OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 4

Lebensbilder reich, überreich an Arbeit war". Eine ungewöhnlich große Landarztpraxis, der Aufbau einer wirtschaftlichen und sozialen Organisation der Arzte eines ganzen Landes, eine Fülle von Reisen, eine rege schriftstellerische Tätigkeit, beachtenswerte kunstgeschichtliche Arbeiten, wertvolle wissen¬ schaftliche Arbeitsleistungen auf dem Gebiete der Numismatik, die durch Verleihung der F. Wieser¬ Medaille seitens des Tiroler Landesmuseums ausgezeichnet wurden. Aber vor allem war Reh ein guter Mensch, der immer freundlich und hilfsbereit war. Das wird ihm seine Sanitätsgemeinde Neukirchen, in der seine Person fast zu einem Mythos geworden ist, das werden ihm das Innviertel und das Land Oberösterreich nie vergessen. Dr. Heinrich Fichtenau Unter den Preisträgern der vom Lande Oberösterreich anläßlich der 950-Jahrfeier des Namens Österreich gestifteten Förderung kultureller Leistungen befindet sich auch der junge Historiker Universitätsdozent Dr. Heinrich Fichtenau. Als Sohn des Zollbeamten Heinrich Fichtenau und seiner Gattin Maria, geborenen Schachermayr, ist Fichtenau am 10. Dezember 1912 in Linz geboren, besuchte auch die Schulen in der Landeshauptstadt und studierte, nachdem er am Realgymnasium die Reifeprüfung abgelegt hatte, seit 1931 an der Universität Wien Geschichte und Kunstgeschichte. Im Jahre 1933 trat Fichtenau in das Institut für Geschichtsforschung ein und legte zwei Jahre später die Staatsprüfung für den Archiv- und Bibliotheksdienst mit Aus¬ zeichnung ab. Von nun an beschritt er den mühsamen und entsagungsreichen Weg, der fast allen jenen vorgezeichnet ist, die trotz Mangel an Mitteln und besonderen Beziehungen, nur auf Grund ihres Talentes die akademische Laufbahn anstreben. Ein mehr als vierjähriger Militärdienst beraubte Fichtenau wie viele andere der für das wissenschaftliche Arbeiten so wertvollen Zeit. Seine vor Ausbruch des Krieges erschienenen Veröffentlichungen befaßten sich hauptsächlich noch, dem bewährten Forschungskreis der „Wiener Schule“ entsprechend, mit quellenkritischen Fragen. Doch hat Fichtenau hier schon einen Weg beschritten, der, verbunden mit der für die Zeit des Mittelalters besonders schwierigen Erfassung der persönlichen Leistung des einzelnen Menschen, über das rein zergliedernde Verfahren hinaus zu einer Aufhellung der tieferen geistesgeschichtlichen Zusammenhänge führte. Ein Musterbeispiel dafür sind seine Studien über Gerhoh, den Propst unseres einheimischen Klosters Reichersberg. Dieser im 12. Jahrhundert lebende Mönch war eine zu seiner Zeit weit berühmte Leuchte der Gelehrsamkeit und ein leidenschaftlicher Verfechter der alten Volkstheologie gegen die damals neu aufkommende scholastische Methode. Derselbe Mann, den manche als verstiegenen Theoretiker eingeschätzt haben, entfaltete in seinem Hause aber auch durchaus praktische Fähigkeiten durch eine sorgfältige Pflege der in den Urkunden festgehaltenen Rechtsgrundlagen seines Hauses, vornehmlich durch Anlage von Traditionsbüchern und die Führung von Annalen. Die schon in diesen Studien angebahnte, aus einer vertieften Erkenntnis des innerkirchlichen Lebens gewonnene neue Schau des mittelalterlichen Kultur- und Geisteslebens konnte Fichtenau dann in seinem nach dem Kriege erschienenen, ersten größeren Werke über Mensch und Schrift im Mittelalter auf das Gebiet der Paläographie, d. h. der Kunde über das mittelalterliche Schriftwesen, das bisher im wesentlichen nach der von den Naturwissenschaften übernommenen, analytischen Methode behandelt worden war, anwenden. Fichtenau hat die Schrift nicht bloß als ein dem Kunstwerk ähnliches Strukturgebilde, sondern ebenso als eine graphologische Aus¬ drucksform der Schreiberpersönlichkeit zu erfassen gesucht; er konnte dabei enge Beziehungen zur mönchischen, auf Askese eingestellten Lebenshaltung aufdecken und nachweisen, daß der geistliche Reformgeist sich auch in einer Regularisierung der Schrift auswirkt. Hat dieses Buch, das ein nicht immer leichtes, eingehendes Studium erfordert, völlig neue wissenschaftliche Ergebnisse, sowohl auf dem engeren Gebiete der Schriftenkunde, als überhaupt der allgemeinen Kultur- und Geistesgeschichte des Mittelalters gebracht, so verfolgen seine Grundzüge zur Geschichte des Mittelalters, ein Werk, das inzwischen schon einen großen Kreis 355

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2