OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Bausteine zur Heimatkunde der Zeit angefressen waren, wurden sie lebendiger. Ist man auf eine Station ge¬ kommen, so waren gerade diese die ersten, die in der Blauen Hahnengasse in Pest das Schusterwasser reichlich genossen oder in Preßburg den Zuckermantel frequen¬ tierten. Viele waren verheiratet. Wenn sie heimkamen, haben sie ihren Weiber ungarisches Mehl und Seife mitgebracht, aber oft brachten sie auch sonst noch etwas mit und der Bader mußte sie kurieren. Die Weiber stellten sich zwar zu¬ frieden, weil sie etwas bekommen hatten, wiesen aber doch darauf hin, daß sie schon acht Wochen keinen Mann hätten und vielleicht noch weitere acht Wochen ohne Mann bleiben müßten und jede hat dann ein Gelübde gemacht und eine Wallfahrt angetreten. Unser Schiffzug hatte eine Bespannung von 60 Pferden. An ihrer Spitze stand der Vorreiter. Er hatte die Seitenarme und die Stellen, wo die Pferde ins Wasser kamen, zu untersuchen und alles zu veranlassen, was notwendig war, da¬ mit kein Pferd falle oder ins Wasser gezogen werde, hatte Leute und Pferde zur Tätigkeit anzuhalten, das Schlichtreiten und das Happlahaben zu leiten und alles am Land zu dirigieren. Er selbst war nie eingeschlagen, saß den ganzen Tag auf seiner Mähre, ritt beständig hin und her, schrie in einem fort, bis er abends ganz kriegli (heiser) war. Der Voraufreiter war der erste nach dem Vorreiter. Wenn dieser abwesend war, was häufig der Fall gewesen ist, so hatte der Voraufreiter die Aufsicht statt des Vorreiters. Der Marstaller hatte in der Mitte der Zugpferde die Aufsicht. Der Hundseilreiter war 5 bis 6 Pferde vor dem Afterreiter. Er hatte nach dem Ausschlagen die Zwiesel zu den Zugpferden zu streifen, daher der verächt¬ liche Name. Der Afterreiter hatte ebenfalls die Aufsicht über die Tätigkeit und Sicherheit der Pferde und der Leute, wie der Vorreiter selber. Er ließ sich oft ausschlagen und ritt den müßigen Pferden und Leuten zu und hieb mit der Peitsche auf sie ein. Er stand an der Spitze der Aufstricker. Das waren 5 bis 6 Pferde, je nach der Größe des Zugs. Bei unserem Zug waren es drei Paare. Der Zweck der Auf¬ stricker war, den Buesen vor dem ersten Zillenführer derart aufzureiten, daß er stets an der Oberfläche des Wassers blieb. Wenn das Gros der Schiffreiter einen kleinen Seitenarm übersetzte und die Zwiesel ohne Zugkraft mitstreifte, mußten die Aufstricker den ganzen Schiffzug eine kleine Strecke ziehen, bis das Gros wie¬ der zum Zug kam. Im Notfall mußten die Aufstricker auch Schlichtreiten vor¬ nehmen. Sie waren nicht in die Zwiesel eingebunden, sondern eine Seillänge hinter dem Zwieselring in den Buesen aufgeklampft. Die Pferde und die Leute wurden im Auftrag des Schiffmeisters durch den bestellten Vorreiter bei Bauern für die Reisestrecke und die Reisedauer gemietet; dabei wurde der Lohn für den Mann und das Roß, der Stuckerlohn, vereinbart. Stand ein Pferd um oder ertrank es, so bekam der Bauer keinen Schadenersatz, das ging auf seine Gefahr. 10* 147

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