OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Fischer-Colbrie: Die Landschaft Oberösterreichs in Julius Zerzers Dichtungen alten südsteirischen Heimat, seinem Kinderland, in das er gern sommerliche Ein¬ kehr hält, mit manchem schönen Prosastück und neuestens — in der jüngst er¬ schienenen lyrischen Sammlung „Die weite Sicht“ — auch mit manchen Gedichten gehuldigt, deren anmutvoll beschwingte Verse wie vom leichten Wind bewegt er¬ scheinen, der im Türkenweizen fächert und im Weinberg spielt; aber gegenüber dem großen Thema „Oberösterreich“, das Zerzers dichterisches Werk durchzieht, bleibt die Gestaltung südsteirischer Landschaft doch nur ein episodisches Motiv. Abgesehen von den vier historischen Erzählungen, die, unter dem Titel der ersten Erzählung „Die Himmelsrute“ zu einem neuen Buch vereinigt, geradezu klassische Beispiele novellistischer Komposition sind und Zerzers überlegene Meister¬ schaft zeigen, Ergebnisse geschichtlichen Quellenstudiums restlos in die Sprache des Dichters zu übersetzen — abgesehen von diesen historischen Erzählungen und einem Jugendwerk gibt es kein Buch Zerzers, in dem nicht oberösterreichische Land¬ schaft dichterischen Ausdruck findet, sei sie topographisch bestimmt, sei sie ohne solche Bestimmung aus Besonderheiten der Schilderung erkennbar oder sei es schließlich, daß sie durch das Gewebe allgemein gültiger, ortsentbundener Naturbilder noch durchscheint. In das Gebiet des Toten Gebirges führt die Legende „Johannes“, die schon auf der ersten Seite durch ein anschaulich gezeichnetes, geschichtlich fundiertes Ortsbild auf Spital am Pyhrn hinweist: „Das Ziel seiner Bahnfahrt war ein unterhalb eines wichtigen Gebirgsüberganges in engem Tale nahe zusammen¬ gerückter Ort, der zur Zeit, als noch die Straße allein den Verkehr über das Ge¬ birge in das nächste Kronland hinüberzuleiten hatte, dem Reisenden einen wert¬ vollen und ersehnten Stützpunkt bot, zumal im Winter, wo oft meterhoher Schnee dem Vordringen über die Paßstraße Gefahr und Beschwerde in den Weg stellte. So rief denn die Nötigung des Ortes, die das Gefühl für menschliche Schwäche und ihre Hilfsbedürftigkeit auslösen mußte, an dieser Stelle vor etwa einem Jahr¬ tausend ein Kloster hervor, ein Hospiz, in dem willige Mönche sich des Wegmüden annahmen .. .“ Die spätere Beschreibung des Weges, den Johannes vom Bahn¬ hof in den Ort geht, ergänzt das stimmungsvolle Bild noch mit einzelnen Zügen: „Eine dunkelkühle, aus alten Kastanienbäumen gefügte Allee nahm den etwas fröstelnd Dahinschreitenden auf und brachte ihn nach wenigen Schritten in die Mitte des gedrängten Ortes, die, von stattlichen alten Gasthöfen umstanden, sich rechts zur geschweiften Fassade der Klosterkirche feierlich bedeutend auseinander¬ schloß.“ Aber erst die bewegte, den Geist barocker Baukunst im Dichterwort ver¬ lebendigende Schilderung des Kircheninneren gibt dem Bilde Spitals am Pyhrn, wie es Zerzer aus wahrer Wesensschau heraus gestaltet, die letzte, die Seele des dargestellten Ortes offenbarende Vollendung. Diese großartige Schilderung, die das Licht des Himmels in den Rhythmus des Bauwerkes einschwingen läßt, mutet wie ein bedeutsamer Vorklang zu jenen kunstvollen Versgebilden an, mit denen Zerzer, wie etwa mit den Gedichten „Die Marienkirche“, „Das Kirchengitter“, „Das Varock-Münster“, „Der astronomische Turm", „Barock-Altar“ oder „Die Drei¬ 243

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2