OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Lebensbilder wechselnden Wirkungsstätten auch die Wohnsitze änderten. Die Tatsache, daß Graf Chorinsky am 18. Oktober 1838 zu Linz geboren wurde, knüpft nur einen äußerlichen Faden zwischen seiner Person und dem Lande ob der Enns. Die wissenschaftliche Arbeit des Mannes hat diesen Faden zum breiten Band werden lassen. Der Lebenslauf des Grafen kann in drei Abschnitten betrachtet werden, wobei die Kind¬ heit unberührt bleibt. Dem Studenten gab der lebendige Geist der Wiener Universität nach 1848 die ersten Anregungen. Der junge Beamte begann seine Laufbahn zunächst im Justizdienst der Reichshauptstadt. Er trug eine denkbar ernste und weit aufgeschlossene Berufsgesinnung. Jede interessante Rechtsfrage wurde sofort nach ihren Wurzeln und Verzweigungen untersucht. Von selbst mußte er so auf den Weg der fachwissenschaftlichen Schriftstellerei gelangen. Es entstanden Arbeiten über den Wucher in Österreich, über das Institut der Verlassenschafts-Abhandlung, das Vormundschaftsrecht Niederösterreichs im 16. Jahrhundert und über den Exekutivprozeß. In ihnen verbanden sich bereits modernrechtliche Fragen mit rechtsgeschichtlicher Forschungsmethode. Graf Chorinsky öffnete sich auf diese Weise selbständig den Zugang zum Codex Austriacus und den damals tatsächlich noch verstaubten Handschriften des niederösterreichischen Landesarchivs. Völlig auf sich gestellt begann der Jurist die hohe Bedeutung der historischen Arbeitsmethodik zu be greifen und faßte damals schon den Entschluß, der sein Leben bestimmen sollte, an der öster¬ reichischen Rechtsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts zu arbeiten. Diese wissenschaftliche und berufliche Vorbereitungszeit, der erste Lebensabschnitt, wurde 1880 durch die verantwortungsreiche Tätigkeit eines Landeshauptmannes von Salzburg abgelöst. Ein Jahrzehnt stand Graf Chorinsky in dieser Stellung. Die ihm eigene Genauigkeit des Ar¬ beitens zeichnete auch sein verwaltungsrechtliches Wirken aus. Reformpläne zum Agrarrecht, den Fischereirechten und zum Gewerbewesen des Bischofslandes wurden von ihm erwogen und die Untersuchungen dazu bis in das 16. Jahrhundert zurückgeleitet. Im Jahre 1890 erfolgte die Rückkehr nach Wien mit der Ernennung zum Präsidenten des Wiener Oberlandesgerichtes und der auszeichnenden Berufung zum Mitglied des Herrenhauses Die alte Neigung zu rechtsgeschichtlichen Forschungen konnte in diesem dritten Lebensabschnitt reifen. Ihr sichtbares Ergebnis und bedeutsames Erbe sind die zahlreichen Bände der Samm¬ lung Chorinský. Wie entstand dieses Werk, welcher Inhalt ist in ihm, welche Ansichten darüber blieben uns von Graf Chorinsky selbst überliefert und welche Bedeutung hat es für Oberösterreich? Dr. Theodor Motloch, der wichtigste Mitarbeiter des Grafen, gibt in klarer Formulierung die wissenschaftlichen Motive in dem Nachruf bekannt, den er 1898 dem Toten widmete. Er spricht darin aus, daß die Forschungsarbeit Chorinskys in seinem Berufsethos wurzelte. Das moderne Recht sollte in seiner Rechtsentwicklung begriffen werden, um rechtsschöpferisch in die Zukunft weisen zu können. Alles Arbeiten entsprang der Überzeugung, daß „die lebendige Er¬ fassung des Rechtes ohne genaue Kenntnis seiner historischen Entwicklung nicht zu erreichen sei" (Nachruf S. 11). Alle modernrechtlichen Wurzeln wurden im 16. und 17. Jahrhundert gefunden, die beide damals wie heute rechtsgeschichtlich eine terra incognita waren. So wuchs das Wunsch¬ bild nach einer österreichischen Rechtsgeschichte dieser Zeit. Ein hohes Ziel! Höher aber noch die wissenschaftliche Folgerichtigkeit des Denkens, die auf alle Augenblickserfolge verzichtete und den bescheidenen Weg des Quellensammelns beschritt, um für die zukünftige schöne Straße erst ein¬ mal das gediegene Baumaterial herbeizuschaffen. Die Methodik dieses Sammelns muß wieder als sehr klug bezeichnet werden. Sie schrieb Beschränkung auf das enge landschaftliche Gebiet der Erzherzogtümer Österreich ob und unter der Enns vor, schlug ihre Schreibstube im niederöster¬ reichischen Landesarchiv auf und wies auf die oberösterreichischen Archivbestände hin. Heute er¬ scheinen alle diese Entschlüsse als Selbstverständlichkeiten, damals waren sie eigenständige Gedanken. Um seinen Plan ausführen zu können, zog Graf Chorinsky einen größeren Kreis junger Juristen an sich, die er zur entsagungsvollen Arbeit des Sammelns anzueifern verstand, denen er, wie Dr. Motloch selbst erzählt, etwas von seiner Begeisterung übertragen konnte. Aus einer Fülle von Quellenmaterial, nach Durcharbeitung einer Handschriftensammlung des niederöster¬

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