OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Schmidt: Gelbstzeugnisse im oberösterreichischen Schrifttum Volksweisen“ (1845), zwei Menschenalter nach Herders Volksliedersammlung, er¬ schienen, ist im Grunde enttäuschend, umsomehr als Franz Tschischka seine „Öster¬ reichischen Volkslieder mit ihren Singweisen“ schon 1819 und erweitert 1844 herausgebracht hatte. Weit bedeutungsvoller ist Josef von Spaun (1788 — 1865) durch seine „Lebenserinnerungen“, die bisher nur teilweise veröffentlicht wurden. Mit schlichter Sachlichkeit gibt er Bericht von seinem Leben, das schon in zartester Jugend durch die Freundschaft mit Schubert, im Konvikt der kaiserlichen Sänger¬ knaben in Wien geschlossen, Bedeutung erlangte. Der Kreis großer Geister, der mit den Brüdern Spaun verbunden war, spielt herein: Grillparzer, Bauernfeld, Schwind, Schubert, Kupelwieser und viele andere. Die Lebenserinnerungen sind das getreue Abbild eines gediegenen, künstlerisch allseitig interessierten altöster¬ reichischen Beamten. Stifter, der seinem Freunde Anton Spaun den Nachruf hielt, hat ihn mit Herder verglichen; auch darin zeigt sich ein innerer Zusammenhang mit Mayrhofer, der dem vielleicht bedeutendsten Nichtdichter der deutschen Literatur gleichfalls nahestand. Adalbert Stifter selbst stand unter dem Einfluß Herders, er hat so viel persönliches Erleben in seine Werke einströmen lassen, daß es zu einer Darstellung seines Lebens selbst nicht kam. Erstaunlich genug, daß er kein Tagebuch geführt hat, da ihn doch genaue Registrierungen seiner Tagesleistungen in der Malerei als geradezu pedantisch erscheinen lassen. Nur zwei seiner Beiträge zu dem Werk „Wien und die Wiener“ (1844) können als kleine Selbstdarstellungen betrachtet werden, die anmutige Erinnerung an seine fröhliche Wiener Studenten¬ zeit „Leben und Haushalt dreier Wiener Studenten“ und die für den schlichten Vöhmerwaldsohn eindrucksvollen „Wiener Salonszenen", in denen er seine Be¬ obachtungen in den höchsten Adelskreisen niedergelegt hat. In seinen späteren Lebensjahren trug sich Stifter mit dem Gedanken, seine Lebensbeschreibung zu verfassen, begann auch damit, kam aber über den Anfang nicht hinaus. Die wenigen Blätter, die sich in seinem Nachlaß fanden, lassen den Plan für das Ganze als einzigartig erscheinen, da es sich nahezu ausschließlich auf subtile Beobachtung der leisesten Seelenregungen von der frühesten Kindheit an einge¬ stellt hätte. Als künstlerische Kraft gewaltiger als Stifter ist Franz Stelzhamer (1802— 1874). Beide haben als Maler begonnen, während aber Stifter zeit¬ lebens Schilderer seiner tiefen Gesichte der Natur geblieben ist, hat sich Stelz¬ hamer immer eins mit ihr gefühlt und aus seinem eigenen Temperament heraus gestaltet. Natur, Volk, Heimat, Welt sind für ihn nicht Gegenstände der Betrach¬ tung, sondern er selbst und sein Teil. Wenn er von sich singt, ist alles um ihn herum darin mitenthalten und mit der ganzen Welt meint er sich selbst. So ist alles, was er schrieb, Selbstbiographie im höchsten Sinn. Dennoch hat er in seiner letzten Einteilung der Gesamtausgabe seiner Werke einen Band mit „Selbstiges“ betitelt; aus dem Nachlaß kam dann seine Bilderfolge von Piesenham heraus, die sein tiefstes Selbst enthält. Wie er niemals recht zur Schriftsprache fand, weil ihm dies schon ein Schritt aus der ihm eigentümlichen Natur gewesen wäre, er

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