OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter faltigkeitssäule“ bedeutende Bau- und Kunstwerke des Landes vor unserem Blick gleichsam noch einmal erstehen läßt. Von Spital am Pyhrn aus unternimmt Johannes eine Wanderung auf den Gipfel des „Mittagsberges“, in dem wir nach allen Einzelheiten der von Zerzer gegebenen Schilderung den Großen Priel erkennen dürfen. Als ein „nach links gebogenes Horn, das jetzt aus dem Felsenbogen als ein etwas abgeblaßtes, aber nicht weniger deutlich umschriebenes Schattendreieck hervorstand", zeigt sich der Berg dem Wandernden schon von fern durch das Prismenglas. „Mit dem kreis¬ runden Gesichtsfeld des Fernglases über allerlei Schründe und Scharten des Gesteins hinweggleitend, fand er in wenig Augenblicken den gesuchten Punkt: das Kreuz, das die letzte Höhe des Berges wie überhaupt des ganzen tageweiten Ge¬ birges bezeichnet.“ Als aber Johannes dann am nächsten Morgen nach Über¬ querung eines Schneefeldes und Überwindung einer steilen Schuttrinne den Aus¬ stieg auf das Hochplateau erreicht, entfaltet sich ihm der volle Blick ins „steinige Jenseits“, mit dessen Beschreibung Zerzer die Landschaft des Toten Gebirges im bewußten Gegensatz zu dem nur die Oberfläche der Erscheinungen erfassenden Impressionismus des Alpenmalers Compton als das Ergebnis eines wildbewegten Widerstreites zwischen schaffenden und zerstörenden Urkräften der Natur darstellt. „Was jetzt vor ihm lag, war kaum mehr irdisch zu nennen. Vielmehr erinnerte die etwa sechstausend Schuh über dem Meere kahl und bleich dahinwogende Fläche, aus der urweltliche Bergskelette als einzelne Strünke oder als zusammen¬ hängende, knochige Zäune tageweit hervorbrachen, weit eher an die abgestorbene, von Rillen durchzogene Kruste des Mondes, wie sie sich, durch das Auge des Tele¬ skops belauscht und angerufen, dem nächtlich fröstelnden Astronomen darbietet. So war auch die Tiefe und scharfe Begrenztheit der Schatten gleichsam unorganisch, während das von Zacken zu Zacken in die Ferne gestoßene und fortgerissene Licht der Vergrücken von körniger und dichter Beschaffenheit zu sein schien, als läge es fünf Finger dick auf dem Gestein. Aber diese Schwere der Lichter und Schatten gab dem Bilde keineswegs eine befestigte Ruhe. Vielmehr trat so die ungestüme Kraft nur um so wilder hervor, die mit diesen Licht- und Schattengewichten auf Wogen, Kämmen, Kuppeln und Schroffen ein leichtes und fast frevelhaftes Spiel trieb, das sich in einem tausendfachen Springen, Bersten, Kollern, Hasten, Stürzen entlud, in Flucht und Zusammenprall eherner Schichten, Lagen und Stufen. Aber am Rande der Hochfläche, dort, wo die westlich hinschleifende Arena, gleichsam strauchelnd, für Augenblicke ins Knie brach, erhob sich aus der Scharte das ferne Eisgebirge, das höchste dreier Kron¬ länder, deren Scheide es bildet, umriß mit schwarzem Gestein sein ewiges Eis und triumphierte als harmonisch gedrungener Zusammenklang über den zer¬ flatternden, kreisenden, ewig gefräßigen Dohlenschrei der zu ihm hinausschwärmen¬ den Gesteinswüste. Dem inneren Gang der Handlung, mit der Zerzer darstellt, wie sich in Johannes, dessen Leben sich bisher nur zögernd aufgeschlossen hatte, die Wandlung 244

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