OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter liche Reiter und zwei Wagen mit einer Fracht im Werte von 1000 Gulden ab. In dieser Nacht belagerte der König auch das Schloß Ebersdorf, das er die ganze Nacht beschießen ließ, so daß es am Mittag des 18. März von der Witwe des Veit von Ebersdorf übergeben werden mußte. In der ersten Stunde am Morgen des 2. April kam unverhofft der Bürgermeister, vom Feinde unbehelligt, aus Lin¬ vom Kaiser zurück. Er brachte wenig tatsächliche Tröstungen, aber viele, wie ich glaube mündliche betreffs Maximilians. Dieser sei mit seiner Schar und anderen Reichsfürsten im Begriffe zu kommen. Am 19. April brachten die Unsrigen drei Traunschiffe mit Getreide und Mehl ein. Es tobte ein erbitterter Kampf vier Stunden lang bei den Schiffen bis fast in die Stadt hinein, wobei von den Feinden weit über hundert Mann, von den Unsrigen aber nur einer fielen. Der Ungarkönig, der dem Kampf aus der Ferne zusah und mit seinem Pferde eine Furt überqueren wollte, fiel in die Donau, tauchte aber doch wieder auf und eilte völlig durchnäßt ins Schloß Ebersdorf. Tags darauf begann er die Schanze bei St. Paul und Markus zu errichten in der Nähe der Donau und legte ein Heer zu St. Marx. Wir beginnen schon an der Ankunft Maximilians und an der Hilfe des Kaisers zu zweifeln. Die Hungers¬ not wird immer größer. Am 5. Mai aßen wir in meinem Hause Pferdefleisch. Kuhfleisch ist schon ungewohnt, Schaffleisch kaum mehr zu haben. 1 Pfund Kuh¬ fleisch kostet 14 Denare, Pferdefleisch 6 Denare, Kalbfleisch 14 Denare. Es wäre zu weitläufig, alle Preise anzuführen. Am gestrigen Tage wurde zur Nachtzeit der alte Bürgermeister in den Kerker geworfen, nachdem vor zehn Tagen der Stadtkämmerer Tenkh bereits in Eisen geschlossen wurde. Beiden wird schlechte Führung der Stadtangelegenheiten während ihrer Amtstätigkeit zur Last gelegt. Die ganze Bürgerschaft, Frauen, Mönche und Nonnen warteten eine ganze Nacht beim roten Turm auf drei Schiffe die Mehl in die Stadt bringen und versuchen sollten, zwischen den Schanzen zu landen, doch war das Warten vergebens. Auf Lebensmittel ist nun keine Hoffnung mehr. Die Bürger denken eher daran, mit dem König wegen der Übergabe der Stadt in Verhandlungen zu treten. Am 10. Mai wurde eine Entschließung wegen der Übergabe dem Stadtpräsidenten, dem kaiserlichen Viscalen, überreicht, der schweren Herzens den Inhalt las. Am 12. Mai fand eine große Versammlung aller Bürger statt, die einstimmig den Stadtpräsidenten baten, daß er wegen der großen Hungersnot mit dem Ungarkönig einen Vertrag zur Befreiung der Stadt schließen möge, doch weigerte sich der Stadtpräsident hartnäckig. Am selben Tage wurde Thomas Tenkh, Bürger zu Wien und ehemaliger Kämmerer und Stadt¬ richter, wegen großer Diebstähle, die er an der Stadt begangen hat, enthauptet. Nachdem der Ungarkönig an der Stelle, an der wir die Ankunft der Schiffe erwartet hatten, eine neue Schanze erbaut hatte, begann er am 10. Mai in der Frühe von allen Seiten durch Geschütze mächtige Steine in die Stadt zu schießen. An vier Stellen bei den Zäunen der Vorstadt versuchte er zu stürmen und hatte 228

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