Häuserverzeichnis Steyr 1848

45 die volle peinliche Gerichtsbarkeit über Leben und Tod auf immerwährende Zeiten. Am 6. Nov. 1527 wurde über die, durch den hier eingeschlichenen Wiedertäufer Johann Hut gebildete Sekte, in Folge kaiserlichen Auftrages Gericht gehalten, und dann 12 Verurtheilte enthauptet und verbrannt. Um diese Zeit begann auch Dr. Martin Luthers Glaubensreformation in Steyr Wurzel zu schlagen und sich rasch selbst unter der Geistlichkeit zu verbreiten. Ueberdicß drohte der Stadt auch äußere Gefahr: Im Herbste deS Jahres 1529, während der Belagerung Wiens durch die Türken, kam ein starkes Streifkorps derselben unter Kafim Pascha bis an unsere Stadt, wurde aber­ am Eindringen und der Ueberschreitung des Ennsflusses verhindert; doch erschien im September 1532 dieser gefürchtete Pascha wieder mit 15,000 Rei­ tern, überschritt die Enns am 9. September bei Ernsthofen, verheerte dies­ seits und jenseits Alles, und die geängstigte Stadt sah auf allen Seiten die Flammen von den Kirchen und Höfen emporlodern; doch war sie selbst gut vertheidigt und blieb verschont. Da die'Stadt bereits sehr an Bevölkerung zugenommen hatte, so wurde anno 1543 die Vorstadt Wieserfeld zu erbauen angefangen, auch im Weichsel- garten beim Bruderhause ein neuer Leichenhof errichtet. Inzwischen hatte die protestantische Lehre in Steyr außerordentliche Fortschritte gemacht, so daß sogar anno 1545 in der Stadtpfarrkirche und bald auch in den übrigen Kirchen der protestantische Gottesdienst eingeführt, und sohin durch länger als ein halbes Jahrhundert ununterbrochen abge­ halten, auch das seit dem großen Brande von 1522 noch in Ruinen ge­ legene und von den Mönchen verlassene Dominikaner-Kloster von Kaiser- Ferdinand I. anno 1559 der Bürgerschaft zur Erbauung eines protestan­ tischen Gymnasiums übergeben wurde. Es sollen wirklich damals nur mehr 18 katholische Bürgerfamilien in Steyr gewesen seyn. Da anno 1569 die Pest sehr gewüthet hatte, und ein Theil des über­ füllten LeichenhofeS beim Bruderhause in die Steyr hinabgestürzt war, so wurde der gegenwärtige Friedhof auf dem Taborselde zu erbauen angefangen, aber erst 1584 in sehr schönem Style mit Arkadengängen und Thürmen vollendet. Am 8. Juli 1572 erreichten die hiesigen Flüsse den höchsten be­ kannten Wasserstand: die Stadtmauer, das Thor der anno 1524 zuerst er­ bauten Neubrücke und mehrere Gebäude wurden weggerissen. Darnach be­ gann der Bau der 'gegenwärtigen Ennsmauer und des festen Neuthores unter der Leitung des berühmten Tyrolers Hanns Gasteiger, welcher 1577 auch die Enns von Weissenbach bis Steyr heraus schiffbar machte. Bei dem Bauernaufruhr anno 1596 belagerten im Dezember viele Tausend Bauern aus Ober- und Niederösterrcich 5 Tage lang die Stadt, um sich an dem Burggrafen Hrn. v. Starhemberg, weil er zwei Aufrührer im Schlosse hatte hinrichten lassen, zu rächen; konnten ihr aber, da sie im guten Vertheidigungsstande war, nichts anhaben. Im Jahre 1599 ließ Kaiser Rudolph 11. die protestantischen Kirchen schließen und schaffte die Prediger aus dem Lande; doch konnte damals das katholische Reformationswerk noch nicht durchgreifend vollführt werden, und es begann schon 1608 wieder der protestantische Gottesdienst. Im Jahre 1616 wurde auf Betreibung des Abtes Anton von Garsten und mit kaiser­ licher Unterstützung der Bau des Kapuziner-Klosters unternommen. Die Folgen der unseligen Religionsspaltung hatten sich schon seit län­ gerer Zeit wie unheilschwangere Wolken über Deutschland immer dichter zu­ sammengezogen ; im letzten Regierungsjahre des Kaisers Mathias 1618

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