Grüne Steyrzeitung Nr. 2, Oktober 1996

rüne Steyrzeitung 2/96 Alles in Butter! Über die jüngsten En twicklungen in Sachen Jugendkullur führte Bruno Feigl ein Gespräch mit Andi Liebl vom Trägerverein für ein offenes Jugend- und Kulturhaus Steyr. Seit April 1995 existiert der Trägerverein für ein offenes Jugend- und Kulturhaus Steyr. Mit dem Ankaufdcr ehemaligen Tischlerei Röder und deren Widmung als Jugundkullurhaus, steht der Umsetzung der Konzepte für aktive, bevölkerungsnahe Kulturarbeit nichts mehr im Wege. Ist dem denn nun wirklich so? Im erweiterten Sinne natürlich ja. Jedoch enthalten die über Längeren Zeitraum entwickelten und im Trend der modernen Kulturvermiltlung liegenden Konzepte für uns selbstverslänliche Anforderungen an Raum und Organisationsstrukturen .die erst im Zuge der Verhandlungen im Dialog sowohl mit der Stadt als auch den zukünftigen Nutzerinnengruppierungen ihren Ausdruck finden werden können. Die Diskussion um kulturellen, nichtkommerziellen Freiraum existiert ja schon lange, sicher schon zwanzig.Jahre. All jene von damals sind mit ihren Bedürfnissen und Wünschen nach kulturellem Treiben auch noch da, das heißt dasJugendkullur- haus kann sich nicht auf Jugendkullur beschränken. Generationen überschreiten und von einander lernen ist die Devise. Dies bedingt das gegenseitige Auskommen von Jugendlichen und ihrem Jugendzentrumsbetrieb, aktiv Kunstschaffenden, Initiativgruppen, einer konsequenten Veranstaltungslinie und den Nachbarn. Kultur zu vermitteln heißt auch, kreatives Potential der Gesellschaft freizusetzen. H ie sehen in diesem Punkt die Konzepte des Trägervereins aus? Offen für eine breite Basis! Der nichtkommerzielle Charakter und die Bindung an ein mullikullurelles Statut als Ansatz zur Installation einer Organisation- und Verwallungsstruktur werden erst durch die Benützerinnen die „vielfarbige Schönheit der bitteren Kunst” verliehen bekommen. Der Umfang und die Vielfalt kultureller Darbietungen (Rauminstallalionen, Pro- jektarbeilen, Variclö z.b.) beeinflussen den Werdegang kulturell und künstlerisch ambitionierter Menschen. Vor allem wenn man die Anwesenheit von Künstlerinnen zu Workshop-Tätigkeiten nutzt. Kultur wird ja oß auch als lÄirm und Störfaktor gesehen, inrainerprolesle haben die Kunstinstallation „Spaltung eines Platzes“ in der Pfarrgasse zu Fall gebracht, auch zu den möglichen Kulturhausslandortcn gab es schon ängstliche Reaktionen. Diese Ängste auf einen Kuliurbetrieb im Hehrgraben übertragen- wie schaut das für euch aus? Gute Frage! Manche sehen ja in Verbindung mit Jugendlichen nur Vandalen und reagieren in Verbindung mit Kunst mit Unverständnis. Konkret zum Wehrgraben: Technisch gesehen ist Lärmschutz im Zeitalter der Raumfahrt kein Problem mehr, man muß ihn nur machen. Gewall- exzesse konnten bei bisherigen Veranstaltungen in der MAW-Kassenhalle nicht beobachtet werden, verkehrslechnisch gesehen dürften erfahrungsgemäß auch keine Probleme entstehen, unsere Zielgruppe gehört nicht zu den Vollmotorisierten, allein schon vom Aller und den Lebensinleressen her. Thematisch bezogen steht dieses Projekt in einem engen Kontext zur Umgebung und ermöglicht eher, Kullur- versländnis zu vermitteln als Gräben aufzureissen, noch dazu wo doch der Wehrgraben eh ein geselliges Pflaster ist. Offen für eine breite Basis! Lets talk about money. Dießnanzielle Seite Ißjit die Grenzen der Möglichkeiten immer näher erscheinen, als sie gerade bei Kulturprojekten sein sollten. Vorweg sei gesagt, Kultur kann nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien funktionieren, und wer dies verlangt, verlangt die Abschaffung derselben. Kultur muß sich zwar vermehrt mit ihren Mechanismen auseinandersetzen, jedoch kann und darf die Frage machbarer Kultur nicht der Kostenrechnung unterliegen. Ein wesentliches Standbein neben angemessener Subventionierung durch Bund, Land und Stadl ist ehrenamtliche Eigenleistung , erst dadurch wird unser Vorhaben der Realisation näher gebracht. Weitere alternative Finanzierungsmethoden sind im Gespräch, um die jährlichen Folgekoslen einigermaßen in den Griff zu bekommen. Aufgrund der kulturellen, strukturellen und thematischen Anforderungen wäre aber ein kommerzieller Pächter für das Beisl absolut konlraproduktiv. Die zukünftige Funktionsweise des Hauses und dessen Programm wird maßgeblich von der Beteiligung von Initiativen und unabhängigen Einzelpersonen mitbeeinßußt werden. Habt ihr dazu schon Vorstellungen? Mullikulturelle Prägung versteht sich von selbst. Vorallem in einer Stadl in der sich viele ambitionierte, engagierte und talentierte junge Leute verstecken, die oft aus Mangel an Entfaltungsmöglichkeiten ins äußere oder innere Exil getrieben wurden. Im Zuge der Programmplanung wird es zum Beispiel Kooperationen mit schon existierenden Initiativen und Kulturschaffenden geben. Wanderkino, Musikveran- slaller, die sonst nirgends Platz finden, literarische Veranstaltungen fallen mir auf die Schnelle ein, es gibt ja in Steyr große Plalzprobleme für alternative Veranstalter. Initiativgruppen die in Richtung neue Medien oder Lokalradio arbeiten sind nicht minder wichtig und werden in die Struktur des Projektes Eingang finden. Hie wird nun dieses ambitionierte Projekt in die bestehende Kulturlandschaft einzuordnen sein? Idealerweise entsteht im Jugend- und Kultuhaus ein Konglomerat aus Kunst, Kultur und gesellschaftlicher Initative. In Verbindung mit neuen Medien und Vernetzung lhemenbezogener Anliegen wird dieses Projekt seinen Stellenwert in der Land- schafi der Kulturinitiativen schneller erreichen als wir glauben. Außerdem besteht ein überregionales Verhältnis ja schon lange durch die laufende Unterstützung der KUPF. Zu hoffen bleibt nur, daß die Initiatorinnen dieses Projektes nicht den Grundstein eines Poslhofs in Steyr gelegt haben, der ja durch seine Eingliederung in die Hochkullur jede publikumsnahe, schnelle Reaktionsfähigkeit verloren hat. Wir danken für das Gespräch. Bitte, gerne. Steyr, eine Hochschulstadt? Im Frühsonimer erfolgte die Grundsteinlegung für die 5.Ausbaustufe des FAZAT, eine rege Bautätigkeit hat am Ilackspitz begonnen. Die Modelle sind bekannt, der Endausbau wird optisch und Dächcn- mäßig den zenlrumsnahen Teil des Wehrgrabens beherrschen und unter anderem die Fachhochschule beherbergen. Steyr gelang, einen der österreichischen Fachhochschulslandorle zu ergattern. „ inj ins 21. Jahrhundert!,, Noch aber ist es nicht soweit. Sicherlich ist die Fachhochschule eine richtungsweisende Option fiir zukünftige Entwicklungen, ein Dach über dem Kopf alleine genügt aber nicht Innovationen und kreatives Potential setzen sich nicht von selbst um, sie brauchen ein geistiges Umfeld, das die Stadt bislang nur sehr marginal bieten kann. Noch ist Steyr eine Provinzsladl mit vorwiegend metallverarbeitender Industrie, krisenanfällig. Es gibt zu wenig Arbeitsplätze. Obwohl Ausbildungsgrad und Standard in den Betrieben hoch sind, gill bei weitem nicht jeder Betrieb als gesichert. Kulturell dümpelt man trotz großer Fortschritte in den letzten lo Jahren noch immer am unteren Ende vergleichbarer Städte. Anstelle von Offenheit und Toleranz wird die Sladlölfenllichkeit nach wie vor eher von Klcinkrämerseelen und - wenn auch gehobenem - Provinzbürger- Ium geprägt Es gibt zwar viel Jugend, aber sie hat es schwer, sich zu entfallen. Der Beginn des FAZAT-Endausbau isl Anfang einer Entwicklung, die - nicht nur für den Wehrgraben - noch aufgesetzt und unausgegoren wirkt. Viele Fragen sind noch offen. Kann es zu einem befruchtenden Austausch zwischen diesem technologisch orientierten Forschungs- und Ausbildungszentrum und der hiesigen Alltagskullur kommen? Wie wird diese Sladl auf Studenten reagieren, auf junge Menschen, die eigentlich schon erwachsen sind. Wo sollen sie wohnen, wie kommen sie von den Wohnungen in den automäßig schlecht erreichbaren Wehrgraben? Was kann ihnen die Stadl für die Freizeit bieten? „Verschlafen wir die Chance?,, Die notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen scheinen vorerst noch niemandem bewußt geworden zu sein. Eine offizielle Auseinandersetzung mit den soziokulturellen Implikationen fehlt bislang. Da wird noch einiges an Bewußlseinswandel geschehen müssen. Die Ansiedlung einer Fachhochschule isl natürlich eine Chance für die Sladl, ist eine Gelegenheit für einen Image-und Wertewandel und wird neue Impulse für den Arbeilsmarkt bringen können, auch wenn für manche der Eindruck entstanden ist, im FAZAT seien nur die Raljonalisiereram Werk. Die Art und Weise der weiteren Umsetzung des Projektes und seine Ausstrahlung auf die Sladtöffentlichkeil werden Parameter fiir den Weg, das Image und die Rolle dieser Sladl in der Zukunfi sein. 1 lier sollten die Zügel nicht schleifen. Sowohl die Repräsentanten der Stadt als auch die führenden Köpfe im FAZAT sind aufgerufen, sich stärkerum das Drumherum zu kümmern, damit die eröffnete Option auch wirklich wahrgenommen werden kann. Bruno Feigl

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