Grüne Bürgerzeitung, Nummer 6, Dezember 1991

Gastkommentar Spätestens die Wiener Gemeinde- ratswahlen, die wohl unter einer Viel- zahl von Aspekten als historisch zu betrachten sind, haben eine Tatsache in aller Deutlichkeit zutage gebracht, die in den Jahren zuvor bereits vor- auszusehen war. Durch eine von den Großparteien ganz bewußt forcierte Politik der „Entideologisierung" ist ein Vakuum entstanden, welches nun zwei politische Gruppierungen mit völlig konträren politischen Konzep- tionen auf ihre Art auffüllen. Die Grünen auf der einen Seite und die Nationalen unter dem Deck- mäntelchen „freiheitlich" auf der an- deren, jagen den sich in der politi- schen Mitte krampfhaft umklam- mernden Großparteien Stimme um Stimme ab. Die profillosen Großen nehmen es, so scheint's, gelassen zur Kenntnis, nicht mehr! Doch in der ÖVP mehren sich die Stimmen, die eine Loslösung von dieser Aneinan- derklammerei fordern. Und so falsch dürften sie nicht liegen, denn es wäre ja durch~µs reizvoll, gemeinsam mit einer FPO als Juniorpartner (solange sie noch Juniorpartner ist) alle jene konservativen, gesellschaftspoliti- schen und wirtschaftspolitischen Konzepte und Projekte zu realisie- ren, von denen so manche in der ÖVP seit längerem träumen. Die An- g~bote Haiders an die Adresse der OVP sind diesbezüglich ja scho.1:1 mehr als eindeutig. Auch die SPO scheint sich dieser bedrohlichen Ent- wicklung zunehmend bewußt zu werden und sogar Kanzler Vranitzky bekam einen leichten Anflug von Visionen, als er offen über andere Regierungskonstellationen sinnierte. Sein Sekretär Cap nahm es bereitwil- lig auf und entwickelte sogleich für die anstehende Bundespräsidenten- wahl eine kühne Prognose, wonach die Präsidentenwahl einer Abstim- mung über die Mehrheitsfähigkeit eines der beidengroßen gedanklichen Lager gleichkäme. Liberalismus, Weltoffenheit und Fortschritt contra Konservativismus, Nationalismus und Intoleranz. Diese Worte fielen auffruchtbaren „grünen" Boden, und seitdem erscheint Minister Streicher - Transitvertrag hin, Transitvertrag her - sogar den Grün-Alternativen als durchaus unterstützenswerter präsidialer Kandidat. Der erste Test- lauf für eine rot-grüne Ehe auf Bun- desebene also? Kann sein, denn je- des Projekt braucht schließlich seine positiven Referenzen. Auf kommunaler Ebene hat's schon begonnen. Nicht zufällig kam gerade in Linz die erste bedeu- tende rot-grüne Sachehe zustande. Auch Steyr wäre durch die geänder- tenMehrheitsverhältnisse imRathaus prädestiniert, dem Linzer Beispiel zu folgen. Allein, Steyr ist anders. Hier scheinen die Rathaus-Roten zu glau- ben, auch ohne koordinierte langfri- stige Zusammenarbeit mit der GAL fortschrittliche Kommunalpolitikbe- treiben zu können. Aber wahrschein- lich will man das gar nicht. Schließlich Raiffeisenbank Ternberg Die Bank am - Steyrdorf Wieserfeldplatz Ihre Spar-, Wertpapier- und Kreditbank haben die die Steyrer SP dominieren- den Gewerkschafter ohnehin schon immer eher diffuse Auffassungen von Ökologie, Umweltschutz und De- mokratie gehabt. Nichtsdestoweni- ger bleibt auch in Steyr eine rot-grüne Koalition als Herausforderung beste- hen. Historische Chancen würden sich daraus durchaus für beide Seiten ergeben. Die SP könnte diese Koali- tion zum Anlaß nehmen, um endlich die anstehenden personellen, inhaltli- chen und organisatorischen Konse- quenzen aus ihrer Wahlniederlage zu ziehen. Sie hätte die Chance, mit einem neuen Team, mit einem neuen Politikerverständnis, mit einer moti- vierten und aktivierten nach wie vor sehr großen Basis anzutreten und zu beweisen, was moderne sozialde- mokratische Kommunal- politik in der Praxis bedeu- tet. Die Grünen könnten sich als zweite fort- schrittliche Kraft eta- blieren, könnten ein be- merkenswertes Potenti- al an kreativen und poli- tisch begabten Mitar- beiterInnen einbringen, könnten beweisen, wie eine grüne Kurskorrektur aussieht und könntenWegbereiter für die Realisierung so mancher Vision sein. Diese rot-grüne Koalition könnte aber auch völlig neue Dimensionen in der politischen Kommunalarbeit eröffnen. Die Einbeziehunggrößerer Teileder Bevölkerung in eine moderne Stadt- politik ist eine große Herausforde- rung. Jugendparlamente, Stadtteil- foren und Fachausschüsse, die für alle offen sind und mit wirklichen Kompetenzen ausgestattet werden, könnten Meilensteine in der Ent- wicklung neuer demokratischer Mitbestimmungsformen bedeuten. Tatsache bleibt aber trotz alledem, daß die SPÖ in ihrer Entwicklung noch nicht so weit ist, um in einer rot- grünen Koalition eine ähnliche Her- ausforderung zu sehen. Die Intensi- vierung der Kontakte und der Kom- munikation zwischen GAL und Steyrer Sozialdemokratie bleibt aber durchaus als aktuelle Aufgabe beste- hen, wie die Weiterführung dieser Diskussion auf allen Ebenen. Bernhard Bräuer ist SJ-Vorsitzender im Bezirk Steyr Naturfriseur G(:)DL Die Alternative zurn Chernietriseur 0 72 52/67 6 66 Sierninger Straße 4 BURGERZEITUNG ,· t -

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