OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter unsere heutige Denkwelt, sich langsam und mühsam durch das Dickicht der Irrungen durchschlagend. Gehen wir nun über zu den wissenschaftlichen Erklärungs¬ versuchen. Um den Einsatz der Eiszeitforschung in Oberösterreich würdigen zu können, müssen wir weiter zurückgreifen und ihren Anfängen in der Schweiz nach¬ gehen. Großes Kopfzerbrechen verursachten seit je die großen Blöcke, die ganz fremd im Gelände liegen. Volkssagen bringen sie meist mit dem Wirken des Teufels in Verbindung. Als die Wissenschaft sich mit ihnen befaßte, mußte die Sintflut her halten. Die Sintflut (lat. Diluvium = große Flut) habe diese sogenannten erratischen Blöcke (Irrblöcke, Findlinge) von den Gebirgen ins Vorland gespült und dabei die mächtigen Talschotter aufgeschüttet. Der Altmeister der Geologie, Leopold von Buch, der u. a. auch Oberösterreich erforschte und dem zu Ehren im Pechgraben bei Großraming ein Denkmal errichtet wurde3), trat 1811 sehr wirk sam für den Gedanken ein, daß auch in unseren Alpen die Flut das fremde Ge¬ steinsmaterial verschwemmte. Noch 1857 schrieb Schönnamsgruber eine Arbeit „Über die Diluvialfluthen des Salzachgebietes“, in der u. a. die heute als Moränen aufgefaßten Hügel als eine Anschwemmung großer Wasserfluten, die aus den Alpen kamen, erklärt werden. Er verwahrt sich ausdrücklich gegen eine Vergletscherung. Anhangsweise sei erwähnt, daß auch noch vor einigen Jahr¬ zehnten einige verspätete Nachläufer sich mit diesen überholten Gedanken abgaben. Heute kann man mit Sicherheit sagen, daß diese Ansichten eine große Irrlehre waren. Die Akten hierüber sind längst geschlossen. Inzwischen keimte in aller Stille eine neue Ansicht heran, zunächst in der Schweiz*). 1786 beschreibt der helvetische Minister Bernhard Friedrich Kuhn Moränen, verfolgt sie weit über das heutige Gletschergebiet hinaus und schließt daraus als erster auf eine frühere, ungewöhnlich große Ausdehnung der Gletscher Aber seine Ansichten waren so unerhört neu, daß sie völlig unbeachtet blieben. Die Zeit war eben noch nicht reif hiefür. Ebenso erging es auch dem schottischen Geo¬ logen Playfair. Er kam 1802 von Kuhn unabhängig ebenfalls zur Erkennt¬ nis, daß die Findlinge des Schweizer Jura von ehemaligen ungeheuren Gletschern dorthin gebracht worden seien. Auch er blieb ungehört. 3) Bericht vom 31. Juli 1858, Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt, Verhandlungen Ig 9 (Wien 1858) S. 107; F. Schmid, Die bedeutendsten Naturdenkmäler Österreichs, Natur und Heimat Ig 1 (Linz 1947) S. 3. *) Schrifttum zur allgemeinen Geschichte der Eiszeitforschung: A. Böhm von Böhmersheim, Geschichte der Moränenkunde, Abhandlungen der geographischen Gesellschaft in Wien Bd 3 Nr 4 (Wien 1901); W. Flaig, Das Gletscherbuch (Leipzig 1938); W. Flaig, 100 Jahre Gletscherkunde, Der Naturforscher Ig 14 (Berlin 1937/38) S. 269; A. Heim, Handbuch der Gletscherkunde (Stutt¬ gart 1885); Hummel, Geschichte der Geologie, Sammlung Göschen 899 (Berlin 1925); O. Maull, Geomorphologie (Leipzig und Wien 1938); A. Penck, Die Vergletscherung der Deutschen Alpen ihre Ursachen, ihre periodische Wiederkehr und ihr Einfluß auf die Bodengestaltung (Leipzig 1882); A. Penck-E. Brückner, Die Alpen im Eiszeitalter Bd 1 (Leipzig 1909); A. v. Zittel, Geschichte der Geologie und Paläontologie bis Ende des 19. Jahrhunderts (München 1899).

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