OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Sighartner: Vom heimatlichen Bauen Wenn ich trotzdem in obigem Sinne zu den in Rede stehenden Fragen Stellung nehme, so geschieht dies auf Grund einer langjährigen Erfahrung in der Überzeugung, daß der technische Fortschritt nur dann seinen größten Allgemeinnutzen erbringen kann, wenn er nicht allein einem rein materiellen Zwecke zu dienen hat, sondern wenn er zugleich in umfassender Weise und auf weite Sicht jene Erfordernisse berücksichtigt, die, mögen sie ästhetischer, biologischer, sozialer oder was immer für einer Art sein, nun einmal Berücksichtigung finden müssen, um im Sinne des Allgemeinwohles jenen Gleichgewichtszustand herbeizuführen und zu erhalten, der auf die Dauer eine einseitige Störung nicht verträgt und sie, soferne sie ihm aufgezwungen wird, auf die eine oder die andere Art aus sich heraus rächt und beseitigt. Ich bin überzeugt, daß wir Techniker in dieser Hinsicht noch so manches zu lernen haben und daß der Unterricht an den technischen Schulen, nicht zuletzt auch an den Hoch¬ schulen, in weiterem Maße als bisher den Schülern und Hörern ein umfassendes Wissen um die Natur und um die Erkenntnis der Zusammenhänge ihrer Erscheinungsformen und des Ab¬ laufes ihrer Geschehnisse zu vermitteln haben wird. Die Vermittlung dieser Erkenntnis wird aber auch die Begriffe der Bodengebundenheit und des Landschaftsschutzes im Zusammenhang mit den Fragen der Baugestaltung zu umfassen haben. Bauästhetik und Ingenieurbiologie werden hier einen Kernpunkt zu bilden haben, um die Zusammenhänge im großen überblicken zu helfen und um den jungen Techniker vor einseitiger Überschätzung der rein technischen Zweckbestimmung seines künftigen Wirkens zu bewahren. Es würden solcherart Wege in die Zukunft unseres Bau¬ schaffens bereitet werden, die unter Vermeidung so mancher Auswüchse und Fehler der Ver¬ gangenheit das allseits zu erstrebende Ziel, den Wiederaufbau und die Gesundung unserer Lebens¬ grundlagen, besser und sicherer erreichen ließen, als so manche Irrwege und Umwege der Ver gangenheit Das Amt der o.-ö. Landesregierung, Abteilung Landesbaudirektion, bereitet unter maß geblicher Mitarbeit freischaffender Baukünstler und sonstiger beteiligter Kreise die Herausgabe einer oberösterreichischen Baufibel vor, um mit ihrer Hilfe dort, wo es nötig ist, das Gefühl und Verständnis für die bodenständige, landschaftsgebundene heimische Bauweise wieder zu er¬ wecken, zu fördern und zu vertiefen. Diese Baufibel soll nicht nur den Bauschaffenden ein will¬ kommener beruflicher Behelf, sondern weit darüber hinaus allen beteiligten Kreisen ein Hilfs¬ mittel sein, sich mit den einschlägigen Gedankengängen vertraut zu machen. In diesem Sinne können auch die Schulen in Stadt und Land für die heranwachsenden Generationen verdienstvoll wirken und dazu beitragen, die durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit gelockerte Ver¬ wurzelung unserer Bevölkerung in unserem Heimatboden wieder zu festigen. Die oben behandelten Begriffe des bodenständigen, landschaftsgebundenen heimatlichen Bauens fallen unter den Sammelbegriff des Heimatschutzes im weiteren Sinn des Wortes. Der Gedanke des Heimatschutzes fand um die Jahrhundertwende als Gegengewicht gegen die mitunter hemmungslosen Auswüchse der damaligen Baukonjunktur erstmals eine allgemeinere Be¬ achtung. Die rasche technische Entwicklung in Verbindung mit günstigen wirtschaftlichen Verhält¬ nissen der vorangegangenen Zeit gab damals den Anlaß zu einer erhöhten Bautätigkeit, die, nach rein materiellen Gesichtspunkten durchgeführt, alles Gefühlsmäßige beiseite schob, auf den Land¬ schaftsschutz keine Rücksicht nahm und auch viele alte, schöne und ehrwürdige Baudenkmäler dem alles beherrschenden Fortschritte zum Opfer brachte. Der gegenwärtig bevorstehende Wiederauf¬ bau wird zwangsläufig erneut eine außergewöhnliche Steigerung unserer Bautätigkeit auslösen. In dieser Hinsicht liegen ähnliche Verhältnisse vor, wie vor der Jahrhundertwende. Der Gedanke des Heimatschutzes hat aber inzwischen beträchtlich an Boden gewonnen; er muß uns helfen, die früher begangenen Fehler zu vermeiden und die bevorstehende Bautätigkeit vor Auswüchsen zu bewahren, die mit ihm unvereinbar wären. Jene besinnliche Einkehr, von der eingangs die Rede war, wird den Heimatschutzgedanken stärken und verallgemeinern und dadurch wegweisend wirken; sie bietet die Gewähr, im kommenden Bauschaffen dem Verstand und dem Gefühl zu ihrem Rechte zu verhelfen. 85

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