke verwirklicht wurde. Erwin Hainisch schlug die Vermietung an das Militär¬ árar vor, das im Talkessel beim Schloß einen vorzüglichen Schießplatz zur Ver¬ fügung gefunden hätte. Anders und neu wurde die Lage, als das Gut 1936 einen Besitzer erhielt, der sich wieder fester um die Wirtschaft kümmern wollte. Von Anfang erklärte er aber, daß er an eine Erneuerung des Schlosses nur dächte, wenn Bund und Gemeinde 5) F. Sekker, Burgen und Schlösser, Städte und Klöster Oberösterreichs (Linz 1925), S. 256 ff. 299

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