OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Wutzel: Oberösterreichs Denkmalpflege in der Krise der Zeit Oberösterreichs Denkmalpflege in der Krise der Zeit Von Dr. Otto Wutzel (Linz) Kunst, das ist ein heiliger Hain im Leben der Völker. Geist und Seele der Zeiten offenbaren sich in ihr. Der Künstler schafft sein Werk aus sich als Einzelner und als Sprecher einer Gemeinschaft. Seine Mitbrüder prüfen es, verdammen es oder schließen ihr Herz dafür auf. Spätere Geschlechter nehmen die Verpflichtung auf sich, das für gültig empfundene Kunstwerk als Erbe und Vermächtnis zu erhalten. Liegt diese ewige Wechselwirkung von Geben, Nehmen und Erhalten bei Dichtkunst und Musik mehr im Geistigen, so treten die Bildenden Künste offen zu Tage. Bauwerke, Plastiken und Gemälde sprechen zum Auge, formen das sichtbare Antlitz einer Landschaft mit. Für das öffentliche Leben sind sie deshalb von besonderer Bedeutung. Staats- und Volksinteresse greifen mit voller Berechtigung und natürlichem inneren Antrieb in ihre Bereiche ein. Von der Antike an gab es so neben der schaffenden Ausübung der Kunst immer eine Pflege ihrer Werke, eine Denkmalpflege. Es ließe sich eine geschichts¬ philosophische Abhandlung über die geistige Entwicklung des Abendlandes er¬ denken, wollte man die allmähliche Ausbildung dieses Begriffes in allen Einzel¬ heiten verfolgen. Nur so viel sei hier festgestellt: Bis in das 19. Jahrhundert stand die Bildende Kunst über der Denkmalpflege, ihre inneren Gesetze gaben den Ton an, der Künstler zerschlug Altes ungestraft, wenn es sein Genius forderte. Seit ungefähr hundert Jahren sind aber „Kunstwert“ und „Denkmalwert“ gleich¬ berechtigt. Die Frage nach den Gründen führt zu unerschöpflichen Erörterungen. Vielleicht liegt der Schlüssel in dem Schlagwort „Historismus“. Das historische Denken hat tatsächlich im vorigen Jahrhundert einen einmaligen Höhepunkt er¬ klommen. Doch dürfte Sedlmayr in seinem bedeutenden Buch „Verlust der Mitte" einen besseren Weg der Erklärung weisen, wenn er vorführt, wie heute die großen Aufgaben der Kunst verloren gegangen sind, wie nichts Großes geschaffen werden kann, da immer noch ein neuer Inhalt fehlt, der die Menschen bewegen könnte. Wo das Neue versagt, muß wenigstens das Alte erhalten bleiben, um die Welt nicht ganz verarmen zu lassen. In glänzender Darstellung hat um die Jahrhundertwende der Linzer Kunst¬ historiker Alois Riegl die Entwicklungslinie der Denkmalpflege gezeichnet*) *) Diese Arbeit fußt im wesentlichen auf wertvollen schriftlichen Anregungen, die Herr Dr. Erwin Hainisch dem Verfasser in einem Brief vom 8. Juni 1948 mitteilte. Es sei ihm dafür an dieser Stelle herzlich gedankt. Das Bundesdenkmalamt Linz stellte bereitwilligst alle gewünschten Amtsakten zur Verfügung, wofür Herrn Dr. Franz Juraschek ebenfalls der beste Dank ausgesprochen sei. Die denkmalpflegerischen Angaben im Text sind durchwegs diesen Aklen entnommen, die man nach Ortschaften gegliedert auffinden kann. *) A. Riegl, Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung (Wien 1903). Diese vorzügliche Abhandlung hat dem Verfasser dieses Aufsatzes wertvolle Kenntnisse vermittelt. 297

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