OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Heimatpflege Das Heimathaus der Stadt Steyr nach seiner Wiederherstellung Von Dr. Adolf Mutter (Linz) Es wird wohl wenige Heimathäuser geben, als deren Anreger, ja Begründer eine Frau be¬ zeichnet werden muß. In Steyr gab es bis zum vorletzten Jahrzehnt des vergangenen Jahr¬ hunderts noch keine öffentliche Sammlung. Da stand Frau Marianne Kautsch auf, durchstöberte nicht nur alle Winkel der Stadt, sondern durchwanderte die Nähe und Ferne des Landgürtels um Steyr mit rastlosem, ja fanatischem Eifer und das Sammelergebnis ihres Lebens bildete den Grundstock des heutigen Bestandes des Museums. Das sei dieser Frau zur Ehre gesagt, es ist zugleich bezeichnend für den Inhalt und die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage der Gegen¬ stände dieses Heimatmuseums. Marianne Kautsch holte ihre Schätze nicht aus der Türkei, sie ging auch nicht daran, um jeden Preis, etwa im Tauschweg mit heimatlicher Kunst, irgend ein auslän¬ disches Kuriosum einzuhandeln. Sie blieb in der Heimat und sammelte mit Liebe die alten Kunst¬ schätze der Heimat. Es ist daher das meiste, was im Steyrer Heimathaus beisammensteht, wirklich heimatliches Ahnengut der Menschen, die hier wohnten und lebten. Es ist Ausdruck der reichen, schönheitskundigen Seele unseres Volkes. Marianne Kautsch sammelte aber nicht nach bestimmten Grundsätzen, sondern nahm, was ihr schön und alt dünkte. Dies erklärt die Systemlosigkeit des Sammelbestandes und die Menge wenig wertvoller und bezeichnender Kunstgegenstände. Marianne Kautsch war weder Künstlerin noch geprüfte Kunstwissende. Erst die Zeit und späteres Sammeln haben langsam manche Lücke geschlossen und aus dem Ganzen eine Einheit zu schaffen versucht. Am 15. September 1887 hatte Marianne Kautsch mit der Gründung der „Gesellschaft der Alterstumfreunde in Steyr“ den ersten entscheidenden Schritt getan. Was sie sammelte, wurde in einer Schule untergebracht; 1895 nahm die Stadt Steyr die Schätze in ihren Schutz. Der erste Kustos war Direktor Gustav Ritzinger. 1900 übernahm Jakob Kautsch, der Gatte Mariannens, die Kustosstelle. Die Sammlung war inzwischen ins Rathaus verlegt worden, wanderte dann in die Industriehalle und bekam endlich 1913 ihr jetziges Heim im Innerberger-Stadel. 1919 starb Marianne Kautsch, 1920 ihr Gatte. Als dritter Kustos wirkte von da bis zu seinem Tode 1927 Karl Buchta. Dann übernahm der Sattler Kainz die Kustosstelle. Nach ihm (während des Krieges) blieben die Sammelgegenstände ohne Betreuung. Nun ist das Heimathaus der Stadt Steyr verjüngt wieder erstanden. Eine lose Form der Aufstellung wurde gewählt. Kein Gegenstand bedrängt den Nachbarn. Ruhig und unbeirrt kann sich das Auge von einem Kunstgebilde loslösen und dem andern sich zuwenden und auch ein großer, überschauender Blick verwirrt nicht den Besucher. Mag einer bei dieser gelockerten Form der Aufstellung eine Leere empfinden, die Achtung vor dem einzelnen Kunstobjekt gebietet eine solche Ordnung. Jeder Gegenstand soll allein vor die Seele des Schauenden treten, und nicht hinter ihm oder neben ihm der nächste um die Aufmerksamkeit des Besuchers buhlen. Freilich könnte man mit dem Depotbestand des Hauses fast ein zweites Museum füllen. Aber der Raum ist gegeben und nicht zu erweitern. Es ist der alte, 1612 erbaute, ehemalige Getreidespeicher der einstmals mächtigen Innerberger Hauptgewerkschaft, der sogenannte Inner¬ berger Stadel, der an dem kleinen alten Plätzchen „am Grünmarkt“ steht, einem der ganz wenigen Plätze, die heute genau so aussehen wie in alter Zeit. Im Erdgeschoß des Speichers liegt die langgestreckte, gemauerte Eingangshalle. Die beiden Haupträume, der erste und der zweite Stock, stellen ein gewaltiges Holzgebälk dar. 14 Tragpfeiler, in zwei Reihen gestellt, stützen die Holzdecke, wodurch in jedem Stockwerk eine dreischiffige Halle entsteht. Diese bis in den äußersten Winkel übersichtlichen Hallen sprechen besonders gut zusammen mit den Gegen¬ ständen rein volkskundlicher Art, ebenso mit dem Eisen. Die Schaugegenstände der Steyrer Stadtkultur fühlen sich von diesem mächtigen Holzgebälk allerdings zu stark umklammert. 72

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