OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Bauer: Dr. Ignaz Zibermayr Forderungen zu genügen, die man an die Bewerber stellte. Die Art, wie dort Paláographie gelehrt wurde, hatte ihn sogar etwas enttäuscht. Da war Traube der Spezialist, dessen Lebenswerk sich fast ganz in Schriftenkunde erschöpfte, schon einen Schritt weiter. In der Person Engelbert Mühlbachers, des Direktors des Instituts, wölbte sich für Zibermayr auch insofern eine natürliche Brücke zum Institut, als jener aus dem Stifte St. Florian hevorgegangen war. Hier wurde jedoch in gleichem Maße Oswald Redlich sein Lehrer, ebenso Alfons Dopsch, in einem gewissen Abstande von diesen Franz Wickhoff. Die feinere Kritik an Geschichtsquellen, be¬ sonders an jenen urkundlichen Charakters, die in diesen Räumen gepflegt wurden, bedeutete für den jungen Studenten erst die richtige Schau in die Technik der Forschung. Darüber hinaus wirkte sich das engere Zusammensein mit gleich¬ altrigen und gleichstrebenden Kameraden günstig aus. Friedlich saßen da An¬ gehörige verschiedener österreichischer Nationen nebeneinander und spannen zum Teil auch für das fernere Leben Fäden persönlicher Beziehungen über die ganze Monarchie. Zibermayr hat dann später manches Mal bedauert, daß ihm das Institut für den Handgebrauch des Archivbeamten verhältnismäßig wenig mit auf den Weg gegeben hat. Dazu bestand in jener Zeit, in der der Studienplan noch nicht einmal die Aktenkunde aufwies, einige Berechtigung. Es sah in der Tat so aus, als ob man nur künftige Mitarbeiter der Monumenta Germaniae heranzüchten hätte wollen. Muß man diesen Mangel zugeben, so darf man nicht den Vorteil übersehen, der für die österreichischen Archivare daraus erwuchs, daß sie allesamt eine einheit¬ liche Ausbildung genossen und daß sich auf dieser Grundlage ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelte, das sie wider Eingriffe von Verwaltungsjuristen widerstandsfähig machte und sie davor bewahrte, daß Beamte, mit denen man sonst nichts anzufangen wußte, ins Archiv gesteckt wurden. Von diesem Vorteil hat gerade Zibermayr, wie ich zu wissen glaube, ausgiebig Gebrauch gemacht. Wer mit Archivaren des Deutschen Reiches verkehrte, konnte immer wieder be¬ obachten, mit welchem Neid sie in dieser Hinsicht auf die Verhältnisse in Öster¬ reich blickten. Der Geist, der im Institut herrschte, nährte die Neigungen Zibermayrs, die vor allem auf Forschertätigkeit abzielten. Die Aussicht, nach der Institutsprüfung ein Stipendium zu erhalten, das ihn zur Mitarbeit am Istituto Austriaco di studii storici verpflichtete und ihm einen mehrmonatigen Aufenthalt in Non ermöglichte, lockte ihn mehr als alles andere. Mit der frohen Hoffnung, das ersehnte Ziel in Kürze zu erreichen, legte er im Juli 1903 die Prüfung ab. Da ereignete sich etwas, das in der österreichischen Archivgeschichte vermutlich einzig dastehen dürfte. Das Zeugnis war noch kaum ausgefertigt, die Tinte daran noch kaum trocken, da wurde Zibermayr der Antrag gestellt, die Leitung des Ober¬ österreichischen Landesarchivs zu übernehmen. Nicht minder sonderbar war es nun, daß der eben erst fünfundzwanzig Jahre alt gewordene Absolvent des Instituts 131

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