OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Sighartner: Vom heimatlichen Bauen schaftsformen heraus scheinbar unrentable immaterielle Belange vernachlässigen zu können ver¬ meint. Der kühl rechnende Verstand besiegte und überwucherte alles, was nicht in Erfolgszahlen auszudrücken war; die Rücksichtnahme auf alle ethischen Werte, auf alles, was lediglich mit dem Gefühl und dem Gemüt zusammenhing, entfiel. Alte Erfahrungen wurden als durch die neue technische Entwicklung überholt erachtet und ohne Bedenken beiseite geschoben, wenn dies im Interesse der Nationalität der Wirtschaft und ihrer Ertragssteigerung gelegen war. Man er¬ kühnte sich, in das wohlausgewogene Getriebe der Natur mit neuen technischen Methoden einzu¬ greifen und vergaß hiebei, daß die Naturgesetze ewig sind. Gewiß, gerade jetzt, im Zustande unseres Wiederaufbaues sollen wir unseren Blick nicht allzusehr in die Vergangenheit, sondern nach vorwärts, in die Zukunft, richten. Dies hat aber nicht zu besagen, daß wir das Gesunde in unserer bisherigen Entwicklung verleugnen, daß wir auf allzeit gültige Erfahrungen verzichten und neues Lehrgeld zahlen sollen, um zu ihnen auf Umwegen wieder zurückzufinden. Es wird unserem Aufbau nur zum Vorteile gereichen, wenn wir diese Erfahrungen auch weiterhin in Anpassung an die neuen Gegebenheiten für unsere Zukunft verwerten. Vor allem führen sie uns aber zur Erkenntnis, daß die Verfolgung eines nur durch eine rein materielle Geisteshaltung vorgezeichneten Weges auch auf technischem Gebiete nicht zum großen Ziele des Allgemeinwohles führt, sondern daß in Hinkunft wieder ein goldener Mittelweg zu beschreiten sein wird, der als Synthese aus der technisch-wirtschaftlichen Berechnung und den jeweiligen, nicht minder lebenswichtigen Erfordernissen immateriell-ethischer Art auch unseren geistig-kulturellen Bedürfnissen Rechnung trägt. Die Möglichkeit hiezu wird durch das Bauschaffen früherer Epochen bewiesen. Der Techniker, der das Allgemeinwohl nicht aus den Augen verliert und seine fachliche Arbeit ihm einordnet, wird sich derartigen Gedankengängen nicht verschließen und diesen Mittelweg recht¬ zeitig erkennen und beschreiten. Daß wir Österreicher die Befähigung hiezu besitzen, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Sagt man uns doch eine gewisse künstlerische Begabung nach, der wir auch im Rahmen unseres technischen Schaffens wieder zum Durchbruch verhelfen wollen. Welcher Weg hiebei am besten zum Ziele führt, muß in jedem Einzelfalle entschieden werden. Es können hiefür nur allgemeine Richtlinien aufgezeigt werden. Bei Bauwerken mit vornehmlich linearer Entwicklung, vor allem bei Straßenbauten, Flußregelungen und Bach¬ verbauungen hat sich die Linienführung in großen Zügen dem Geländeverlauf möglichst anzu¬ schmiegen. Das Ideal dieser Lösung, die technisch richtige und zugleich naturnahe, landschafts¬ verbundene Trasse, muß mit Verstand und Gefühl gefunden werden. Sie bietet dann die Gewähr der größten Wirtschaftlichkeit in jeder Beziehung. Es wird daher heute vielfach empfohlen, beim ersten Entwurfe den Linienzug der künftigen Trasse im Geländeplane unter Bedachtnahme auf die landschaftlichen Gegebenheiten freihändig einzuzeichnen, um sodann auf Grund eines derartigen Vorentwurfes den genaueren Linienverlauf im üblichen Wege fest¬ zulegen. Man kann sich der Zweckmäßigkeit dieses Vorschlages kaum verschließen, umsoweniger, als er mit keiner zeitraubenden oder kostspieligen Mehrarbeit verbunden ist und als sich die starren, geometrisch konstruierten Trassenführungen weder im Straßenbau, noch im Wasserbau als richtig erwiesen haben. Bei Flußregulierungen und Bachverbauungen hat man mit einer allzu¬ weitgehenden, zwangsweisen Streckung und Begradigung des ursprünglich geschlängelten Gerinne¬ verlaufes vielfach schlimme Erfahrungen gemacht und auch im Straßenbau geht man von den noch vor einiger Zeit als ideal angesehenen langen Geraden und erkünstelten Kurven wieder ab, sucht Straßen so zu führen, daß schöne Ausblicke gewonnen oder landschaftlich wertvolle Naturobjekte, schöne Baumgruppen, sehenswerte Felspartien u. dgl., geschont und erhalten bleiben. Neben dem ästhetischen Gewinn erbringt dies übrigens über den Fremdenverkehr einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Ertrag. Auch auf die Notwendigkeit der richtigen Standortwahl für besondere bauliche An¬ lagen muß hingewiesen werden. Es wird die Aufgabe der Landesplanung und der Ortsplanungen sein, hier ordnend einzugreifen. Der Gedanke an den Schutz des Landschaftsbildes hat hiebei stets richtunggebend zu sein. Er leitet über zu dem in Hinkunft

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